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Thüringen im literarischen Spiegel
Karl Emil Franzos
Aus Anhalt und Thüringen, Rütten & Loening, Berlin 1903.
Weit früher als das Schloß habe ich das Juwel Schwarzburgs, den Trippstein, besucht und bin seither noch zwei Male dagewesen; der Eindruck wurde nur immer stärker; das ist ja der Prüfstein alles wirklich Schönen, daß es um so mehr entzückt, je vertrauter es uns wird. Vielleicht auch lag es daran, daß ich die beiden letzten Male allein hinging und wenige Leute oben fand, während der Gipfel des Hügels das erste Mal von Menschen wimmelte und ich auch schon in Gesellschaft emporstieg.
Mein Wille war’s nicht. Als ich an das Rondell gekommen war, wo der Fußsteig von der Blankenburger Chaussee abzweigt, standen dort drei Damen unschlüssig da. Sie repräsentierten gleichsam das Altertum, das Mittelalter und die Neuzeit; am nettesten war noch das Altertum, weil es zwar unablässig schwatzte, aber doch ein gutes, ehrwürdiges Gesicht hatte, wogegen das Mittelalter überstark war und unfreundlich dreinsah; die Neuzeit war noch in jeder Hinsicht grasgrün und lachte aus Verlegenheit immerzu. Das Altertum sprach mich an; man hätte ihm gesagt, am Rondell zweige der Fußsteig ab und auf einem Steine stehe auch »Zum Trippstein«; nun sei hier das Rondell, aber auf dem Stein stehe »Fürst Günther«; ob das etwa gleichbedeutend sei? Ich mußte dies verneinen; auf diesem Fels am Rondell da stehe »Fürst Günther«, weil das ein Denkmal des Herrschers sei, der das Ländchen durch sechzig Jahre (1807–1867) regiert habe, und auf diesem weit kleineren Stein gegenüber stehe als Wegweiser »Zum Trippstein«.
[…]
Die Aussicht vom Trippstein ist eine der hübschesten Deutschlands und wohl die malerischste Thüringens. Während in den andern Teilen des Thüringer Waldes die benachbarten Hügelrücken fast gleich hoch sind, auch sacht aus seichten Tälern oder Hochebenen emporsteigen, streben sie hier jäh und in den verschiedensten Formen aus dem tief gerissenen Tal der Schwarza wie zum Himmel auf. Denn eben weil das Tal so tief ist, so täuscht sich das Auge über die an sich sehr bescheidene Höhe des Gipfels (noch nicht 500 Meter über dem Meeresspiegel), und die Weite des Gesichtskreises, die sich aus der Breite des Tals und dem Einmünden einiger Nebentäler ergibt, vermehrt diese Täuschung. Ähnlich ist der Eindruck, den man auf anderen Höhen dieses schönen Tals empfängt, zum Beispiel auf der etwas höheren Schapsheide, die dem Trippstein gegenüber am rechten Schwarzaufer liegt; was aber die Aussicht vom Trippstein vor den anderen auszeichnet, ist die Geschlossenheit des Bildes, die Mannigfaltigkeit und Schönheit der Farben und Formen.
[…]
Auf den Wänden des Häuschens wimmelt es natürlich von Namen, Sprüchen und Versen. Am schönsten sind die eines Lyrikers, der Macheleidt heißt; er tut, was ihm sein Name befiehlt. Außer Poesie und Landschaft kann man aber auf dem Trippstein nichts genießen; der Fürst ist geschmackvoll genug, dort oben keine Wirtschaft zu dulden.
Abb. 1, 2: Ansichtskarten um 1925 / Abb. 3: Ansichtskarte um 1940.
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