Person
Ort
Thema
Thüringen im literarischen Spiegel
Karl Emil Franzos
Aus Anhalt und Thüringen, Rütten & Loening, Berlin 1903.
Besser als die Kunst ist im Schwarzburger Schlosse das alte Kunstgewerbe vertreten, namentlich im Zeughause, der Bau ist dürftig, der Inhalt wertvoll, in mancher Hinsicht einzig. Schönere Jagdgeräte aus dem 15. und 16. Jahrhundert habe ich nirgendwo gesehen; schönere Gewehre und Schwerter aus derselben Zeit selten. Sehr merkwürdig sind die Männerhüte, Filz mit Silberstickerei; nicht bloß dies, sondern auch wunderschön die Rokokoschlitten, einer, der Drachenschlitten, offenbar das Werk eines wirklichen Künstlers voll überschäumender Phantasie. Auch die Kummetgeschirre mit reichster Holzschnitzerei mag man sich genau ansehen, um zu erkennen, wie reich selbst eine vergleichsweise öde Zeit – das 17. Jahrhundert – noch an guten Traditionen und künstlerischen Talenten war. Zu loben ist auch, daß die bedenklichen Kuriosa nun ausgemerzt sind; so gab es hier auch das breite Ehebett des Grafen von Gleichen; nun ist es verschwunden.
Auch im Schloß selbst findet sich manches hübsche Schnitz- und Gießwerk. Da ist – auf einem der Kamine des Kaisersaals aufgestellt – ein aus Holz geschnitzter Löwe, mit Pergament überzogen, mit Reliefs geschmückt; sicherlich uralte, etwa aus dem 13. Jahrhundert stammende oder nicht viel später einem Meister jener Zeit nachgebildete Arbeit. Der Löwe ist ein Kasten; ein anderes Schaustück, die »güldene Henne« (eine Auerhenne aus vergoldetem Silber), ein Trinkgefäß. Aus der Henne tranken im 16. Jahrhundert die Gäste, die zum ersten Mal an der fürstlichen Tafel erschienen, den Willkomm und bekamen dabei das »Geschmeide«, einen schweren Holzklotz, an einer Kette um den Hals gelegt. Das war ein Spaß im Stil jener Zeit, aber daß er noch heute geübt wird, hörte ich mit Staunen. Der Bremer aber mit Entzücken: »Das muß ’n Hochgenuß sein!« – »Der Klotz um den Hals?« – »Aber als Gast eines Fürsten! Und der Klotz muß wohl ein Symbol sein!« Wieder hob sich der
Zeigefinger. »Denken Sie mal darüber nach: Symbole haben oft ihre Bedeutung.«
›Literaturland Thüringen‹ ist eine gemeinsame Initiative von
Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen · Thüringer Literaturrat e. V. · MDR-Figaro · MDR Thüringen – Das Radio
Gestaltung und Umsetzung XPDT : Marken & Kommunikation © 2011-2025 [XPDT.DE]
© Thüringer Literaturrat e.V. [http://www.thueringer-literaturrat.de]
URL dieser Seite: [https://www.literaturland-thueringen.de/artikel/karl-emil-franzos-im-schwarzatal/das-zeughaus/]