Weimar – Ein literarischer Spaziergang zur Goethezeit
5 : Friedrich Schiller – »An den Herzog Carl August«

Personen

Friedrich von Schiller

Carl August v. Sachsen-Weimar-Eisenach

Ort

Weimar

Themen

Thüringen im literarischen Spiegel

Literarisches Thüringen um 1800

Autor

Friedrich Schiller

Schillers Briefe, Bd. 6, Nr. 1496, hg., von Fritz Jonas, Stuttgart u.a. 1895.

Jena, 1. Sep­tem­ber 1799

Durch­lauch­tigs­ter Herzog,
Gnä­digs­ter Fürst und Herr,

Die weni­gen Wochen mei­nes Auf­ent­halts zu Wei­mar und in der grö­ßere Nähe Eurer Durch­laucht im letz­ten Win­ter und Früh­jahr haben einen so bele­ben­den Ein­fluß auf meine Geis­tes­stim­mung geäu­ßert, daß ich die Leere und den Man­gel jedes Kunst­ge­nus­ses und jeder Mit­tei­lung, die hier in Jena mein Los sind, dop­pelt leb­haft emp­finde. Solange ich mich mit Phi­lo­so­phie beschäf­tigte, fand ich mich hier voll­kom­men an mei­nem Platz; nun­mehr aber, da meine Nei­gung und meine ver­bes­serte Gesund­heit mich mit neuem Eifer zur Poe­sie zurück­ge­führt haben, finde ich mich hier wie in eine Wüste ver­setzt. Ein Platz, wo nur die Gelehr­sam­keit und vor­züg­lich die meta­phy­si­sche im Schwange gehen, ist den Dich­tern nicht güns­tig: diese haben von jeher nur unter dem Ein­fluß der Künste und eines geist­rei­chen Umgangs gedei­hen kön­nen. Da zugleich meine dra­ma­ti­sche Beschäf­ti­gun­gen mir die Anschau­ung des Thea­ters zum nächs­ten Bedürf­nis machen und ich von dem glück­li­chen Ein­fluß des­sel­ben auf meine Arbei­ten voll­kom­men über­zeugt bin, so hat alles dies ein leb­haf­tes Ver­lan­gen in mir erweckt, künf­tig­hin die Win­ter­mo­nate in Wei­mar zuzubringen.

Indem ich aber die­ses Vor­ha­ben mit mei­nen öko­no­mi­schen Mit­teln ver­glei­che, finde ich, daß es über meine Kräfte geht, die Kos­ten einer dop­pel­ten Ein­rich­tung und den erhöh­ten Preis der meis­ten Not­wen­dig­kei­ten in Wei­mar zu erschwin­gen. In die­ser Ver­le­gen­heit wage ich es, meine Zuflucht unmit­tel­bar zu der Gnade Eurer Durch­laucht zu neh­men, und ich wage es mit um so grö­ße­rem Ver­trauen, da ich mich, in Anse­hung der Gründe, die mich zu die­ser Orts­ver­än­de­rung antrei­ben, Ihrer höchst eige­nen gnä­digs­ten Bei­stim­mung ver­si­chert hal­ten darf. Es ist der Wunsch, der mich antreibt, Ihnen selbst, gnä­digs­ter Herr, und den durch­lauch­tigs­ten Her­zo­gin­nen näher zu sein und mich durch das leb­hafte Stre­ben nach Ihrem Bei­fall in mei­ner Kunst selbst voll­kom­me­ner zu machen, ja viel­leicht etwas weni­ges zu Ihrer eige­nen Erhei­te­rung dadurch beizutragen.

Da ich mich in der Haupt­sa­che auf die Früchte mei­nes Flei­ßes ver­las­sen kann und meine Absicht. kei­nes­wegs ist, darin nach­zu­las­sen, son­dern meine Tätig­keit viel­mehr zu ver­dop­peln, so wage ich die unter­tä­nigste Bitte an Eure Durch­laucht, mir die Kos­ten­ver­meh­rung, wel­che mir durch die Trans­lo­ka­tion nach Wei­mar und eine zwei­fa­che Ein­rich­tung jähr­lich zuwächst, durch eine Ver­meh­rung mei­nes Gehalts gnä­digst zu erleichtern.

Der ich in tiefs­ter Devo­tion ersterbe
Eurer Her­zog­li­chen Durchlaucht
mei­nes gnä­digs­ten Herrn
unter­tä­nigst treugehorsamster

Fr. Schil­ler

 Weimar – Ein literarischer Spaziergang zur Goethezeit:

  1. Charlotte Krackow – »Herzogin Anna Amalia«
  2. Jakob Friedrich von Fritsch – »An Herzog Carl August«
  3. Herzog Carl August – »An Jakob Friedrich von Fritsch«
  4. Carl Wilhelm Heinrich Freiherr von Lyncker – »Schlittschuhfahren«
  5. Friedrich Schiller – »An den Herzog Carl August«
  6. Johanna Schopenhauer – »Brief an ihren Sohn Arthur«
  7. Eduard Genast – »Goethe auf der Probe«
  8. Johannes Daniel Falk – »Karfreitag 1821«
  9. John Russell – »Weimar«
  10. Carl Heinrich Ritter von Lang – »Bei Goethe«
  11. Julius Schwabe – »Schillers Schädel«
  12. Willibald Alexis – »Bei Goethe«
  13. Hector Berlioz – »An Liszt«
  14. William Makepeace Thackeray – »In Pumpernickel«
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