Weimar – Ein literarischer Spaziergang zur Goethezeit
14 : William Makepeace Thackeray – »In Pumpernickel«

Ort

Weimar

Thema

Literarisches Thüringen um 1800

Autor

William Makepeace Thackeray

William Makepeace Thackeray: Jahrmarkt der Eitelkeit. 2 Bde., Berlin 1964, Band 2.

In der klei­nen gemüt­li­chen groß­her­zog­li­chen Stadt Pum­per­ni­ckel (der­sel­ben, in der sich Sir Pitt Craw­ley als Atta­ché aus­ge­zeich­net hatte; das war aber lange, lange vor­her, noch ehe die Nach­richt von der Schlacht bei Aus­ter­litz ein­traf und als alle eng­li­schen Diplo­ma­ten in Deutsch­land rechtsum kehrt­ma­chen muß­ten) sah ich Oberst Dob­bin und seine Gesell­schaft zum ers­ten­mal. Sie waren mit dem Wagen und dem Rei­se­die­ner ange­kom­men und im »Erb­prinz«, dem bes­ten Hotel der Stadt, abge­stie­gen, und die ganze Gesell­schaft speiste an der Table d’hôte. Alle bemerk­ten sofort das majes­tä­ti­sche Wesen Josephs und die Ken­ner­miene, mit der er den Johan­nis­ber­ger, den er zum Diner bestellt hatte, schlürfte oder viel­mehr ein­saugte. Auch der kleine Knabe bezeigte einen guten Appe­tit und ver­speiste Schin­ken und Bra­ten und Kar­tof­feln und Prei­sel­beer­mar­me­lade und Salat und Pud­ding und gebra­te­nes Huhn und Zucker­werk mit einer Tap­fer­keit, die sei­ner Nation alle Ehre machte. Nach etwa fünf­zehn Gän­gen been­digte er das Mahl mit dem Des­sert, von dem er sogar noch etwas mit hin­aus­nahm. Einige junge Her­ren am Tisch hat­ten ihn näm­lich ver­an­laßt, von sei­ner Kalt­blü­tig­keit und sei­nem unbe­küm­mer­ten Wesen amü­siert, eine Hand­voll Makro­nen in die Tasche zu ste­cken, die er dann auf dem Wege zum Thea­ter ver­speiste. Dahin gin­gen alle in dem hei­te­ren, gesel­li­gen deut­schen Städt­chen. Die Dame in Schwarz, die Mama des Kna­ben, lachte und errö­tete und blickte abwech­selnd erfreut und betre­ten drein, als das Diner immer wei­ter­ging und ihr Sohn seine ver­schie­de­nen Hel­den­stück­chen und Eulen­spie­ge­leien ver­übte. Ich erin­nere mich noch, wie der Oberst – denn das wurde er bald dar­auf – den Kna­ben mit ernst­haf­tem Gesicht auf­zog, ihm Gerichte zeigte, die er noch nicht gekos­tet hatte, und ihn bat, sei­nem Appe­tit keine Zügel anzu­le­gen, son­dern von die­sem oder jenem noch ein­mal zu nehmen.

Es gab einen soge­nann­ten Gast­rol­len­abend im König­lich-Groß­her­zog­li­chen Hof­thea­ter zu Pum­per­ni­ckel, und Madame Schrö­der-Devri­ent[1] damals in der Blüte ihrer Schön­heit und Kunst, spielte die Hel­din in der wun­der­vol­len Oper »Fide­lio«. Von unse­ren Sperr­sitz­plät­zen aus konn­ten wir unsere vier Freunde von der Table d’hôte in der Loge sehen, die Schwend­ler, der Wirt vom »Erb­prinz«, für seine bes­ten Gäste gemie­tet hatte, und mir fiel sofort ins Auge, wie die herr­li­che Sän­ge­rin und die Musik auf Mrs. Osborne wirkte (so hat­ten wir den kor­pu­len­ten Herrn mit Schnurr­bart die Dame nen­nen hören). Wäh­rend des wun­der­ba­ren Gefan­ge­nen­cho­res, über den sich die pracht­volle Stimme der Sän­ge­rin in hin­rei­ßen­den Har­mo­nien erhob, nahm ihr Gesicht solch einen Aus­druck stau­nen­den Ent­zü­ckens an, daß es selbst dem klei­nen Fipps, dem bla­sier­ten Atta­ché, auf­fiel und er, sein Thea­ter­glas auf sie gerich­tet, näselte: »Boi Gott, ös tut oinem wörk­lich wohl, oin Woib zu sehen, das oiner sol­chen Bego­is­te­rung fähig öst.« In der Gefäng­nis­szene, wo Fide­lio auf ihren Gat­ten zustürzt und ruft: »Nichts, nichts, mein Flo­re­stan!«, ver­lor sie die Beherr­schung und bedeckte ihr Gesicht mit dem Taschen­tuch. Sämt­li­che Damen im Hause schnüf­fel­ten bei die­ser Szene, und ich nehme an, daß sie mir nur des­halb beson­ders auf­fiel, weil es mir bestimmt war, ihre Memoi­ren zu schreiben.

Am nächs­ten Tage führte man ein ande­res Werk von Beet­ho­ven, »Die Schlacht bei Vito­ria«, auf. Es fängt mit dem Spott­lied auf Marl­bo­rough an, um das schnelle Vor­rü­cken des fran­zö­si­schen Hee­res anzu­deu­ten. Dann kom­men Trom­meln, Trom­pe­ten, Kano­nen­don­ner und das Äch­zen der Ster­ben­den und schließ­lich in einem groß­ar­ti­gen anschwel­len­den Schluß die eng­li­sche Natio­nal­hymne »Gott schütz den König«.

Es mochte ein reich­li­ches Dut­zend Eng­län­der im Thea­ter sein, und beim Erklin­gen die­ser gelieb­ten und bekann­ten Musik erho­ben sich alle Bri­ten, wir jun­gen Bur­schen im Par­kett, Sir John und Lady Bull­mins­ter (die in Pum­per­ni­ckel ein Haus gemie­tet hat­ten, um ihre neun Kin­der zu erzie­hen), der dicke Herr mit dem Schnurr­bart, der lange Major in den wei­ßen Lei­nen­ho­sen und die Dame mit dem klei­nen Kna­ben, denen er soviel Auf­merk­sam­keit bewies, ja selbst der Die­ner Kirsch auf der Gale­rie, von ihren Plät­zen und bekann­ten sich als Ange­hö­rige der guten alten bri­ti­schen Nation. Tape­worm, der Lega­ti­ons­se­kre­tär, stand eben falls in sei­ner Loge auf und ver­beugte sich und lächelte geziert, als ob er das ganze König­reich reprä­sen­tie­ren wollte. Tape­worm war der Neffe und Erbe des alten Mar­schalls Tip­toff, der in die­ser Geschichte als Gene­ral Tip­toff kurz vor Water­loo erwähnt wor­den ist. Er war Oberst des …ten Regi­ments, in dem Major Dob­bin diente, und starb in die­sem Jahr ehren­voll an einem Gericht von Kie­bitz­ei­ern in Aspik. Dar­auf­hin über­gab Seine Majes­tät das Regi­ment gnä­dig dem Befehl von Oberst Sir Michael O’Dowd, Kom­tur des Bath­or­dens, der es durch viele ruhm­volle Schlach­ten geführt hatte.

Tape­worm mußte Major Dob­bin im Hause des Vor­ge­setz­ten des Obers­ten, des Mar­schalls, getrof­fen haben, denn er erkannte ihn an die­sem Abend im Thea­ter, und der Gesandte Sei­ner Majes­tät kam mit der größ­ten Her­ab­las­sung aus sei­ner Loge und drückte dem neuen Freund öffent­lich die Hand.

»Seht nur den ver­teu­fel­ten Schlau­ber­ger von Tape­worm an«, flüs­terte Fipps, als er sei­nen Vor­ge­setz­ten vom Par­kett aus beob­ach­tete. »Wo sich eine hüb­sche Frau zeigt, da schleicht er sich sofort ein.« Nun, ich möchte wis­sen, wozu denn Diplo­ma­ten da sind, wenn nicht dafür.

»Habe ich die Ehre, mit Mrs. Dob­bin zu spre­chen?« fragte der Sekre­tär mit schmeich­le­ri­schem Grinsen.

George brach in lau­tes Geläch­ter aus und sagte:

»Beim Zeus, das ist ein guter Witz.« Emmy und der Major errö­te­ten; wir beob­ach­te­ten sie von unse­ren Plät­zen aus.

»Diese Dame ist Mrs. George Osborne«, sagte der Major, »und dies ist ihr Bru­der, Mr. Sed­ley, ein her­vor­ra­gen­der Beam­ter im ben­ga­li­schen Zivil­dienst. Erlau­ben Sie mir, ihn Eurer Lord­schaft vorzustellen.«

Bei dem bezau­bern­den Lächeln des Lords ver­lor Joseph bei­nahe das Gleichgewicht.

»Wol­len Sie sich län­gere Zeit in Pum­per­ni­ckel auf­hal­ten?« fragte der Lord. »Es ist ein lang­wei­li­ges Nest, und wir brau­chen nette Leute. Wir wer­den ver­su­chen, es Ihnen so ange­nehm wie mög­lich zu machen. Mr. – ehem – Mrs. – oho – ich werde die Ehre haben, Ihnen mor­gen in Ihrem Hotel meine Auf­war­tung zu machen.« Er ging weg mit einem sieg­haf­ten Lächeln und einem Blick, der Mrs. Osborne sei­ner Mei­nung nach völ­lig erle­di­gen mußte.

Nach Schluß der Vor­stel­lung trie­ben sich die jun­gen Leute im Foyer herum, und wir sahen die höhe­ren Gesell­schaf­ten auf­bre­chen. Die Her­zo­gin­witwe fuhr in ihrer klap­pern­den alten Kut­sche ab, beglei­tet von zwei treuen, ver­welk­ten alten Hof­da­men und einem klei­nen, ver­drieß­li­chen, dürrbei­ni­gen Kam­mer­herrn in einer brau­nen Perü­cke und einem grü­nen, orden­be­deck­ten Rock, auf dem der Stern und das gelbe Band des Sankt-Micha­els-Ordens von Pum­per­ni­ckel beson­ders ins Auge fie­len. Die Trom­meln wir­bel­ten, die Wache prä­sen­tierte, und die alte Kut­sche fuhr ab.

Dann kam Seine Durch­laucht der Her­zog mit der durch­lauch­ti­gen Fami­lie nebst sei­nen hohen Staats-und Hof­be­am­ten. Er ver­beugte sich gelas­sen gegen jeder­mann, und inmit­ten der salu­tie­ren­den Wachen und der fla­ckern­den Fackeln, die von pur­pur­ge­klei­de­ten Lakaien getra­gen wur­den, fuh­ren die durch­lauch­ti­gen Kut­schen nach dem alten Her­zogschloß mit sei­nen Tür­men und Zin­nen auf dem Schloß­berg. In Pum­per­ni­ckel kannte jeder jeden. Kaum war ein Frem­der auf­ge­taucht, so begab sich auch schon der Minis­ter des Aus­wär­ti­gen oder auch irgend­ein hoher oder nied­ri­ger Staats­be­am­ter zum »Erb­prin­zen« und erkun­digte sich nach dem Namen des Neuankömmlings.

Wir sahen auch sie das Thea­ter ver­las­sen. Tape­worm war gerade fort­ge­gan­gen. Er war in sei­nen Man­tel gehüllt, mit dem ihn sein rie­si­ger Die­ner stets erwar­tete, und glich, soweit es ihm mög­lich war, Don Juan. Die Gemah­lin des Minis­ter­prä­si­den­ten hatte sich soeben in ihre Sänfte gequetscht, und ihre Toch­ter, die bezau­bernde Ida, hatte Kapuze und Galo­schen ange­legt, als die Eng­län­der her­aus­ka­men. Der Knabe gähnte ent­setz­lich, der Major gab sich die größte Mühe, den Schal über Mrs. Osbor­nes Kopf am Rut­schen zu hin­dern, und Mr. Sed­ley sah groß­ar­tig aus mit dem Klapp­hut auf einem Ohr und der Hand in der Tasche sei­ner umfang­rei­chen wei­ßen Weste. Wir zogen den Hut vor unse­ren Bekann­ten von der Table d’hôte, und die Dame dankte uns mit einem Lächeln und einem klei­nen Knicks. Jeder von uns konnte froh dar­über sein. Die Kut­sche des Gast­hofs, unter der Auf­sicht des geschäf­ti­gen Herrn Kirsch, stand bereit, um die Gesell­schaft fort­zu­brin­gen. Der dicke Herr erklärte jedoch, er wolle zu Fuß gehen und auf dem Heim­weg seine Zigarre rau­chen; so fuh­ren die ande­ren drei mit einem Kopf­ni­cken und Lächeln für uns ohne Mr. Sed­ley ab, und Kirsch folgte mit dem Zigar­ren­etui der Spur sei­nes Herrn.

Wir gin­gen mit­ein­an­der und erzähl­ten dem dicken Herrn von den Ver­gnü­gun­gen des Ortes. Das Leben war sehr ange­nehm für Eng­län­der. Es gab Jag­den und ganz spe­zi­ell Treib­jag­den und eine Menge von Bäl­len und Unter­hal­tun­gen an dem gast­freien Hof. Die Gesell­schaft war im all­ge­mei­nen gut, das Thea­ter vor­treff­lich und das Leben nicht teuer.

»Und unser Gesand­ter scheint ein sehr ange­neh­mer und leut­se­li­ger Mensch zu sein«, meinte unser neuer Freund. »Bei so einem Reprä­sen­tan­ten und – und einem tüch­ti­gen Arzt stelle ich mir vor, daß es sich in die­ser Stadt gut leben läßt. Gute Nacht, meine Herren.«

Und damit stieg Joseph die knar­rende Treppe hin auf, in Rich­tung auf sein Bett, gefolgt von Kirsch mit dem Leuch­ter. Wir hoff­ten, daß sich die hüb­sche Frau bewe­gen las­sen würde, einige Zeit in der Stadt zu verweilen.

 

So ein höf­li­ches Beneh­men, wie es Lord Tape­worm an den Tag legte, ver­fehlte nicht seine güns­tige Wir­kung auf Mr. Sed­ley, und am nächs­ten Mor­gen beim Früh­stück gab Joseph sei­ner Ansicht Aus­druck, daß Pum­per­ni­ckel doch das ange­nehmste Städt­chen sei, das sie auf ihrer Reise gefun­den hät­ten. Josephs Motive und Lis­ten waren leicht zu durch­schauen, und Dob­bin lachte sich als ech­ter Heuch­ler ins Fäust­chen, als er aus der Ken­ner­miene des Zivi­lis­ten und aus der Gesprä­chig­keit, womit er sich über Schloß Tape­worm und die übri­gen Glie­der der Fami­lie aus­ließ, ent­nahm, daß Joseph an die­sem Mor­gen schon sei­nen Adelska­len­der durch­forscht hatte. Ja, er hatte sogar bereits den ehren­wer­ten Gra­fen von Bag­wig, den Vater Sei­ner Lord­schaft, gese­hen. Er war über­zeugt davon, daß er ihn schon getrof­fen hatte – beim – beim Emp­fang bei Hofe. Ob sich Dob­bin nicht daran erin­nern könne. Als dann der Diplo­mat, getreu sei­nem Ver­spre­chen, die Gesell­schaft besuchte, emp­fing ihn Joseph mit einer Begrü­ßung und Ehren­be­zei­gun­gen, wie sie dem klei­nen Gesand­ten sel­ten zuteil wur­den. Als Seine Exzel­lenz kam, gab er Kirsch einen Wink, wor­auf der Die­ner, vor­her gut instru­iert, hin­aus­ging und für ein Früh­stück sorgte, bestehend aus kal­tem Fleisch, Gelees und ande­ren Deli­ka­tes­sen. Als er es auf Tabletts hin­ein­ge­bracht hatte, bestand Mr. Joseph dar­auf, daß sein edler Gast unbe­dingt daran teil­neh­men müsse.

Solange Tape­worm die leuch­ten­den Augen von Mrs. Osborne bewun­dern konnte (ihre fri­sche Gesichts­farbe ertrug das Tages­licht vor­treff­lich), hatte er nichts gegen eine Ein­la­dung zum län­ge­ren Blei­ben in Mr. Sed­leys Woh­nung ein­zu­wen­den. Er stellte ihm ein paar scharf­sin­nige Fra­gen über Indien und die Tem­pel­tän­ze­rin­nen dort, erkun­digte sich bei Ame­lia nach dem Kna­ben, der bei ihr gewe­sen sei, und machte der erstaun­ten klei­nen Frau Kom­pli­mente über das unge­heure Auf­se­hen, das sie im Thea­ter erregt hatte. Dob­bin ver­suchte er durch Gesprä­che über den letz­ten Krieg und die Hel­den­ta­ten des Pum­per­ni­ckel­schen Trup­pen­kon­tin­gents unter dem Befehl des Erb­prin­zen, des jet­zi­gen Her­zogs von Pum­per­ni­ckel, zu fesseln.

Lord Tape­worm hatte ein gut Teil der Fami­li­en­ga­lan­te­rie geerbt, er befand sich in dem glück­li­chen Glau­ben, daß jede Dame, der er freund­li­che Bli­cke zuwarf, sich in ihn ver­lie­ben müsse. Er ver­ließ Emmy in der Über­zeu­gung, daß sie von sei­nem Witz und sei­nen Rei­zen völ­lig geschla­gen sei, und begab sich nach Hause, um ihr ein hüb­sches klei­nes Bil­lett zu schrei­ben. Sie war ganz und gar nicht hin­ge­ris­sen, son­dern nur ver­blüfft über sein Grin­sen, sein gezier­tes Lächeln, sein par­fü­mier­tes Batist­ta­schen­tuch und seine hoch­ha­cki­gen Lack­stie­fel. Sie ver­stand kaum die Hälfte der Kom­pli­mente, die er ihr machte, hatte sie doch in ihrer gerin­gen Erfah­rung mit der Mensch­heit noch nie einen pro­fes­sio­nel­len Galan ken­nen­ge­lernt. Sie betrach­tete den Lord eher als komisch denn als ange­nehm, und wenn sie ihn auch nicht bewun­derte, so wun­derte sie sich doch über ihn. Joseph dage­gen war ent­zückt. »Wie leut­se­lig der Lord doch ist«, sagte er. »Wie gütig es doch von dem Lord ist, daß er mir sei­nen Arzt schi­cken will. Kirsch, Sie wer­den sofort unsere Kar­ten bei Graf von Schlüs­sel­back abge­ben. Es wird dem Major und mir höchst ange­nehm sein, so bald wie mög­lich unsere Auf­war­tung bei Hofe zu machen. Legen Sie meine Uni­form zurecht, Kirsch – auch die Uni­form des Majors. Als Zei­chen der Höf­lich­keit sollte jeder eng­li­sche Gen­tle­man in den Län­dern, die er besucht, den dor­ti­gen Herr­schern und den Reprä­sen­tan­ten sei­nes eige­nen Lan­des seine Auf­war­tung machen.«

Tape­worms Arzt, Dok­tor von Glau­ber, Leib­arzt Sei­ner Durch­laucht des Her­zogs, über­zeugte Joseph schnell, daß die Pum­per­ni­ckel­schen Mine­ral­quel­len und seine ärzt­li­che Spe­zi­al­be­hand­lung dem Ben­ga­len unfehl­bar wie­der zur Jugend und Schlank­heit ver­hel­fen würden.

»Im ver­gan­ge­nen Jahr«, sagte er in nicht ganz eng­li­schem Eng­lisch, »kam Gene­ral Bul­ke­ley, ein eng­li­scher Gene­ral, hier­her, der dop­pelt so dick war wie Sie, mein Herr. Nach drei Mona­ten habe ich ihn ganz ger­ten­schlank wie­der ent­las­sen, und bereits nach zwei Mona­ten hatte er mit der Baro­nin Glau­ber getanzt.«

Josephs Ent­schluß stand fest. Die Mine­ral­quel­len, der Dok­tor, der Hof und der Gesandte über­zeug­ten ihn, und er nahm sich vor, den Herbst in die­ser herr­li­chen Gegend zu ver­brin­gen. Sei­nem Ver­spre­chen getreu, stellte der Gesandte am nächs­ten Tage Joseph und den Major Vik­tor Aure­lius XVII. vor. Zur Audi­enz gelei­tete sie Hof­mar­schall Graf von Schlüsselback.

Sie wur­den sofort zum Diner bei Hofe ein­ge­la­den, und als ihre Absicht, in der Stadt zu ver­wei­len, bekannt wurde, mach­ten die vor­nehms­ten Damen des Ortes Mrs. Osborne sehr bald ihre Auf­war­tung. Da keine von ihnen, wie arm sie auch sein mochte, unter dem Rang einer Baro­nin war, kannte Josephs Begeis­te­rung keine Gren­zen. Er schrieb sei­nem Klub­ka­me­ra­den Chut­ney, daß die indi­schen Beam­ten in Deutsch­land hoch im Kurs stän­den, daß er sei­nem Freund, dem Gra­fen von Schlüs­sel­back, zei­gen werde, wie man Wild­schweine auf indi­sche Art mit dem Speer jage, und daß seine erlauch­ten Freunde, der Her­zog und die Her­zo­gin, die Güte selbst seien.

Auch Emmy wurde der hohen Fami­lie vor­ge­stellt, und da an gewis­sen Tagen Trau­er­klei­dung bei Hofe nicht zuläs­sig ist, erschien sie in einem rosa Krepp­kleid mit einer Dia­mant­bro­sche, die ihr Bru­der ihr geschenkt hatte. Sie sah in die­ser Auf­ma­chung so hübsch aus, daß der Her­zog und der ganze Hof (der Major, der sie fast noch nie im Ball­kleid gese­hen hatte und schwor, sie sehe wie kaum fünf­und­zwan­zig aus, gar nicht mit­ge­rech­net) sie über alle Maßen bewunderten.

In die­ser Klei­dung tanzte sie mit Major Dob­bin bei einem Hof­ball die Polo­naise, und Mr. Joseph hatte bei die­sem ein­fa­chen Tanz die Ehre, die Grä­fin von Schlüs­sel­back zu füh­ren, eine alte Dame, die zwar einen Buckel, dafür aber sech­zehn adlige Vor­fah­ren hatte und mit der Hälfte aller Fürs­ten­häu­ser in Deutsch­land ver­wandt war.

Pum­per­ni­ckel liegt inmit­ten eines schö­nen Tales, durch das sich ein glit­zern­des frucht­bar­keitspen­den­des Flüß­chen, die Pump, schlän­gelt. Irgendwo – ich habe lei­der keine Karte zur Hand und kann den genauen Ort nicht bezeich­nen, ver­ei­nigt sie sich mit dem Rhein. An eini­gen Stel­len ist sie breit genug für eine Fähre, an ande­ren kann sie eine Mühle trei­ben. In Pum­per­ni­ckel selbst hatte die vor­vor­letzte Durch­laucht, der große und berühmte Vik­tor Aure­lius XIV., eine pracht­volle Brü­cke erbaut, auf der sich seine eigene Sta­tue erhebt, umge­ben von Was­ser­nym­phen und Sym­bo­len des Sie­ges, des Frie­dens und des Über­flus­ses. Sein Fuß ruht auf dem Nacken eines nie­der­ge­wor­fe­nen Tür­ken. Die His­to­rie berich­tet, daß er bei der Ent­set­zung Wiens durch Sobie­ski[2] im Gefecht mit einem Jani­tscha­ren die­sen durch­bohrt habe. Gänz­lich unbe­wegt jedoch von dem Todes­kampf des geschla­ge­nen Moham­me­da­ners, der sich unter sei­nen Füßen in gräß­li­cher Weise krümmt, lächelt der Fürst milde und deu­tet mit sei­nem Feld­herrn­stab zum Aure­li­us­platz, wo er ange­fan­gen hatte, einen neuen Palast zu erbauen. Hätte der hoch­her­zige Fürst nur die Mit­tel gehabt, das Gebäude zu voll­enden – es wäre ein Wun­der sei­nes Zeit­al­ters gewor­den. Aus Man­gel an Bar­geld wurde der Bau von Mon­p­lai­sir (Mont­b­lai­sir spre­chen es die bra­ven Deut­schen aus) nicht voll­endet. Das Schloß mit Park und Gar­ten befin­det sich jetzt in einem ziem­lich ver­fal­le­nen Zustand, und es ist kaum mehr als zehn­mal so groß, wie es für den Hof­staat des regie­ren­den Fürs­ten nötig wäre.

Die Gär­ten hät­ten die von Ver­sailles in den Schat­ten stel­len sol­len, und inmit­ten der Ter­ras­sen und Wäld­chen ste­hen noch ein paar große alle­go­ri­sche Was­ser­künste, die an Fest­ta­gen erstaun­lich sprü­hen und sprit­zen und einen mit ihrem gewal­ti­gen wäß­ri­gen Auf­ruhr erschre­cken. Es gibt dort auch eine Tro­pho­nios­höhle[3], in der ver­mit­tels einer künst­li­chen Vor­rich­tung die blei­er­nen Tri­to­nen[4] nicht nur Was­ser speien, son­dern auch aus ihren blei­er­nen Muschel­trom­pe­ten ein ent­setz­li­ches Stöh­nen ertö­nen las­sen. Wei­ter­hin gibt es dort ein Nym­phen­bad und den Nia­ga­ra­fall, den die Leute aus der Umge­bung unaus­sprech­lich bewun­dern, wenn sie zum Jahr­markt anläß­lich der Eröff­nung der Kam­mer in die Stadt kom­men oder zu den Fes­ten, die das glück­li­che Länd­chen immer noch an dem Geburts- oder Hoch­zeits­tage sei­ner fürst­li­chen Herr­scher feiert.

Dann kom­men sie aus allen Städ­ten des Her­zog­tums, das sich fast zehn Mei­len weit erstreckt – aus Bol­kum, das an der West­grenze Preu­ßen Trotz bie­tet, aus Grog­witz, wo das Jagd­schloß des Fürs­ten liegt und wo die Pump seine Besit­zun­gen von denen sei­nes Nach­barn, des Fürs­ten von Pot­zen­tal, trennt, aus all den klei­nen Dör­fern, die neben die­sen drei gro­ßen Städ­ten das glück­li­che Fürs­ten­tum über­säen, und aus den Bau­ern­hö­fen und Müh­len ent­lang der Pump. Sie kom­men trupp­weise in rotem Rock und Samt­mütze oder mit Drei­spitz und der Pfeife im Mund und strö­men in die Resi­denz und genie­ßen die Freu­den des Jahr­markts und der Fest­lich­kei­ten dort. Dann ist das Thea­ter umsonst geöff­net, dann begin­nen die Was­ser­künste von »Mont­b­lai­sir« zu spie­len (zum Glück sind genug Zuschauer da, denn einer allein würde sich fürch­ten). Dann kom­men Markt­schreier und eng­li­sche Reit­künst­ler (es ist bekannt, wie Seine Durch­laucht einst von einer Rei­te­rin gefes­selt wor­den war, und man glaubte sogar, la petite vivan­dière[5], wie sie genannt wurde, sei eine Spio­nin in fran­zö­si­schen Diens­ten gewe­sen). Dem ent­zück­ten Volk wird gestat­tet, alle Zim­mer des groß­her­zog­li­chen Palas­tes zu durch­wan­dern und die glat­ten Fuß­bö­den, präch­ti­gen Tape­ten und die Spuck­näpfe an den Türen all der unzäh­li­gen Gemä­cher zu bewun­dern. Es gibt in »Mont­b­lai­sir« einen Pavil­lon, den Aure­lius Vik­tor XV. – ein bedeu­ten­der Fürst, aber zu ver­gnü­gungs­süch­tig – errich­ten ließ. Er soll ein wah­res Wun­der­werk aus­schwei­fen­der Ele­ganz sein. Er ist mit Dar­stel­lun­gen aus der Sage von Bac­chus und Ari­adne[6] geschmückt, und der Tisch im Zim­mer ver­schwin­det oder erscheint mit­tels einer Winde, so daß der Gesell­schaft ohne anwe­sende Die­ner auf­ge­war­tet wird. Die Her­zo­gin Bar­bara, Witwe Aure­lius‹ XV., eine strenge und fromme Fürs­tin aus dem Hause Bol­kum, ver­schloß den Pavil­lon. Sie war wäh­rend der glor­rei­chen Min­der­jäh­rig­keit ihres Soh­nes Regen­tin des Groß­her­zog­tums, nach­dem ihr Gemahl auf dem Höhe­punkt sei­ner Ver­gnü­gun­gen dahin­ge­gan­gen war.

Das Thea­ter von Pum­per­ni­ckel ist in jenem Teil Deutsch­lands bekannt und berühmt. Es ver­lor ein wenig, als der gegen­wär­tige Her­zog in sei­ner Jugend dar­auf bestand, seine eige­nen Opern dort auf­füh­ren zu las­sen, und eines Tages, als er an einer Probe teil­nahm, soll er wütend über das zu lang­same Diri­gie­ren des Kapell­meis­ters aus sei­nem Orches­ter­sitz auf­ge­sprun­gen sein und ihm ein Fagott auf dem Kopf zer­schla­gen haben. Das Niveau sank auch, als die Her­zo­gin Sophia Komö­dien schrieb, die sehr lang­wei­lig gewe­sen sein müs­sen. Jetzt führt der Her­zog seine Musik jedoch in pri­va­tem Kreise auf, und die Her­zo­gin bie­tet ihre Schau­spiele nur den vor­neh­men Frem­den dar, die ihren net­ten klei­nen Hof besuchen.

Man lebt dort sehr gemüt­lich und glanz­voll. Wenn Bälle gege­ben wer­den, so bedient ein schar­lach­ge­klei­de­ter Die­ner in Spit­zen jeweils vier Gäste, und seien auch vier­hun­dert zum Essen gela­den. Alles Tafel­ge­schirr ist von Sil­ber. Feste und Ver­gnü­gun­gen fin­den unun­ter­bro­chen statt, und der Her­zog hat seine Kam­mer­her­ren und seine Stall­meis­ter und die Her­zo­gin ihre Kam­mer­frau und ihre Hof­da­men, genau wie alle ande­ren viel fürst­li­che­ren Fürsten.

Die Ver­fas­sung ist oder war ein gemä­ßig­ter Des­po­tis­mus, ein­ge­schränkt durch eine Kam­mer, die gewählt wer­den konnte oder nicht. Ich habe jeden­falls wäh­rend mei­nes Auf­ent­halts in Pum­per­ni­ckel nie etwas Bestimm­tes von einer Sit­zung gehört. Der Minis­ter­prä­si­dent wohnte irgendwo im zwei­ten Stock, und der Minis­ter des Aus­wär­ti­gen hatte die behag­li­che Woh­nung über Zwie­backs Kon­di­to­rei. Die Armee bestand aus einem groß­ar­ti­gen Musik­korps, das gleich­zei­tig auf der Bühne Dienst tun mußte. Es war köst­lich, abends die wür­di­gen Bur­schen geschminkt, in tür­ki­schen Kos­tü­men und mit höl­zer­nen Säbeln oder als römi­sche Krie­ger mit Ophik­lei­den[7] und Posau­nen zu sehen, nach­dem man ihnen früh auf dem Aure­li­us­platz gelauscht hatte, wo sie gegen­über dem Café auf­tra­ten, in dem wir früh­stück­ten. Außer dem Musik­korps gab es noch einen präch­ti­gen, umfang­rei­chen Gene­ral­stab, und ich glaube, auch ein paar Mann­schaf­ten. Neben den regu­lä­ren Schild­wa­chen taten drei oder vier Mann in Husa­ren­uni­form am Palast Dienst. Ich habe sie aber nie zu Pferde gese­hen. Aber au fait[8] – was soll man auch im tiefs­ten Frie­den mit Kaval­le­rie? Und wohin, zum Teu­fel, soll­ten die Husa­ren auch reiten?

Jeder – jeder Adlige natür­lich, denn man kann doch wohl kaum von uns ver­lan­gen, daß wir von den Bür­ger­li­chen Notiz neh­men – machte Besu­che in der Nach­bar­schaft. Ihre Exzel­lenz, Frau von Wurst, emp­fing ein­mal wöchent­lich. Ihre Exzel­lenz, Frau von Schnurr­bart, hatte ihren Abend, das Thea­ter war zwei­mal in der Woche geöff­net, der Hof geruhte ein­mal zu emp­fan­gen, und so konnte das Leben dort wirk­lich eine unun­ter­bro­chene Kette von Ver­gnü­gun­gen in der beschei­de­nen Pum­per­ni­ckel­schen Weise sein. Es läßt sich aller­dings nicht leug­nen, daß es in der Stadt auch Feh­den gab. Die Poli­tik schlug hohe Wel­len, und die Par­teien kämpf­ten erbit­tert. Es gab die Strumpff­par­tei und die Leder­lung­par­tei, die eine unter­stützte unser Gesand­ter, die andere der fran­zö­si­sche Geschäfts­trä­ger Mon­sieur de Maca­bau. Madame Strumpff war zwei­fel­los die größte Sän­ge­rin der bei­den und kam um drei Töne höher als ihre Riva­lin Madame Leder­lung. Die Par­tei­nahme unse­res Gesand­ten für die Strumpff bewirkte jedoch, daß er bei jeg­li­cher Mei­nungs­äu­ße­rung sofort den Wider­spruch des fran­zö­si­schen Diplo­ma­ten erntete.

Jeder­mann in der Stadt gehörte der einen oder der ande­ren Par­tei an. Die Leder­lung war sicher­lich ein hüb­sches Geschöpf­chen, und ihre Stimme (das heißt, was sie davon besaß) war sehr süß. Zwei­fel­los war auch die Strumpff nicht mehr in ihrer ers­ten Jugend und Schön­heit und bestimmt etwas zu dick; wenn sie zum Bei­spiel in der letz­ten Szene der »Nacht­wand­le­rin«[9] im Nacht­hemd mit der Lampe in der Hand aus dem Fens­ter klet­tern und die Plan­ken des Mühl­bachs über­schrei­ten mußte, dann konnte sie sich kaum durch das Fens­ter zwän­gen, und die Plan­ken krach­ten und bogen sich unter ihrer Last. Aber wie sie das Finale der Oper schmet­terte und mit wel­chem Gefühls­aus­bruch sie sich in Elvi­nos Arme stürzte – fast erstickte sie ihn! Die kleine Leder­lung dage­gen – doch Schluß mit die­sen Klatsch­ge­schich­ten! Die Sache war die, daß diese bei­den Säge­rin­nen die jewei­lige Flagge der fran­zö­si­schen und der eng­li­schen Par­tei in Pum­per­ni­ckel waren, und die Gesell­schaft teilte sich in die Anhän­ger die­ser bei­den gro­ßen Nationen.

Wir hat­ten auf unse­rer Seite den Minis­ter des Innern, den Ober­stall­meis­ter, den Pri­vat­se­kre­tär des Her­zogs und den Hof­meis­ter des Prin­zen, wäh­rend zur fran­zö­si­schen Par­tei der Minis­ter des Aus­wär­ti­gen gehörte und die Gemah­lin des Gene­ral­feld­mar­schalls, der schon unter Napo­leon gedient hatte, und der Hof­mar­schall und seine Frau, die glück­lich war, die neu­es­ten Pari­ser Modelle zu erhal­ten. Sie bezog sie nebst ihren Hüten stets durch Mon­sieur de Maca­b­aus Kurier. Sein Kanz­lei­se­kre­tär war der kleine Grignac, ein jun­ger Bur­sche von sata­ni­scher Bos­heit, der in alle Alben der Stadt Kari­ka­tu­ren von Tape­worm zeichnete.

Ihr Haupt­quar­tier und ihre Table d’hôte befand sich im »Pari­ser Hof«, dem zwei­ten Gast­hof der Stadt, und obwohl natür­lich die Her­ren im öffent­li­chen Leben höf­lich zuein­an­der sein muß­ten, so hie­ben sie doch mit rasier­mes­ser­schar­fen Epi­gram­men auf­ein­an­der ein, etwa so, wie ich in Devonshire zwei Rin­ger gese­hen habe, die sich gegen­sei­tig die Schien­beine zer­schlu­gen und doch mit kei­ner Miene ihren Schmerz ver­rie­ten. Weder Tape­worm noch Maca­bau schick­ten je eine Depe­sche an ihre Regie­rung ohne eine wütende Atta­cke gegen den Riva­len. Auf eng­li­scher Seite hieß es dann etwa: »Die Inter­es­sen Groß­bri­tan­ni­ens an die­sem Ort und in ganz Deutsch­land sind gefähr­det, wenn der gegen­wär­tige fran­zö­si­sche Gesandte wei­ter im Amt bleibt. Die­ser Mensch besitzt einen schänd­li­chen Cha­rak­ter und scheut keine Lüge und kein Ver­bre­chen, um seine Ziele zu errei­chen. Er ver­gif­tet die Stim­mung des Hofes gegen den eng­li­schen Gesand­ten und stellt das Ver­hal­ten Groß­bri­tan­ni­ens im abscheu­lichs­ten und schänd­lichs­ten Licht dar. Unglück­li­cher­weise beschützt ihn ein Minis­ter, des­sen Unwis­sen­heit und Män­gel ebenso noto­risch sind, wie sein Ein­fluß ver­häng­nis­voll ist.« Auf fran­zö­si­scher Seite dage­gen hieß es: »Mon­sieur de Tape­worm fährt in sei­ner dum­men arro­gan­ten Insel­po­li­tik und in den gemei­nen Lügen gegen die größte Nation der Welt fort. Ges­tern soll er ver­ächt­lich von Ihrer König­li­chen Hoheit der Her­zo­gin von Berri gespro­chen haben. Bei frü­he­rer Gele­gen­heit belei­digte er den tap­fe­ren Her­zog von Angou­lême und wagte anzu­deu­ten, daß Seine König­li­che Hoheit der Her­zog von Orlé­ans sich gegen den erlauch­ten Thron der Fran­zö­si­schen Lilien ver­schwo­ren habe. Über­all dort, wo seine dum­men Dro­hun­gen keine Furcht erre­gen, ver­streut er sein Gold. Durch bei­des hat er gewisse Krea­tu­ren am hie­si­gen Hof gewon­nen. Mit einem Wort, in Pum­per­ni­ckel wird erst Ruhe herr­schen, Deutsch­land erst dann still, Frank­reich geach­tet und Europa zufrie­den sein, wenn diese gif­tige Viper zer­tre­ten ist« und so wei­ter. Hatte die eine oder die andere Seite eine beson­ders scharfe Depe­sche los­ge­las­sen, so konnte man sicher sein, daß die Ein­zel­hei­ten bald durchsickerten.

Ehe der Win­ter weit vor­ge­rückt war, wußte man doch tat­säch­lich zu berich­ten, daß Ame­lia einen Abend vor­sah, an dem sie in allem Anstand und in größ­ter Beschei­den­heit Gesell­schaft emp­fing. Sie hatte einen Fran­zö­sisch­leh­rer, der ihr wegen der Rein­heit ihres Akzents und ihrer leich­ten Auf­fas­sungs­gabe Kom­pli­mente machte. Sie hatte schon vor lan­ger Zeit ein­mal Fran­zö­sisch gelernt und sich spä­ter die Anfangs­gründe der Gram­ma­tik bei­gebracht, damit sie George darin unter­rich­ten konnte. Madame Strumpff gab ihr Gesangs­un­ter­richt, und sie sang so gut und sicher, daß die Fens­ter des Majors, der gegen­über unter dem Minis­ter­prä­si­den­ten wohnte, stets offen­stan­den, damit er dem Unter­richt lau­schen konnte. Einige deut­sche Damen – sie sind sehr sen­ti­men­tal und wenig anspruchs­voll im Geschmack – ver­lieb­ten sich sofort in sie und duz­ten sie. Dies sind unwich­tige Ein­zel­hei­ten, aber sie mel­den von glück­li­chen Zei­ten. Der Major machte sich zu Geor­ges Tutor und übte mit ihm Cäsar und Mathe­ma­tik. Sie hat­ten auch einen Deutsch­leh­rer, und abends rit­ten sie neben Emmys Kut­sche her. Sie selbst war zu ängst­lich zum Rei­ten und schrie jedes­mal ent­setzt auf, wenn sie zu Pferde saß und die geringste Unre­gel­mä­ßig­keit vor­kam. So fuhr sie im Wagen und nahm gewöhn­lich eine ihrer lie­ben deut­schen Freun­din­nen mit, wäh­rend Joseph auf dem Rück­sitz schlief.

Er ver­liebte sich in die Grä­fin Fanny von But­ter­brod, ein sanf­tes, zärt­li­ches, beschei­de­nes jun­ges Geschöpf. Sie war zwar Grä­fin und Stifts­dame, hatte aber ein Ver­mö­gen von kaum zehn Pfund pro Jahr. Fanny ihrer­seits erklärte, daß der Him­mel ihr keine grö­ßere Freude gewäh­ren könne, als Ame­lias Schwes­ter zu wer­den, und Joseph hätte eine Gra­fen­krone und ein gräf­li­ches Wap­pen neben sei­nes auf den Kut­schen­schlag und seine Gabeln set­zen kön­nen. Aber – aber andere Ereig­nisse tra­ten ein, als die gro­ßen Fest­lich­kei­ten anläß­lich der Ver­mäh­lung des Erb­prin­zen von Pum­per­ni­ckel mit der lieb­li­chen Prin­zes­sin Ama­lie von Hom­burg-Schlip­pen-schlop­pen ver­an­stal­tet wurden.

Bei die­ser Gele­gen­heit ent­wi­ckelte man eine Pracht, wie die kleine deut­sche Stadt sie seit den Tagen des ver­schwen­de­ri­schen Vik­tor XIV. nicht erblickt hatte. Alle benach­bar­ten Fürs­ten, Fürs­tin­nen und Gro­ßen wur­den zu dem Fest ein­ge­la­den. Der Bet­ten­preis in Pum­per­ni­ckel stieg ins Unge­heu­er­li­che, und die Armee war völ­lig über­for­dert, die Ehren­wa­chen all der Hohei­ten, Durch­lauch­ten und Exzel­len­zen zu stel­len, die aus allen Rich­tun­gen anka­men. Die Prin­zes­sin wurde in der Resi­denz ihres Vaters dem stell­ver­tre­ten­den Gra­fen von Schlüs­sel­back ange­traut. Es wur­den Hau­fen Schnupf­ta­bak­do­sen ver­schenkt (wie wir vom Hof­ju­we­lier erfuh­ren, der sie ver­kaufte und spä­ter wie­der kaufte), und der Pum­per­ni­ckel­sche Sankt-Micha­els-Orden wurde schef­fel­weise an den Hof­adel ver­teilt, wäh­rend Körbe voll Bän­der und Sterne des Sankt-Katha­ri­nen­rad-Ordens von Schlip­pen-schlop­pen an unse­ren Hof kamen. Der fran­zö­si­sche Gesandte erhielt beide. »Er ist mit Bän­dern bedeckt wie ein Pfingst­ochse«, sagte Tape­worm, dem seine Dienst­vor­schrif­ten nicht gestat­te­ten, Aus­zeich­nun­gen anzu­neh­men. »Mei­net­we­gen soll er die Orden haben, auf wes­sen Seite ist der Sieg?« Tat­säch­lich war es ein Tri­umph der bri­ti­schen Diplo­ma­tie, denn die fran­zö­si­sche Par­tei hatte mit allen Mit­teln ver­sucht, die Hei­rat mit einer Prin­zes­sin des Hau­ses Potztau­send-Don­ner­wet­ter durch­zu­set­zen, woge­gen wir natür­lich opponierten.

Alles war zu den Hoch­zeits­fei­er­lich­kei­ten gela­den. Man hatte Gir­lan­den und Tri­umph­bo­gen über die Straße gespannt, um die junge Braut zu begrü­ßen. Der große Sankt-Micha­els-Brun­nen spie Wein, der aller­dings unge­wöhn­lich sauer war, wäh­rend der auf dem Artil­le­rie­platz von Bier schäumte. Die gro­ßen Was­ser­künste spiel­ten, und im Park und in den Gär­ten hatte man Klet­ter­stan­gen für das glück­li­che Land­volk errich­tet, von denen sie nach Belie­ben Uhren, sil­berne Gabeln und Preis­würste an roten Bän­dern her­ab­ho­len konn­ten. Georgy erklomm zum Jubel der Zuschauer eine Stange, erwischte eine Wurst, riß sie ab und glitt mit der Schnel­lig­keit eines Was­ser­falls wie­der herab. Er hatte es aber nur um des Ruh­mes wil­len getan. Der Knabe gab die Wurst einem Bau­ern­bur­schen, der sie bei­nahe bekom­men hätte und jetzt heu­lend am Fuße der Stange stand, weil er kei­nen Erfolg gehabt hatte.

In der fran­zö­si­schen Gesandt­schaft hat­ten sie sechs Lam­pi­ons mehr zur Illu­mi­na­tion als wir, aber unser Trans­pa­rent, auf dem dar­ge­stellt war, wie das junge Paar ankam und die Zwie­tracht flüch­tete (deren Gesicht eine drol­lige Ähn­lich­keit mit dem fran­zö­si­schen Gesand­ten besaß), lief dem fran­zö­si­schen Bild den Rang ab und ver­schaffte Tape­worm zwei­fel­los die Beför­de­rung und den Bath-Orden, die ihm danach zuteil wurden.

Es kamen eine Menge Fremde zu den Fei­er­lich­kei­ten und natür­lich auch Eng­län­der. Außer den Hof­bäl­len wur­den auch noch öffent­li­che Bälle im Rat­haus und in der Redoute gege­ben. Im Rat­haus hatte man für die Zeit der Fest­wo­che einer der gro­ßen deut­schen Gesell­schaf­ten von Ems oder Aachen Erlaub­nis gege­ben, ein Zim­mer für Trente-et-qua­rante und Rou­lette ein­zu­rich­ten. Den Beam­ten und Bewoh­nern der Stadt waren diese Spiele ver­bo­ten, aber Fremde, Bau­ern, Damen und auch sonst alle, die Geld ver­lie­ren oder gewin­nen woll­ten, waren zugelassen.

Unter den vie­len kam auch der kleine Tau­ge­nichts Georgy Osborne zum Ball ins Stadt­haus. Seine Ver­wand­ten waren zum gro­ßen Hof­fest gegan­gen, und er befand sich in Beglei­tung von sei­nes Onkels Die­ner, Herrn Kirsch. George hatte ja stets die Taschen voll Taler. Er hatte frü­her ein­mal in einen Spiel­saal geblickt – in Baden-Baden; er war damals an der Hand Dob­bins und hatte natür­lich nicht spie­len dür­fen. Des­halb drängte er sich eif­rig zu die­sem Teil der Unter­hal­tung und lun­gerte an den Tischen umher, wo Crou­piers und Poin­teurs bei der Arbeit waren. Auch Frauen spiel­ten. Einige von ihnen waren mas­kiert; die Aus­schwei­fung war ihnen in die­ser wil­den Kar­ne­vals­zeit gestattet.

Eine Frau mit hel­lem Haar und tief aus­ge­schnit­te­nem kei­nes­wegs neuem Kleid, mit einer schwar­zen Maske, durch deren Augen­schlitze ihr Blick selt­sam fun­kelte, saß mit einer Karte und einer Nadel und ein paar Gul­den vor sich an einem Rou­let­te­tisch. Wenn der Crou­pier Farbe und Zahl aus­rief, stach sie regel­mä­ßig sorg­fäl­tig ein Loch in die Karte und setzte nur dann, wenn Rot oder Schwarz ein paar­mal her­aus­ge­kom­men waren. Sie bot einen merk­wür­di­gen Anblick.

Trotz aller Sorg­falt und Mühe mut­maßte sie jedoch falsch, und die letz­ten bei­den Gul­den folg­ten ein­an­der unter dem Rechen des Crou­piers, als er mit uner­bitt­li­cher Stimme Farbe und Zahl aus­rief. Sie seufzte, zuckte die Schul­tern, die bereits etwas zu weit aus dem Kleid her­vor­blick­ten, stieß die Nadel durch die Karte in den Tisch und trom­melte eine Weile dar­auf herum. Dann sah sie sich um und erblickte Geor­ges ehr­li­ches Gesicht, das auf die Szene starrte. Der kleine Ben­gel! Was hatte er hier zu suchen?

Sie sah den Kna­ben unter der Maske her­vor mit fun­keln­den Augen durch­drin­gend an und fragte:

»Mon­sieur n’est pas jou­eur?«[10]

»Non, Madame«[11], ent­geg­nete der Knabe. Aus sei­nem Ton­fall mußte sie erkannt haben, wo er her­kam, denn sie fuhr mit leich­tem Akzent auf eng­lisch fort:

»Sie haben wohl noch nie gespielt – wol­len Sie mir einen klei­nen Gefal­len tun?«

»Wel­chen bitte?« fragte Georgy und wurde erneut rot. Herr Kirsch war beim Rouge et noir beschäf­tigt und sah sei­nen jun­gen Herrn nicht.

»Spie­len Sie dies für mich, bitte – set­zen Sie es auf irgend­eine Num­mer, auf irgendeine.«

Wäh­rend die­ser Worte zog sie aus ihrem Busen eine Börse und ent­nahm ihr ein Gold­stück – die ein­zige Münze darin. Sie drückte sie George in die Hand, und der Knabe tat lachend, was ihm auf­ge­tra­gen war.

Die Zahl kam natür­lich her­aus. Es heißt ja, daß es eine Macht gibt, die das für Anfän­ger so einrichtet.

»Ich danke Ihnen«, sagte sie und zog das Geld zu sich heran. »Ich danke Ihnen. Wie hei­ßen Sie?«

»Osborne«, sagte Georgy. Dabei wühlte er in sei­nen Taschen nach Talern und wollte eben einen Ver­such machen, als der Major in Uni­form und Joseph in der Auf­ma­chung eines Mar­quis vom Hof­ball kamen. Andere Leute, die die­sen Ball lang­wei­lig gefun­den und den Spaß im Stadt­haus vor­ge­zo­gen hat­ten, hat­ten den Palast schon eher ver­las­sen; aber viel­leicht waren der Major und Joseph auch schon zu Hause gewe­sen und hat­ten die Abwe­sen­heit des Kna­ben bemerkt, denn Dob­bin ging unver­züg­lich auf ihn zu, ergriff ihn bei der Schul­ter und zog ihn ener­gisch weg von der Stätte der Ver­su­chung. Dann sah er sich im Raum um und erblickte Kirsch bei der bereits erwähn­ten Beschäf­ti­gung. Er ging zu ihm und fragte ihn, wie er es wagen könne, Mr. George an so einen Ort zu führen?

»Lais­sez-moi tran­quille«, sagte Herr Kirsch, sehr erregt von Spiel und Wein. »Il faut s’a­mu­ser, parb­leu. Je ne suis pas au ser­vice de Mon­sieur.«[12]

Da der Major den Zustand des Man­nes erkannte, wollte er sich nicht wei­ter mit ihm ein­las­sen, und er begnügte sich damit, George weg­zu­zie­hen und Joseph zu fra­gen, ob er mit­komme. Die­ser stand dicht bei der mas­kier­ten Dame, die jetzt mit eini­gem Glück spielte, und sah inter­es­siert zu.

»Willst du nicht lie­ber mit George und mir mit­kom­men, Joseph?« fragte der Major.

»Ich werde noch etwas blei­ben und mit dem Halun­ken Kirsch nach Hause gehen«, ant­wor­tete Joseph, und aus den­sel­ben Grün­den der Zurück­hal­tung, die er glaubte vor dem Jun­gen haben zu müs­sen, wollte Dob­bin Joseph keine Vor­stel­lun­gen machen. Er ver­ließ ihn also und ging mit Georgy heim.

»Hast du gespielt«, fragte der Major drau­ßen, als sie auf dem Heim­weg waren.

»Nein«, ant­wor­tete der Knabe.

»Gib mir dein Ehren­wort als Gen­tle­man, daß du es nie tun wirst.«

»Warum?« fragte der Junge. »Es scheint doch Spaß zu machen.« Nun erklärte ihm der Major bered­sam und ein­dring­lich, warum er es nicht sollte, und er hätte ganz gern seine Leh­ren durch das Bei­spiel von Geor­gys eige­nem Vater bekräf­tigt, aber er wollte nichts sagen, was das Andenken des ande­ren hätte ver­dun­keln kön­nen. Nach­dem er ihn heim­ge­bracht hatte, ging er ins Bett, und bald dar­auf sah er Geor­gys Licht in dem klei­nen Zim­mer neben Ame­lias ver­lö­schen. Eine halbe Stunde spä­ter folgte Emmys Licht. Ich weiß nicht, wes­halb es der Major so genau bemerkte.

Joseph war am Spiel­tisch zurück­ge­blie­ben; er war zwar kein Spie­ler, aber der klei­nen Auf­re­gung die­ses Ver­gnü­gens von Zeit zu Zeit nicht abge­neigt, und in den gestick­ten Taschen sei­ner Hof­weste klim­per­ten ein paar Napo­le­ons. Er setzte einen über die schöne Schul­ter der klei­nen Spie­le­rin vor ihm hin­weg, und sie gewan­nen. Sie rückte ein wenig, um ihm an ihrer Seite Platz zu machen, und nahm den Saum ihres Klei­des von einem lee­ren Stuhl herunter.

»Kom­men Sie und brin­gen Sie mir Glück«, sagte sie, wie­der mit aus­län­di­schem Akzent, ganz anders als das reine eng­li­sche »Dan­ke­schön«, mit dem sie Geor­ges Coup für sie begrüßt hatte. Der dicke Herr sah sich um, ob ihn auch nie­mand von Rang beob­ach­tete, setzte sich nie­der und mur­melte: »Ach, wirk­lich, nun ja, Gott behüte mich. Ich habe immer Glück. Ich werde Ihnen sicher auch Glück brin­gen« – und andere schmei­chel­hafte und ver­wirrte Aussprüche.

»Spie­len Sie oft?« fragte die fremde Maske.

»Mal ein paar Napo­le­ons«, erwi­derte Joseph mit über­le­ge­ner Miene und warf ein Gold­stück hin.

»Sie spie­len nicht, um zu gewin­nen«, meinte die Maske mit ihrem hüb­schen fran­zö­si­schen Akzent. »Ich auch nicht. Ich spiele, um zu ver­ges­sen, aber ich kann es nicht. Ich kann die alten Zei­ten nicht ver­ges­sen, Mon­sieur. Ihr klei­ner Neffe ist das Eben­bild sei­nes Vaters, und Sie – Sie haben sich nicht ver­än­dert – ja, doch, auch Sie sind anders gewor­den. Alle ver­än­dern sich, alle ver­ges­sen, kei­ner hat ein Herz.«

»Guter Gott, wer sind Sie nur?« fragte Joseph verwirrt.

»Kön­nen Sie es nicht erra­ten, Joseph Sed­ley?« sprach die kleine Frau mit trau­ri­ger Stimme, nahm ihre Maske ab und blickte ihn an. »Sie haben mich vergessen.«

»Güti­ger Him­mel! Mrs. Craw­ley!« stieß Joseph hervor.

»Rebekka!« sagte die andere und legte ihre Hand auf seine; aber obwohl sie ihn ansah, ver­folgte sie doch auf­merk­sam das Spiel.

»Ich wohne im ›Ele­fan­ten‹«, fuhr sie fort. »Fra­gen Sie nach Madame von Raudon. Ich habe heute meine liebe Ame­lia gese­hen. Wie hübsch sie aus­sieht und wie glück­lich, und Sie auch! Alle, nur ich nicht, ich bin elend und unglück­lich, Joseph Sed­ley!« Und wäh­rend sie sich mit einem zer­ris­se­nen Spit­zen­tü­chel­chen über die Augen fuhr, schob sie wie zufäl­lig mit einer Arm­be­we­gung ihr Geld von Rot auf Schwarz. Rot kam von neuem her­aus, und sie ver­lor ihren gan­zen Einsatz.

»Kom­men Sie«, sagte sie, »kom­men Sie ein wenig mit mir hin­aus; wir sind doch alte Freunde, nicht wahr, lie­ber Mr. Sedley?«

Herr Kirsch, der inzwi­schen seine ganze Bar­schaft ver­lo­ren hatte, folgte sei­nem Herrn hin­aus in den Mond­schein; die Illu­mi­na­tion ver­löschte lang­sam, und das Trans­pa­rent über der eng­li­schen Gesandt­schaft war kaum noch zu erkennen.

 

[1] Wil­hel­mine Schrö­der-Devri­ent (1804–1860), deut­sche Opernsängerin.

[2] Johann Sobie­ski (1624–1696), pol­ni­scher Feld­herr, als Johann III. König von Polen von 1674 bis 1696; befreite 1683 im Kampf gegen die Tür­ken das bela­gerte Wien.

[3] in der grie­chi­schen Mytho­lo­gie ein Unter­welts­gott, der in einer Höhle Ora­kel verkündete.

[4] in der grie­chi­schen Mytho­lo­gie Meerdämonen.

[5] (franz.) die kleine Marketenderin.

[6] Nach der grie­chi­schen Sage ver­liebte sich Ari­adne, die Toch­ter des Kre­ter­kö­nigs Minos, in The­seus. Mit ihrer Hilfe drang er in das Laby­rinth ein und befreite die Athe­ner von dem Unge­heuer Mino­tau­rus. Ari­adne ver­ließ Kreta mit The­seus, wurde aber von ihm auf Naxos schla­fend zurück­ge­las­sen. Bac­chus, der Gott der Frucht­bar­keit und des Wei­nes, fand die Ver­zwei­felte und ver­mählte sich mit ihr.

[7] Blech­blas­in­stru­mente aus dem 18. Jahrhundert.

[8] (franz.) im Grunde genommen.

[9] Oper des ita­lie­ni­schen Kom­po­nis­ten Vin­cenzo Bel­lini (1801–1835).

[10] (franz.) Mon­sieur spie­len nicht?

[11] (franz.) Nein, Madame.

[12] (franz.) Las­sen Sie mich in Ruhe … Zum Teu­fel, man muß sich amü­sie­ren. Ich bin nicht Ihr Die­ner, Monsieur.

 Weimar – Ein literarischer Spaziergang zur Goethezeit:

  1. Charlotte Krackow – »Herzogin Anna Amalia«
  2. Jakob Friedrich von Fritsch – »An Herzog Carl August«
  3. Herzog Carl August – »An Jakob Friedrich von Fritsch«
  4. Carl Wilhelm Heinrich Freiherr von Lyncker – »Schlittschuhfahren«
  5. Friedrich Schiller – »An den Herzog Carl August«
  6. Johanna Schopenhauer – »Brief an ihren Sohn Arthur«
  7. Eduard Genast – »Goethe auf der Probe«
  8. Johannes Daniel Falk – »Karfreitag 1821«
  9. John Russell – »Weimar«
  10. Carl Heinrich Ritter von Lang – »Bei Goethe«
  11. Julius Schwabe – »Schillers Schädel«
  12. Willibald Alexis – »Bei Goethe«
  13. Hector Berlioz – »An Liszt«
  14. William Makepeace Thackeray – »In Pumpernickel«
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