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Patrick Siebert
Detlef Ignasiak: Das literarische Thüringen, Bucha 2018.
Die kreisfreie Stadt Eisenach, mit ihren 42.000 Einwohnern, ist eine Stadt mit vielen Namen: Wartburgstadt, Bachstadt, Lutherstadt. Das deutet auf die, für eine Ortschaft dieser Größenordnung, ungewöhnlich reiche kulturelle Tradition hin. Bereits im 8. Jahrhundert gegründet, war die Stadt mit der Wartburg nicht nur Residenz der ersten Thüringer Landgrafen der Ludowinger, sondern auch der Wettiner, die 1247 das Landgrafenamt übernahmen. Vor allem mit den Ludowingern Hermann I., während dessen Regentschaft (1190–1217) der Eisenacher Hof eine literarische Blüte erlebte, von der der legendäre Sängerkrieg auf der Wartburg beredtes Zeugnis ablegt, und Ludwig IV., genannt der Heilige, dessen Frau als Elisabeth von Thüringen 1235 heiliggesprochen wurde, verbindet sich vor einer eher ruhigen Phase IM 14. und 15. Jahrhundert ein erster Höhepunkt in der historischen Bedeutung der Stadt.
Einen solchen erreichte sie erst 1521/22 wieder, als auf der Wartburg ein gewisser »Junker Jörg« seine Übertragung des Neuen Testamentes in die deutsche Sprache ins Werk setzte und damit einen wichtigen Bestandteil der Reformation schuf. Eine wichtige städtebauliche Phase leitete der Stadtbaumeister Hanns Leonhardt ein, von dessen repräsentativen Bürgerhäusern von allem das Rathaus der Stadt und das Lutherhaus bis heute ihre Wirkung entfalten. 1685 erblickte Johann Sebastian Bach hier das Licht der Welt, der bekannteste Komponist mit Verbindung zu Eisenach, neben dem auch Johann Pachelbel und Georg Phillip Telemann hier wirkten.
Bis heute steht, als Zeugnis einer neuen Blüte der Stadt, das zwischen 1742 und 1751 errichtete Stadtschloss am Marktplatz. In dieser Zeit wandelte sich die Residenz zur Kulturstadt. Namentlich im Zirkel der Julie von Bechtolsheim trafen sich Größen der Zeit wie Wieland, Goethe, Madame de Staël oder Friedrich de la Motte Fouqué.
Am 18. Oktober 1817 trafen sich unter dem Wahlspruch »Ehre, Freiheit, Vaterland« 500 Studenten aus ganz Deutschland, um 300 Jahren Reformation und des Endes der Völkerschlacht zu gedenken, welches sich an diesem Tag zum vierten Mal jährte. Nachhaltig in Erinnerung blieb, daß hier neben monarchistischen Symbolen auch Bücher verbrannt wurden. Zu den »verbrannten Autoren« gehörten August von Kotzebue und Saul Ascher. Dieses Treffen wurde ein Fanal für die junge Nationalbewegung. Die Forderungen nach einem freien und einheitlichen Deutschland waren von da an nicht mehr zu überhören.
Auch die Wiederherstellung der Wartburg 1841 war vom Geist des Nationalgefühls getragen. Als öffentlicher Gedenkort kultureller Natur konzipiert, sollten Literatur und Musik von Beginn an auf der Burg eine Rolle spielen. Ein Ergebnis dieser Bemühungen ist die Wartburg-Bibliothek, deren erster Bibliothekar der Schriftsteller Richard Voß wurde.
Ein Ort von literarischer Bedeutung ist die Reutervilla, in der Fritz Reuter von 1866 bis zu seinem Tod 1874 lebte. Hier empfing er Besuch von Dichtern wie Heinrich Hoffmann von Fallersleben und Friedrich Rückert.
1869 wurde die Stadt wiederum Schauplatz eines politischen Ereignisses von beträchtlicher Tragweite: Im Gasthaus »Goldener Löwe« gründeten August Bebel und Wilhelm Liebknecht die Sozialdemokratische Arbeiterpartei, Keimzelle der SPD. Bis zur Jahrhundertwende erlebte die Stadt einen raschen wirtschaftlichen Aufschwung. Die Industrialisierung brachte eine moderne Infrastruktur wie ein Wasserwerk (1874), ein Elektrizitätswerk (1892) und die heute nicht mehr im Betrieb befindliche Straßenbahn (1896) mit sich. Eisenach wurde Tagungs- und Kongressstadt.
Bis in das 20. Jahrhundert wurde die Stadt von literarischen Größen besucht. Zu ihnen gehörten Lew Nikolajewitsch Tolstoi (1861), Theodor Fontane (1873) und Gerhart Hauptmann (1928). Unrühmliche Berühmtheit fand der 1935 auf der Wartburg abgehaltene »Deutsche Dichtertag« unter nationalsozialistischer Ägide. Nur wenige Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus fanden zwei von Otto Riedel organisierte gesamtdeutsche Schriftstellertagungen auf der Burg statt.
Abb. 1: Foto Sylvia Weigelt, Abb. 2: Foto Jens-Fietje Dwars, Abb. 3: Ansichtskarte, um 1910.
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