Entweder irrt sich der Autor hier im Datum oder bei seiner Altersangabe. 1923 war er 13 Jahre alt. Die beiden ausführlich zitierten Erzählungen sind die einzigen literarischen Zeugnisse, die Auskunft über Samuel Glesels Leben in Gotha geben.
Seine Erfahrungen der Hungerjahre und sein erstes »Berliner Abenteuer«, während dem der Minderjährige durch die Gefängnisse Berlins geschickt wurde, legten eine Lebensspur. Sie formten ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden und ließen ihn vorzeiten erwachsen werden. Als die Familie nach Berlin zog, hatte ihr Sohn Samuel seine Kindheit bereits abgestreift und war auf der Suche danach, dem Unwürdigen seines bisherigen Lebens etwas entgegenzusetzen.
Er wurde Mitglied im »Kommunistischen Jugendverband Deutschlands«. Bereits 1927, mit 17 Jahren, hatte den politisch engagierten jungen Mann die 1925/1926 von der KPD im Zentrum Berlins gegründete Marxistische Arbeiterschule »MASCH« als Gastdozent eingeladen. Zu den Dozenten der »Hochschule der Werktätigen« gehörten Bruno Taut, Walter Gropius, Erwin Piscator, Helene Weigel, John Heartfield. Hier begegnete er den Schriftstellern Egon Erwin Kisch, Erich Weinert, Ludwig Renn, Anna Seghers, Friedrich Wolf. Vielleicht lernte er hier die gleichaltrige Schriftstellerin Elfriede Brüning kennen, vielleicht erst 1931 beim »Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller« oder in einem der Redaktionsräume der Münzenberg-Presse, für die die beiden angehenden Schriftstellerkollegen Texte lieferten.1930 versuchte er ein halbes Jahr lang, jedoch ohne Erfolg, in Frankreich Arbeit zu finden.
Er kehrte nach Deutschland zurück und begann unter dem Pseudonym »Gles« für die »Rote Fahne«, die »Welt am Abend« und die »Arbeiterstimme« zu schreiben. Seine politische und journalistische Tätigkeit in Berlin führten ihn rasch in die Reihen der KPD. Daneben wurde er Mitglied im »Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller«, 1931 zum Leiter der Ortsgruppe Berlin.
In ihren Erinnerungen, die im Frühjahr 1989 entstanden, schreibt Elfriede Brüning:
Gles stellte, wie alle Anfänger, hohe Ansprüche an die Literatur, aber auch an sich selbst. Lotte wollte Architektur studieren, Martin die Physik. Alle vier waren wir Mitglieder der KPD, demonstrierten Schulter an Schulter mit den Arbeitern ›Für Freiheit und Brot!‹ und ›Für die Freilassung der politischen Gefangenen!‹, hofften auf die Revolution. Die Atmosphäre gegen Ende der Weimarer Republik war explosionsgeladen. Sieben Millionen Arbeitslose zählte das Land, und die Unterstützung der Ärmsten der Armen wurde immer weiter gekürzt. Der Notverordnungs-Kanzler Brüning trat zurück und wurde von Franz von Papen abgelöst, dieser später von General Schleicher.
In der Ortsgruppe der KPD lernte Glesel die neun Jahre ältere arbeitslose Lehrerin Elisabeth Wellnitz kennen. Als die ledige Elisabeth Wellnitz von Samuel Glesel schwanger wurde, schwanden ihre Hoffnungen auf eine Anstellung als Lehrerin zusehends. Daher überlegte sie nicht lang, als sie das Angebot erhielt, in der Sowjetunion als Deutschlehrerin zu arbeiten.
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