Am Sonnabend, dem 4. September 1937, wurde Glesel vom NKWD verhaftet. Allerding erfolgte die Verhaftung nicht aufgrund seines Ausschlusses aus dem Schriftstellerverband, sondern aufgrund eines Beschlusses des NKWD, anlässlich des 20. Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution eine Reihe von Volksfeinden zu liquidieren.
Dennoch konnte eine Verhaftung durch den NKWD nicht ohne Vorwand erfolgen. So warf man ihm vor, Mitglied einer terroristischen Spionage- und Diversionsorganisation deutscher Emigranten zu sein. In den Verhören schlugen die Politkommissare routiniert den breiten Fächer der Anschuldigungen auf, die von konterrevolutionärer Tätigkeit bis zum faschistischem Terror im Auftrag der Gestapo reichten.
Acht Wochen nach seiner Verhaftung, am 29. Oktober 1937, wurde Samuel Glesel nach § 58/10 und 11 des Strafgesetzbuchs der RSFSR wegen »Propaganda oder Agitation, die zu Sturz, Unterhöhlung oder Schwächung der Sowjetherrschaft oder zur Begehung einzelner gegenrevolutionärer Verbrechen« zur ›Höchststrafe‹ verurteilt. Nur wenige Tage später, am 5. November, wurde er in Leningrad erschossen. Allein an diesem Tag wurden neben ihm weitere 99 Personen hingerichtet und auf einem Ödland bei Lewaschowo verscharrt, wo während der »großen Säuberung« Tausende exekutiert wurden. Müßig sich vorzustellen, welches Schicksal Samuel Glesel erwartet hätte, wäre er nicht Opfer einer Massenverhaftung und –erschießung geworden. Seine Frau, die wie ihr Mann verhaftet wurde, aber bereits am 23. November 1937 wieder freigelassen wurde, ließ der NKWD in perfider Manier über den Tod und den Todeszeitpunkt ihres Mannes im Unklaren.
In ihrem Tagebuch schreibt Elisabeth Wellnitz:
Seltsamerweise ließ man mich nach kurzer Zeit wieder frei, was damals wirklich ein Wunder war, und ich konnte meinen Jungen wieder zu mir nehmen. Allerdings durften wir nicht in unsere frühere Wohnung zurück, aus der inzwischen alle Möbel entfernt worden waren. Wir bekamen ein kleineres Zimmer. Auch erlaubte man mir nicht, meine frühere Lehrtätigkeit an der Hochschule wieder aufzunehmen; ich wurde nur als Schreibhilfe eingesetzt. Von Sally hatte ich die ganze Zeit über nichts gehört. Ich erfuhr auch nicht, in welches Straflager er gekommen war. Wir haben uns nie wiedergesehen.
Erst im Jahr 1958 rehablilitierte man Samuel Glesel postum. 1997 wurde an der Stelle, wo Samuel Glesel und die zahllosen Opfer der »Deutschen Operation« verscharrt wurden, ein Gedenkfriedhof für die Opfer politischer Repression errichtet. Eine Gedenktafel erinnert auch an Samuel Glesel. Im Juni 2015 errichteten seine Angehörigen auf dem Gelände einen Gedenkstein für ihn.
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