1933 erschien in der in Charkow erscheinenden deutschsprachigen Zeitschrift »Der Sturmschritt« sein Drama »Verboten. Ein Maischauspiel in drei Akten« über den blutigen 1. Mai 1929 in Berlin, ohne das jemand daran Anstoß nahm. Erwähnenswert ist ein Sammelband, der 1933 in der Verlagsgenossenschaft Ausländischer Arbeiter in der UdSSR – Moskau-Leningrad unter dem Titel »Mord im Lager Hohnstein. Berichte aus dem Dritten Reich« erschien, zu dem Johannes R. Becher das Vorwort schrieb. Samuel Glesel ist darin mit der Erzählung »Gehetzt!« vertreten. Bemerkenswert am Vorwort von Becher ist seine Einordnung der proletarischen Literatur, in der er den Autoren des Bandes eine herausragende Stellung innerhalb der proletarischen Literatur attestiert:
»Trotz unerhörtem Terror, trotz Mord, Verbrennung und Konfiszierung, ist es den Faschisten nicht gelungen die proletarisch-revolutionäre Literatur auszurotten. Im Gegenteil sie wächst und erstarkt und bekommt neuen Zuwuchs, besonders aus den Reihen des Proletariats.
Außer der sogenannten Kleinliteratur, hat die revolutionäre proletarische Literatur bedeutende Werke aufzuweisen, die in künstlerischer Darstellung Leben und Kampf der deutschen Arbeiter und des Komsomol schildern. Teile aus diesen Werken sind im vorliegenden Sammelwerk gegeben.«
Johannes R. Becher schrieb am 29. Mai 1933 aus Moskau eine Stellungnahme zu Samuel Glesel, der er es verdankte, daß er für die »Deutsche Zentral-Zeitung« und die »Rote Zeitung« in Leningrad arbeiten durfte.
Anfang Juli 1935 erschien im Deutschen Staatsverlag Engels Glesels Erzählungs- und Reportagenband »Deutschland erwacht« in einer Auflage von 5.000 Exemplaren. Im gleichen Jahr veröffentlichete der Verlag der nationalen Minderheiten der UdSSR – Kiew-Charkow Glesels Buch »Deutschland gestern und heute« und sein bereits publiziertes Drama »Verboten«. Im Herbst 1935 nahm Samuel Glesel die sowjetische Staatsbürgerschaft an. Es läßt sich nur vermuten, daß das Erscheinen von drei Büchern eines bislang weitgehend unbekannten Schriftstellers das Interesse auf Samuel Glesel lenkte.
Am 26. November 1935 erschien eine negative Besprechung von Otto Bork zu Glesels Buch »Deutschland erwacht«. Darin heißt es:
Wenn der Sowjetleser im Jahre 1935 unter diesem Titel ein Buch auf dem Ladentisch findet, so wird er sofort danach greifen, da sich unsere deutschen Schriftsteller leider zumeist ungewöhnlich viel Zeit lassen, um über das heutige Deutschland zu unterrichten. Er erwartet natürlich vom Verfasser S. Gles und von dem Staatsverlag in Engels, die das Buch anbieten, ein Bild eben davon, wie die 1933 noch von Hitler berauschten Kleinbürger und bäuerlichen Deutschen im Jahre 1934 — oder doch wenigstens 1935 — aufzubegehren beginnen; wie sich zwischen den kommunistischen, sozialdemokratischen und katholischen Arbeitern die Einheitsfront anbahnt. Wie sich der Zersetzungsprozess in der SA entwickelt hat (Juni 1934) und wie sich die Schwierigkeiten und Gegensätze in der herrschenden Klasse auswirken. Wenn der Leser im vergangenen Jahr außerdem noch die Reden auf dem Schriftstellerkongress studiert hat, so erwartet er wahrscheinlich sogar auch, dass das alles in einer anständigen, sauberen deutschen Sprache geschrieben und nach den Gesetzen des sozialistischen Realismus gestaltet ist.
Lieber Leser, ich sehe, wie Du das Buch durchblätterst und dann enttäuscht beiseite legst, denn wir haben nichts von alledem gefunden. Du fandest eine zufällig zusammengestoppelte Sammlung von – sagen wir mal – Berichten aus zufälligem Milieu. Einige aus der Zeit der Weimarischen Republik, einige aus der Zeit kurz nach Hitlers Machtübernahme. Vom »Erwachen Deutschlands«, so wie es sich wirklich vollzieht, lebendig und in seinen Widersprüchen, Erschütterungen und Kämpfen, erfährst Du nichts. Und das, was Du überhaupt erfährst, ist entweder lebensunechte Agitka, ist nicht gestaltet und sogar unrichtig geschildert. Und dazu in einer Sprache geschrieben, die den ganzen Hochmut des Verfassers seinen Lesern gegenüber kennzeichnet …«
Hinter dem Pseudonym Otto Bork verbarg sich der 1898 geborene Buchhändler Otto Unger, der 1912 Mitglied der KPD wurde und 1934 in die Sowjetunion emigrierte. 1937 wurde er verhaftet und im Zuge der »Deutschen Aktion« im März 1938 zum Tode verurteilt und erschossen.
Otto Ungers Kritik folgte eine vernichtende Kritik von Erich Weinert über Glesels Drama »Verboten«, die am 24. Mai 1936 in der »Deutschen Zentral-Zeitung« unter dem Titel »Ein Schandfleck der deutschen Literatur« erschien. Darin bescheinigt er Glesel, daß er mit seinem nichtssagenden Drama der »revolutionären Sache« erheblichen Schaden zufügt:
Überall, wo er diesen mächtigen Stoff anfaßt, entstaltet er ihn im dürftigen Raum seiner Phantasielosigkeit. Die revolutionären Arbeiter reden trockene Losungen, anstatt wie Menschen zu sprechen, oder aber er entstellt sie zu beinahe lumpenproletarischen Radaubrüdern.«
Weinerts wesentliche Kritik richtete sich dagegen, daß Glesels Helden keine Abziehbilder proletarischer Musterhelden sind, sondern daß die Figuren mit »Herz und Schnauze« sprechen und daß sie nicht auf Parteilinie argumentieren. Gleichzeitig warf Weinert ihm vor, daß seine Helden nicht aus dem Leben gegriffen seien.
›Literaturland Thüringen‹ ist eine gemeinsame Initiative von
Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen · Thüringer Literaturrat e. V. · MDR-Figaro · MDR Thüringen – Das Radio
Gestaltung und Umsetzung XPDT : Marken & Kommunikation © 2011-2025 [XPDT.DE]
© Thüringer Literaturrat e.V. [http://www.thueringer-literaturrat.de]
URL dieser Seite: [https://www.literaturland-thueringen.de/artikel/samuel-glesel-von-gotha-in-die-welt/samuel-glesels-buecher-erscheinen/]