1910 Chrzanów, Polen
1937 Leningrad
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Samuel Glesel – Von Gotha in die Welt
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Samuel Glesel im Autorenlexikon
Jens Kirsten
Thüringer Literaturrat e.V. / Privatarchiv der Familie Glesel.
Der 1910 in Chrzanów, Polen, als Sohn eines jüdischen Hausierers und Gelegenheitsarbeiters geborene Samuel Glesel siedelte mit seiner Familie nach Deutschland über, wo er von 1912 bis 1924 in Gotha lebte. 1924 ging er mit seiner Familie nach Berlin. Glesel wurde Mitglied des KVJD. Etwa 1925 wurde er Mitglied des von Hans Litten und Max Fürst geleiteten »Schwarzen Haufens«, einer linken jüdischen Jugend- und Wandergruppe. 1930 ging er auf Arbeitssuche nach Frankreich. Von dort aus arbeitete er journalistisch für die »Rote Fahne«, die »Welt am Morgen« und die »Welt am Abend«. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland arbeitete er weiter für die »Rote Fahne«, die »Welt am Abend« und die »Arbeiterstimme«. Glesel wurde Mitglied der KPD und des Bundes proletarisch revolutionärer Schriftsteller, wo er die Schriftstellerin Elfriede Brünings kennenlernte. 1931 wurde er organisatorischer Leiter der Ortsgruppe Berlin. Später arbeitete er als Gastdozent an der 1927 von der KPD gegründeten Marxistischen Arbeiterschule (MASCH) in Berlin.
Elisabeth Wellnitz mit der ihn eine Lebensgemeinschaft verband, ging 1931 in die UdSSR nach Engels, um dort Lehrerin für Deutsche Sprache an der deutschen pädagogischen Hochschule zu arbeiten. 1932 wurde ihre gemeinsame Tochter Else geboren. Glesel folgte ihr 1932 nach Engels, wo er an Malaria erkrankte. Später ging Glesel nach Moskau, wo er leitendes Mitglied der Moskauer Gruppe sowjetdeutscher Schriftsteller wurde. 1933 zog er mit seiner Familie nach Leningrad, wo er als Sekretär der deutschen Schriftstellergruppe in Leningrad zu arbeiten begann. 1934 starb seine Tochter während einer Scharlachepedemie. Glesel begann für die »Deutsche Zentral-Zeitung« und als Redakteur der »Roten Zeitung« in Leningrad zu arbeiten. In der von Fritz Heckert herausgegebenen Anthologie »Faschistkaja Germanija«, die 1934 in russischer Sprache erschien, wurden zwei Erzählungen Glesels aufgenommen.
Nach dem frühen Tod seiner Tochter 1935 sein Sohn Alex geboren. Auf seinen Antrag erhielt Glesel, der polnischer Staatsbürger war, 1935 mit Unterstützung der »Deutschen Sektion bei der Komintern« in Moskau die sowjetische Staatsbürgerschaft. Er wurde als sowjetischer Staatsbürger mit der Nationalität »Jude« geführt. 1935 war Glesel Delegierter der deutschen Schriftstellergruppe in Leningrad zum 1. Unionskongress der sowjetischen Schriftsteller in Moskau.
1935 veröffentlichte Glesel unter dem Künstlernamen S. Gles ein Drama, ein Schauspiel und zwei Erzählbände im Kiewer Staatsverlag der nationalen Minderheiten der UdSSR. Nach einer negativen Rezension von Otto Bork in der »Deutschen Zentral-Zeitung« über Glesels Stück »Verboten«, das sich mit dem blutigen Mai 1929 in Berlin auseinandersetzte, schrieb Erich Weinert am 24.5.1936 eine vernichtende Rezension in der DZZ über das Stück und leitete damit eine Kampagne gegen Glesel in der DZZ ein. Diese führte zu einer ideologischen Kampagne der Parteigruppe der deutschen Schriftsteller in Moskau gegen Glesel.
1936 wurde Glesel aus dem sowjetischen Schriftstellerverband und der Partei ausgeschlossen. Die Ablehnung ihn als Mitglied der deutschen KP in die KPDSU zu übernehmen, führte de facto zu einem Berufsverbot. Am 4. September 1937 wurde er vom NKWD in seiner Wohnung in der Detskaja Ulitza 3 in Leningrad verhaftet und am 29.10.1937 zur »Höchststrafe« verurteilt – eine zynische Umschreibung der Stalinisten für die Todesstrafe. Im Zuge der »Deutschen Operation« wurde Samuel Glesel mit 99 weiteren Männern und Frauen am 5. November 1937 erschossen und in einem speziell gesicherten Teil des Lewaschowoer Ödlands bei Leningrad anonym verscharrt.
1958 erfolgte eine fingierte Rehabilitierung mit falscher Todesangabe und Todeszeitpunkt durch die sowjetischen Behörden. Seine Familie erfuhr erst 2003 durch die Veröffentlichung eines Gedenkbuchs der Opfer politischer Repression (Leningrader Martyrologium 1937–1938, Bd. 3, St. Petersburg 2003)
2011 wurde am Haus in der Detskaja Ulitza 3 eine Gedenktafel für Glesel und 27 weitere Frauen und Männer aus diesem Haus errichtet, die unter falscher Anschuldigung verhaftet und ermordet worden waren.
2015 errichtete die Familie seines Sohnes Alex Glesel einen Gedenkstein für Samuel Glesel. auf dem in Lewaschowo (St. Petersburg) errichteten Gedenkfriedhof für die Opfer stalinistischen Terrors. Seit 2015 erinnert auch eine Gedenktafel auf dem jüdischen Friedhof in Gotha an Samuel Glesel.
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