Kai Uwe Schierz ist seit 2011 Direktor aller Erfurter Kunstmuseen, zu denen neben dem Angermuseum und der Kunsthalle auch die Galerie Waidspeicher im Kulturhof Krönbacken und Schloß Molsdorf gehören. Am 23. Juni wird er Gast im Kultur: Haus Dacheröden sein, um im Gespräch mit Dirk Löhr etwas über sein Verhältnis zum Buch und zum Lesen zu »verraten«. Vier Titel rangieren augenblicklich auf seiner persönlichen »Hitliste«. Über sein besonderes Verhältnis zu (diesen) Büchern ließ der bekannte Gast bereits im Vorfeld wissen:
Meine bevorzugte Lektüre ist für mich einerseits alltägliches Lebensmittel als Denkmittel für den Alltag, für die Ausbildung und Erweiterung meines Verständnisses der Welt, in der ich lebe. Neben Zeitgenossen wie Precht oder Harari lese ich auch immer mal wieder gern in den Essays von Montaigne und wundere mich, wie modern sein Denken ist. Das Wundern beim Lesen geht einher mit dem Wohlfühlen beim Lesen. Ich möchte mich ja nicht langweilen. Precht oder Harari als publizierende und gern auch mal provozierende Universalisten im Denken sehe ich in der Tradition der lebensphilosophischen Essays von Montaigne. Sie argumentieren subjektiver, als es auf den ersten Blick erscheint. Andererseits besteht meine bevorzugte Lektüre aus Poesie oder Dichtung, in der die Sprache sich selbst bewusst wird. Da wird Lesen zum Abenteuer. Baudelaire und Rimbaud, T. S. Eliot, James Joyce und William Carlos Williams, Rainer Maria Rilke und Arno Schmidt. Stets nur in kleinen Häppchen, in geringer Dosis; anders kann ich die nötige Konzentration nicht halten. Und letztes Jahr eben Saint-John Perse. Den kannte ich nicht, ich folgte der indirekten Empfehlung eines der wichtigen deutschen Bildhauer der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts, Rolf Szymanski (1928–2013), der in seinen Werktiteln auf die Poesie von Perse verwies. Hier geht Sprache an Grenzen, das finde ich abenteuerlich. An Grenzen des Schreib- und Sprechbaren, an Grenzen des Verstandes, eigentlich jeweils unübersetzbar in andere Sprachen. Es wird dennoch versucht, und ich bin allen sprachmächtigen Übersetzer*innen dankbar, die es versuchen. Auch Stiletts Neuübersetzung von Montaigne hat uns neue Facetten der Essays und einen neuen Renaissanceautor beschert. Diese Leistungen werden oft zu wenig beachtet, geschweige gewürdigt. Aber wer Sprache nicht nur als Vehikel nutzt, sondern als Sprache liebt, der versteht, wie viel diese Leute leisten.