Geh und öffne die Tür
Rezitation: Christine Stauch
Musik: Lev Guzman
Am Samstag, 23. November 2019, 14:30 Uhr lädt die Dichterstätte Sarah Kirsch in Limlingerode zu einer musikalischen Lesung ein. An diesem Nachmittag wird Kulturmanagerin Christine Stauch Tschechische Lyrik vorstellen. Eine Art lyrischer Nachhall auf die Leipziger Buchmesse, die im Frühjahr dieses Jahres die Tschechische Republik als Gastland präsentierte. Lev Guzman wird das poetische Programm musikalisch bereichern, indem er den lyrischen Klang mit musikalischen Kompositionen verbindet, darunter Werke von Bedřich Smetana und Django Reinhardt. Andererseits führt er mit seinen Improvisationen die Gedichte in freie musikalische Klangräume.
Im Salon „Musenbundt“ sind an diesem Nachmittag nicht nur Lyrik und Musik im Bund. Seit Oktober umspielen Kunstobjekte von Susanne Lägel alle Räume der Dichterstätte. Inwieweit sich diese mit dem lyrisch-musikalischen Klang verbinden, das werden die Gäste ganz individuell erleben.
Die Tür der Dichterstätte ist geöffnet – um einzutreten!
Wir freuen uns schon jetzt auf Ihr Kommen!
Zum musikalisch-literarischen Programm
„geh und öffne die tür“ – diese Verszeile entstammt dem Gedicht „die tür“ des tschechischen Poeten Miroslav Holub (*1928, †1998) und lässt ganz im unmittelbaren Sinne eine Einladung ahnen, hinaus zu gehen um die im Menschen verankerte Neugier zu stillen, eine Tür zu öffnen, um das gut eingerichtete Zimmer, das eigene Haus… die eigene Gedankenwelt zu verlassen, um sich von äußeren Dingen inspirieren lassen zu können: von der Natur, von anderen Menschen… oder, den Bogen weiter gespannt, von anderen Kulturen und anderen Ländern. Unter diesem Aspekt wurde diese Verszeile zum Programm des literarischen Nachmittags: Neugier auf tschechische Lyrik zu wecken.
In Gänze wird in diesem Gedicht eine andere Atmosphäre spürbar, eine existenzielle Not, die Tür öffnen zu müssen, um einer Enge zu entfliehen, die freies geistiges Denken und Arbeiten zu erdrücken droht. „…geh und öffne die tür/zumindest/ein luftzug/wird sein“, so die letzten Verszeilen. Möglich, dass der Dichter darin die resignative Stimmung aufgreift, die nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 das Leben vieler Menschen in der damaligen Tschechoslowakei ergriff, die letztlich, aufgrund der systemimmanenten Abkehr von einer freien individuellen Entfaltung, wie ein Schatten von Beginn an über dem Leben der Menschen in allen sozialistischen Ländern des damaligen Ostblocks lag.
Alle Gedichte im Lyrikband „Wo wir zu Hause das Salz haben“ sind Übersetzungen des bekannten deutschen Lyrikers Reiner Kunze. Zu der Auswahl der tschechischen Lyrikerinnen und Lyriker gehören Jan Skácel, Ivan Blatný, Vlasta Dvořáčková, Karel Toman und Milena Fucimanová. Dazu zählen auch Milan Kundera, Jaroslav Seifert und Václav Havel.
Kunze in einem Interview der Prager Zeitung nach dem Besonderen in der tschechischen Literatur gefragt, sagt: „In der tschechischen Literatur bricht sich einzigartig europäisches Licht in slawischem Empfinden. Der Winkel, in dem das Licht an die Oberfläche der tschechischen Poesie und Prosa austritt, wird bestimmt von einer langen anerlittenen Wehmut, einem feinen fatalistischen Lächeln, einem Zorn, der seine Stunde abwartet, und selbsterlösendem Humor.“
In diesem Interview ist neben den zahlreichen Auszeichnungen für Kunze als Lyriker auf die des tschechischen Außenministeriums verwiesen, die Kunze 2014 verliehen wurde, „für seinen Beitrag zur Förderung des Ansehens der Tschechischen Republik im Ausland.“*
Die Titelzeile des genannten Interviews lautet: “Ich habe für meine Gedichte den Kopf hingehalten”* Angemerkt sei an dieser Stelle, dass der Lyriker und Übersetzer Reiner Kunze, der bereits Anfang der 1960er Jahre eingeschränkte Publikationsmöglichkeiten in der DDR erfuhr, nach Ausschluss aus dem Schriftstellerverband 1976 den Antrag auf Ausbürgerung stellte und unmittelbar danach mit seiner Familie in die Bundesrepublik Deutschland übersiedelte. /* Prager Zeitung online, 13. 10. 2017, wikipedia.org
Zur Ausstellung
In der Ausstellungsreihe der Dichterstätte HausART stellt seit Ende Oktober die Künstlerin Susanne Lägel ihre Werke vor. Das Motto der musikalischen Lesung ging auf ihre Schau über. Sie erklärt das mit folgenden Worten: „Geh und öffne die Tür“ bedeutet für mich eine Tür zu öffnen um sich nach draußen zu begeben, offen zu sein für alles, was man draußen erwarten kann. … Draußen hole ich mir meine Inspirationen. … Ich liebe es draußen zu sein.“
Was ihre Kunst ausmacht hat Susanne Lägel so erklärt: „Ich benutze die Natur als Anregung für meine Arbeiten, insbesondere die Strukturen der Bäume haben es mir angetan. Die fotografiere und zeichne ich, und gehe ihnen in meinen textilen Arbeiten nach. Ein Schwerpunkt meiner Arbeit ist die Färberei mit Pflanzenmaterialien wie Blätter, Rinden, Wurzeln, Blüten und Früchte.“
Man darf gespannt sein, auf die Werke von Susanne Lägel und auf das einmalige Zusammenspiel von Lyrik, Musik und bildender Kunst an diesem Nachmittag in der Dichterstätte Sarah Kirsch in Limlingerode.