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Großherzoglich Sächsische Kunstschule
Thema
Von Goethes Tod bis zur Novemberrevolution
Angela Böcklin
Böcklin-Memoiren. Tagebuch-Blätter von Böcklins Gattin Angela. Hg. von Ferdinand Runkel, Berlin 1910.
1860–1862
Die Verhältnisse in der Kunstschule, auch die Art des Unterrichts waren durchaus angenehm. Mein Gatte hatte sein Atelier dort, und er unterrichtete seine Schüler, die meist schon über das erste Stadium des Könnens hinaus waren, indem er täglich mehrere Male durch die Ateliers ging und korrigierte. Wir hatten sehr viel Verkehr, besonders im Hause des Direktors der Kunstschule, des Grafen Stanislaus von Kalckreuth, mit dessen Familie ich allmählich eine recht herzliche Freundschaft anbahnte. Natürlich wurden wir sehr viel eingeladen So kamen wir in das Haus des Barons von Schlicht, zu den Kollegen meines Mannes, dem Grafen Harrada, Franz Lenbach und dem Baron von Ramberg. Der letztere galt als ein großes Talent Er hatte ja auch in früheren Jahren einige sehr tüchtige Leistungen vollbracht, so seine Zwergenhochzeit und sein Kaiser Heinrich im Kampf mit den Ungarn. Aber seit dem Jahre 1850 hatte man außer kleinen Genrebildern und Illustrationen nichts mehr von ihm gesehen. In Weimar hieß es immer: Ja, wenn der nur wollte, der könnte schon etwas Bedeutendes hervorbringen. Aber Ramberg wollte nie. Nur höchst selten ließ er sich herab ein ganz kleines Genrebildchen zu malen. Mein Gatte pflegte zu sagen: »Wenn der Ramberg ein so riesiges Talent hat, wie die Leute alle sagen, so soll er es doch einmal beweisen.«
In der Gesellschaft ging es immer sehr zimperlich zu. Man versuchte den Hofton nachzuahmen, gab ein wenig Tee, ein wenig kalten Aufschnitt, und zwar so wenig, daß man sich gar nicht getraute, etwas zu nehmen. Eine besondere Delikatesse waren Kartöffelchen in Asche gebraten… Nur bei Kalckreuth hatten die Gesellschaften Stil, zumal an großen Festen, wo sich der Großherzog persönlich anfügte. Sehr komisch war, daß der Fürst stets den Kuchen für die Gesellschaft selbst mitbrachte und ihn von den Lakaien herumreichen ließ. Gewöhnlich blieb er nur eine Stunde da, und solange er anwesend war, ging es ungeheuer steif zu. Bald stand er und hielt Cercle, bald sprach er mit diesem und jenem, bald schritt er durch die Salons, um eine oder die andere Dame der Künstlergesellschaft anzusprechen. diesen Gesellschaften war auch stets der alte Genelli zugegen, den der Großherzog zu freier Tätigkeit nach Weimar berufen hatte, wo er eine Anzahl seiner früheren Kompositionen für den Grafen Schack in Öl ausführte. Mein Gatte ist auch mit ihm in näheren Verkehr getreten, und sie haben beide aneinander Gefallen gefunden. Beide fanden sich in der Schwärmerei für die Antike und hatten so eine Fülle von Berührungspunkten, die zu starker gegenseitiger Anregung Veranlassung gaben.
Wenn der Großherzog die Gesellschaft verlassen hatte, löste es sich von der Brust aller wie ein Alp. Nun konnte man lustig sein; nun rückten die Maler ihre Staffeleien in den Saal und begannen Gesellschaftsbilder zu skizzieren. Diese großen Festlichkeiten bei dem Grafen Kalckreuth hatten vor allem den Zweck, die Damen der Professoren mit dem Großherzog bekannt zu machen, denn zu Hof wurden nur diejenigen eingeladen, die adelig waren. Hoffähig waren nur die Professoren selbst, nicht ihre Frauen. Ich empfand dies als ein persönliche Zurücksetzung und habe aus dieser meiner Meinung niemals ein Hehl gemacht Mein Gatte mußte sehr oft zu Hof gehen, denn häufig war Empfang mit Tee, zu dem auch die Professoren Einladungen erhielten. Bei großen Festlichkeiten erschienen die Herren in Uniform, die meinen Mann überall einengte, es war furchtbar für ihn, der so sehr an Freiheit gewöhnt war, sich in Kniehosen zu stecken, Schnallenschuhe anzuziehen und den goldgestickten Frack mit goldenen Knöpfen und Kragen anzulegen, dazu gehörte dann noch ein Degen. Er stand oft vor dem Spiegel, ehe er zu Hofe ging und verwünschte die Uniform. Trotzdem sah er mit seiner militärischen Haltung in Uniform sehr schmuck aus, und er machte eine entschieden gute Figur bei Hofe. Aber es war ihm wie gesagt schrecklich, und das Hofleben und die Gebundenheit sind hauptsächlich schuld daran gewesen, daß ihm der Aufenthalt in Weimar mit der Zeit unerträglich wurde.
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