Personen
Carl August v. Sachsen-Weimar-Eisenach
Anna Amalia v. Sachsen-Weimar-Eisenach
Carl Wilhelm Heinrich Freiherr von Lyncker
Orte
Themen
Thüringen im literarischen Spiegel
Literarisches Thüringen um 1800
Carl Wilhelm Heinrich Freiherr von Lyncker
Am Weimarischen Hofe unter Amalien und Carl August. Erinnerungen, Berlin 1912, S. 80-82.
Das Schlittschuhfahren war schon in den ersten Regierungsjahren des Herzogs Sitte und zu einer fortlaufenden Hofvergnügung geworden. Der Rittmeister von Lichtenberg, früher in holländischen, dann in preußischen Diensten, war Meister in dieser Kunst. Goethe, der es in seiner Vaterstadt erlernt hatte, fand auch viel Gefallen daran. Den Teich im Baumgarten, welcher damals noch der Herrschaft gehörte, späterhin aber von dem Legationsrath Bertuch erkauft wurde, benutzte man zu dieser Lust; ein Häuschen wurde darauf errichtet und allen Honoratioren der Zutritt gewährt. Der Herzog selbst fuhr eine Zeit lang fast täglich; auch die regierende Herzogin, die Frau von Stein und mehrere andere Damen erlernten es, und es war eine Freude die Durchlauchtige Frau mit vollem Anstand über das Eis schweben zu sehen. Die Corona Schröter hatte viel Fertigkeit darin erlangt; ihre schöne Figur nahm sich dabei vortrefflich aus. [Die übrigen Damen aber, die sich zu dem Schlittschuhfahren nicht entschließen konnten, besuchten den Teich, um sich auf Hand-Schlitten herumfahren zu lassen.] – Mancherlei Frühstücke wurden dabei teils von den Herrschaften, teils von Andern von Stande gegeben. Als aber späterhin die Schwanseewiesen überschwemmt wurden, gab der Herzog dort größere Feste, sogar Eis-Maskeraden und Illuminationen, denen die durchlauchtigsten Damen und der Adel beiwohnten. Wir Knaben erschienen gewöhnlich nur zwei Mal die Woche, um unsere Lehrstunden nicht zu sehr zu vernachlässigen, und der Herzog, so wie Goethe, ließen uns Kunststücke erlernen. Wir mußten nämlich in vollem Schlittschuh-Fahren Äpfel mit bloßen Degenspitzen aufspießen, über Stangen springen, wurden gleich Hasen mit Parforcepeitschen gehetzt, ja man schoß aus nur mit Pulver geladenen Pistolen hinter dem flüchtigen Wilde drein, welches für uns die größte Lust war. Bei einer nächtlichen Maskerade und Illumination erhielten wir Teufelsmasken und mußten die Damen, welche nicht selbst Schlittschuh fuhren, auf dem Schlitten zwischen den erleuchteten Pyramiden und feuerspeienden Raketen und Schwärmern herumkutschieren. Auf unsern mit Teufelshörnern versehenen Mützen waren gleichfalls Schwärmer angebracht, welche die vorbeifahrenden Herrn mit brennenden Lunten anzündeten und somit ein fortlaufendes Feuer bewirkten. Da wir aber oft auf das Eis fielen und uns mit unter leicht beschädigten, so wollten unsere Eltern diese Belustigungen nicht immer gut heißen. Alle dergleichen Dinge gab man hauptsächlich Goethen Schuld, und gewöhnlich wurde über die meisten Vorgänge damaliger Zeit etwas zweideutig gesprochen.
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