Manche Örtlichkeiten in Heiligenstadt und Umgebung haben ihren Niederschlag in der Dichtung Theodor Storms gefunden. Populär geworden sind unter anderem seine Märchen, unter denen die Ende 1863 in Heiligenstadt entstandene Regentrude künstlerisch herausragt. Für die märchenhafte Unterwelt der Regenfrau, die schlafend an einem zunächst versiegten Wasserfall gefunden wird, hat Storm sicherlich eine Anregung durch den Geislede-Wasserfall in Heiligenstadt erfahren (Abb. 1), der heute im Heinrich-Heine-Kurpark liegt:
Maren selbst stand in einem leeren sandigen Becken, in welches sonst ein Wasserfall über die Felsen hinabgestürzt sein mochte, der dann unterhalb durch die Rinne seinen Abfluß in den jetzt verdunsteten See gehabt hatte. Sie suchte mit den Augen, wo wohl der Weg zwischen den Klippen hinaufführte. Plötzlich aber erschrak sie zusammen. Denn das dort auf der halben Höhe des Absturzes konnte nicht zum Gestein gehören; wenn es auch ebenso grau war und starr wie dieses in der regungslosen Luft lag, so erkannte sie doch bald, daß es ein Gewand sein, welches in Falten eine ruhende Gestalt bedeckte. – Mit verhaltenem Atem stieg sie näher. Da sah sie es deutlich; es war eine schöne mächtige Frauengestalt. Der Kopf lag tief auf’s Gestein zurückgesunken; die blonden Haare, die bis zur Hüfte hinabflossen, waren voll Staub und dürren Laubes.
Nachdem das Mädchen Maren die mythische Regenfrau erweckt hat und der Regen das verdorrte Land wieder erblühen lässt, heißt es in Storms Märchen dann:
Da gingen sie an dem Bache entlang, der zu dem Wasserfalle führte. Der stürzte sich schon wieder tosend über die Felsen und floß dann strömend in der breiten Rinne unter den dunklen Linden fort.
– Aber auch die Höhlenwelt des phantastischen Gegenspielers der Regentrude könnte ihr Vorbild in einer pittoresken Felslandschaft vor den Toren Heiligenstadts haben: In Richtung des Ortes Uder befindet sich die sogenannte »Alte Burg« mit der Zwergenhöhle, die gut als Versteck des Feuerkobolds Eckeneckepenn vorstellbar ist (Abb. 2).
Abb. 1: Heinz Scholle, 2008; Abb. 2: Heinz Scholle, 2008
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