Ankunft in Heiligenstadt am 19. August 1856: »Hilf Himmel welch eine Stadt!«
Am 19. August 1856 reiste der Husumer Dichter Theodor Storm (1817–1888) in Begleitung seines Vaters von Göttingen aus mit der Kutsche nach dem preußischen Heiligenstadt (Abb. 1), um zum ersten Mal seinen künftigen Arbeits- und Wohnsitz in Augenschein zu nehmen, der mehr als sieben Jahre lang zu seiner zweiten Heimat werden sollte.
Hinter ihm lag eine zweieinhalbjährige beschwerliche Assessorenzeit in Potsdam, während der er sich in das für ihn unbekannte preußische Rechtswesen einarbeiten musste. Tapfer hatten er und seine Familie den Weggang aus dem dänisch besetzten Husum auf sich genommen, nachdem Ende November 1852 das zuständige Ministerium in Kopenhagen dem schleswig-holsteinischen Patrioten Storm seine Anwaltszulassung nicht verlängert hatte.
An seine Ehefrau Constanze berichtete Storm, im Hotel »Preußischer Hof« (Abb. 2) abgestiegen, gleich am folgenden Tag seine ersten Eindrücke von der kleinen Stadt im Eichsfeld:
… im Grunde lag eine Stadt mit alten Kirchthürmen. Heiligenstadt! Sagte der Kutscher. Mir schossen die Thränen etwas in die Augen. So fuhren wir denn nach dreistündiger Fahrt den abschüssigen Weg hinunter in die Stadt. Hilf Himmel welch eine Stadt! Lehmhütten und Baracken, Häuser wie sie bei uns nicht für Geld aufzuweisen wären. Man begreift nicht, daß darin die lustigen Heiligenstädter, wie sie überall heißen, existiren können. Nur sehr einzelne gute Häuser liegen dazwischen, das Beste ist unser Wirthshaus, offenbar ein altes Palais. Daß H. eine Residenz des Churfürsten (geistlichen) von Mainz gewesen, sieht man nur an den 2 od. 3 alten großen Kirchen und dem alten Residenzschloß, dem jetzigen Gerichtsgebäude.
Einen Tag später wirkte das Städtchen auf Storm schon viel behaglicher, und am 30. September 1856 konnte er dem Freund Ludwig Pietsch bekennen: Da ich nicht in Husum sein kann, so wünsche ich nur in Heiligenstadt zu sein.
Abb. 1: Lithographie von Hermann Schnee um 1858; Abb. 2: Heinz Scholle, 2008
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