H. W. Katz in Gera
8 : Gera 1991 – ein Besuch nach 58 Jahren

Person

H. W. Katz

Ort

Gera

Themen

Weimarer Republik

Thüringen im Nationalsozialismus

Externe Informationen

Stammbaum der Familie Katz auf der Website von Daniel Abraham

Autor

Annerose Kirchner

Thüringer Literaturrat e.V.

1941 gelang es H. W. (»Bill«) Katz mit sei­ner Ehe­frau Frie­del und sei­ner klei­nen Toch­ter Eve in die USA zu emi­grie­ren. Zuerst lebte er in New York, war Arbei­ter und Vor­ar­bei­ter in einer Maschi­nen­fa­brik und stieg zum Direk­tor auf. Mehr­mals reiste er nach Europa. Ziel: Deutsch­land. So sprach er 1988 in der Frank­fur­ter Pauls­kir­che neben Ste­fan Heym anläss­lich des 55. Jah­res­ta­ges der Bücher­ver­bren­nung. Zum ers­ten Mal nach 58 Jah­ren kam er im Mai 1991 nach Gera und las in Stadt- und Regio­nal­bi­blio­thek. Mög­lich war dies dank der Wie­der­ver­ei­ni­gung und durch die Unter­stüt­zung der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Ange­lika Bohn schrieb am 18. Mai 1991 in ihrem Bericht »Odys­seus besucht Gera« in den »Ost­thü­rin­ger Nachrichten«:

H. W. Katz, warum sind Sie nach dem Krieg nicht zurück­ge­kehrt, wird er gefragt. Damals glaubte er nicht as Recht zu haben, der klei­nen Toch­ter die ame­ri­ka­ni­sche Hei­mat zu ent­zie­hen. Wie so ewas ist – H. W. Katz hat es als Emi­gran­ten­kind aus Gali­zien in Gera erlebt. Frau Katz besteht aber auch dar­auf, daß gesagt wird, sie wollte unter kei­nen Umstän­den in das Land zurück, das sie ver­trie­ben hatte. Was hat Europa durch die Emi­gra­tion ver­lo­ren, wie­viel Geist, wie­viel Demo­kra­tie­be­wußt­sein, ist Katz‹ Ant­wort auf Sor­gen sei­ner Zuhö­rer um die Asy­lan­ten im deut­schen Osten. Und er erin­nert sich sofort die die Tele­fon­num­mer 925, die sein Vater einst in Gera hatte – es ist 58 Jahre her! […] Es sind rüh­rende, selt­same Stun­den, wie sie diese Biblio­thek zuvor nicht erlebte und so bald nicht erle­ben wird. Klei­nes, Pri­va­tes und große Zeit­ge­schichte ver­schach­teln, ver­zah­nen sich in die­sen Stun­den. Einst las der Junge Katz in der Geraer Biblio­thek ›Win­ne­tou‹, spä­ter vie­les andere mehr, dann floh der junge Mann nach Ame­rika, von dem er nicht viel mehr wußte, als Karl May ihm erzählt hatte. Die Biblio­thek leiht nun auch die Bücher von H. W. Katz an ihre Leser aus, 50 Jahre nach­dem sie geschrie­ben, sechs nach­dem sie bei Fischer in Frank­furt erschie­nen sind. Wie­der eine deut­sche Geschichte.

Seine letz­ten Lebens­jahre ver­brachte H. W. (»Bill«) Katz, in Deer­field Beach/Florida. Er starb am 6. Juni 1992 im Alter von 85 Jah­ren. Bis an sein Lebens­ende blieb er ein poli­ti­scher Mensch. Er, der sich als poli­ti­scher Flücht­ling betrach­tete, ist in eine Reihe mit bedeu­ten­den gali­zi­schen Autoren zu stel­len wie Joseph Roth und Soma Mor­gen­stern. »Nur« zwei Bücher hat er geschrie­ben – im Exil. Es han­delt sich um ein­zig­ar­tige lite­ra­ri­sche Zeug­nisse von Flucht und Ver­trei­bung – ein Denk­mal der Erin­ne­rung nicht nur an die Juden im unter­ge­gan­ge­nen, ver­schwun­de­nen Galizien.

Eine späte Ehrung für H. W. Katz fin­det sich im Wiki­pe­dia-Ein­trag über die Stadt Rudky. Hier ist unter der Rubrik »Per­sön­lich­kei­ten« sein Name auf­ge­führt – neben Alek­san­der Fre­dro, einem pol­ni­schen Dra­ma­ti­ker, des­sen Grab sich in Rudky befindet.

 

Lek­tü­re­emp­feh­lun­gen:

  • H. W. Katz: Die Fisch­manns, Frank­furt am Main 1985.
  • H. W. Katz: Schloß­gasse 21 – in einer klei­nen Stadt, Frank­furt am Main 1986.
  • Robert G. Weigel (Hg.): Vier große gali­zi­sche Erzäh­ler im Exil: H. W. Katz,
  • Soma Mor­gen­stern, Manes Sper­ber und Joseph Roth, Frank­furt am Main u.a. 2005.
  • Wer­ner Sim­sohn: Juden in Gera, 2 Bde., Kon­stanz 1997–1998.

 H. W. Katz in Gera:

  1. Eine ostjüdische Familie in Thüringen – Ankunft in Gera 1914
  2. Kindheit und Jugend, Schule und Bildung
  3. Hinwendung zur sozialistischen Arbeiterjugend
  4. Journalist und Redaktionsmitglied der »Welt am Montag« in Berlin
  5. Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 in Berlin und Flucht vor den Nazis nach Frankreich
  6. Als Schriftsteller im Exil
  7. Das Schicksal der Familie Katz
  8. Gera 1991 – ein Besuch nach 58 Jahren
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