H. W. Katz in Gera
4 : Journalist und Redaktionsmitglied der »Welt am Montag« in Berlin

Person

H. W. Katz

Ort

Gera

Themen

Weimarer Republik

Thüringen im Nationalsozialismus

Autor

Annerose Kirchner

Thüringer Literaturrat e.V.

Willy Katz betä­tigte sich poli­tisch, arbei­tete im Orts­aus­schuß Gera der deut­schen Jugend­ver­bände mit, war kurz­zei­tig des­sen Spre­cher und von 1928 bis 1929 der Vor­sit­zende. Gleich­zei­tig begann er als Jour­na­list zu arbei­ten, schrieb ab 1925 vor allem für die sozi­al­de­mo­kra­ti­sche »Ost­thü­rin­ger Tri­büne«, die von Franz Petrich und spä­ter von Karl Sip­pel her­aus­ge­ge­ben wurde, und die »Leip­zi­ger Volks­zei­tung«, den »Zeit­zer Volks­bote«, die »Erfur­ter Tri­büne«, die »Mag­de­bur­ger Volks­stimme«, die »Dresd­ner Volks­zei­tung« und über­re­gio­nale Blät­ter wie »Der Pro­le­ta­rier«, die »Holz­ar­bei­ter­zei­tung« und die renom­mier­ten Blät­ter »Ber­li­ner Tage­blatt« und »Die Welt am Montag«.

Es han­delte sich um Berichte, Kolum­nen, Repor­ta­gen und Gedichte, scharf­zün­gig und intel­li­gent und über­aus kri­tisch. Scheu­klap­pen exis­tier­ten für die­sen jun­gen poli­ti­schen Jour­na­lis­ten, der früh vor den Natio­nal­so­zia­lis­ten warnte, nicht. Seine Bei­träge ver­fasste er unter dem Namen Willy Katz, aber auch uner Pseud­ony­men und Kür­zeln wie Wil­li­bald Kater und W. K. Sie tru­gen Titel wie »Arbei­ter­feste und Arbei­ter­ju­gend«, »Der Dienst­mann spricht«, »Stem­pel­amt«, »Bon­zen – Anti­bon­zen. Die Abrech­nung mit dem Spieß­bür­ger an allen Stamm­ti­schen beginnt«, »Heil Regie­rungs­rat Hit­ler«, »Die Rente wird gekürzt«.

Er schrieb über das mit­tel­deut­sche Indus­trie­ge­biet und den Arbei­ter­dich­ter Alfons Pet­zold, 1930 hielt er sich in Bad Dür­ren­berg bei einem Cou­sin auf und gab Kurse für Arbei­ter an der dor­ti­gen Metall­ar­bei­ter­schule. 1932 war er kurz­zei­tig Arbei­ter in den Leuna-Wer­ken und schrieb dar­über im »Ber­li­ner Tage­blatt«, jener von Ver­le­ger Rudolf Mosse im Dezem­ber 1871 begrün­de­ten erfolg­rei­chen Zei­tung, deren Name in der rei­chen Ber­li­ner Zei­tungs­land­schaft von Anbe­ginn einen guten Ruf besaß. In den Redak­ti­ons­stu­ben wurde man auf Willy Katz auf­merk­sam. Der Weg von Gera an die Spree war beschlos­sene Sache.

1932 wurde Willy Katz jüngs­tes Redak­ti­ons­mit­glied der »Welt am Mon­tag«, die 1895 gegrün­det wurde. Im Som­mer des glei­chen Jah­res erlebte er aus nächs­ter Nähe einen der zahl­rei­chen Wahl­auf­tritte von Adolf Hit­ler. Als wären sie hyp­no­ti­siert, lausch­ten Tau­sende Hit­lers Hetz­rede gegen den ›Unter­men­schen‹, gegen den Juden. […]. Kei­ner erkannte mich, den ›schul­di­gen‹ Juden. […] Viel­leicht weil ich ›ari­scher‹ aus­sah als der dun­kel­haa­rige Hitler?

Die­ses für ihn schreck­li­che und zugleich prä­gende Erleb­nis inspi­rierte in zu sei­nem ers­ten Buch. Auch der Titel fällt ihm ein »Die Fisch­manns« – ein auto­bio­gra­phisch gepräg­ter Roman, in dem Erin­ne­run­gen an die ost­jü­discehn Freunde mei­ner Kind­heit in Deutsch­land mit Ent­de­ckun­gen mei­ner eige­nen Kind­heit und mit Erfah­run­gen und Phan­ta­sie ver­mischt sind.

Doch das Schrei­ben am Buch sollte noch etwas dau­ern. Im schick­sal­haf­ten Jahr 1933, das für Willy Katz die Wende sei­nes Lebens brachte, wurde Adolf Hit­ler zum Reichs­kanz­ler gewählt. Alle fort­schritt­li­chen und sys­tem­kri­ti­schen Zei­tun­gen wur­den ver­bo­ten und muss­ten ihr Erschei­nen ein­ge­stel­len. Dazu gehörte auch »Die Welt am Mon­tag«. Ab März 1933 war Willy Katz arbeit­los. Die so viel­ver­spre­chende jour­na­lis­ti­sche Kar­riere war über Nacht zu Ende.

 

 H. W. Katz in Gera:

  1. Eine ostjüdische Familie in Thüringen – Ankunft in Gera 1914
  2. Kindheit und Jugend, Schule und Bildung
  3. Hinwendung zur sozialistischen Arbeiterjugend
  4. Journalist und Redaktionsmitglied der »Welt am Montag« in Berlin
  5. Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 in Berlin und Flucht vor den Nazis nach Frankreich
  6. Als Schriftsteller im Exil
  7. Das Schicksal der Familie Katz
  8. Gera 1991 – ein Besuch nach 58 Jahren
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