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Eintrag im Thüringer Autorenlexikon
Matthias Biskupek
Die Exkursion entstand im Rahmen eines Projekts der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.
Die Maxhütte Unterwellenborn war nach dem 2. Weltkrieg die einzige Roheisenproduzentin in der Sowjetischen Besatzungszone. Hier lernte der Schriftsteller Ror Wolf, 1932 in Saalfeld geboren, den Beruf eines Betonbauers. In einem Gespräch mit Matthias Biskupek 2012 erinnert er sich an die Zeit nach seinem Abitur 1951.
Also bewarb ich mich zunächst einmal in Leipzig um ein Studium der Literaturwissenschaft, der Kulturwissenschaft, Philosophie und Soziologie, dasselbe, was ich dann später tatsächlich studiert habe. Da wurde ich abgelehnt, und zwar ohne Begründung. Aber da ich irgendwas machen wollte, und eigentlich noch nicht Mut genug hatte, wegzugehen – ich war noch nicht reif dafür, ganz allein zu sein – ging ich in die Maxhütte und bewarb mich da als Umschüler zum Betonbauer. Und das ist eine grausige und schwere, schwere Arbeit gewesen. Und sie ist insofern von Bedeutung für mich, weil ich bemerkt habe, wie manche Leute ihr Leben lang ihr Geld verdienen müssen. Mir sind diese zwei Jahre Betonbauer in der Maxhütte unvergesslich. Ich glaube, sie waren mir auch nützlich.
In Unterwellenborn erlebte Wolf den 17. Juni 1953:
Ich bin am 17. Juni morgens in den Zug gestiegen, um nach Unterwellenborn zu fahren und meine Arbeit anzutreten. Als ich dort ausstieg und ankam, bemerkte ich eine größere Ansammlung von Menschen, die mir zuriefen: ›Wir streiken, wir arbeeten nich, wir machen nix, da. In Berlin is ooch was los‹. So was Ähnliches. Und ich wusste nicht genau, was sie meinten.
Es formierte sich ein Zug zum Kulturhaus – Kulturpalast hieß es, glaube ich, an dem ich mitgebaut hatte – als Betonbauer. (…) Im Verlaufe dieses Weges, ist ja nicht weit zum Kulturhaus, wurde mir klar, worum es ging. In Berlin wurde gestreikt. Da gab es einen Arbeiteraufstand – und das sollte man hier in Saalfeld fortsetzen. In der Nähe des Kulturhauses stießen wir plötzlich auf russische Panzer.
Da standen wir dann.
Es hat sich keiner gebückt, um einen Stein aufzuheben, das will ich hier gleich sagen. Man sieht immer diese Bilder im Fernsehen, dass sich die Aufständischen mit Steinen versehen haben, um russische Panzer zu bewerfen. Das gab es da nicht. Wir hatten Angst.
Wir hatten Angst, fuhren nach Hause, das heißt, nach Saalfeld und stellten uns da zusammen und redeten darüber. Wurden aber dann von Polizisten, von Volkspolizisten immer aufgefordert: Keine Ansammlungen! Mehr als zwei geht nicht. Nach Hause, gehn Sie nach Hause und so weiter. Ja, und das ist die zentrale Erinnerung an den 17. Juni. Und von diesem Moment an war mir absolut klar, dass jetzt der Moment gekommen ist, dass ich die DDR verlassen soll – und muss.
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