Lokation
August-Bebel-Straße
07333 Unterwellenborn
Person
Artikel
Ror Wolf – Eine Jugend in Saalfeld
Weiterführende Informationen
Detlef Ignasiak
Das literarische Thüringen, Bucha 2018.
Der Industrieort Unterwellenborn liegt östlich von Saalfeld an der Straße nach Pößneck. 1872 wurde dort vom oberpfälzischen Sulzbach-Rosenberg aus die Maximilanshütte gegründet, deren vier Hochöfen ein dreiviertel Jahrhundert später die einzigen der gerade gegründeten DDR waren.
Schon 1949 begann in der Maxhütte mit großem propagandistischem Aufwand die legendäre Jugendaktion »Max braucht Wasser«, auf die die FDJ-Singebewegung immer wieder zurückgriff. Der aus Sachsen kommende kommunistische Dichter Kurt Barthel (1914–1967) war 1948–1949 Kultursekretär des Werkes. Er schrieb anlässlich der Eröffnung der Wasserleitung das später in die DDR-Schullesebücher eingegangene elegische Gedicht »Sagen wird man über unsere Tage« mit den Schlusszeilen: »Doch den Kriegen folgte jene Zeit der Wettbewerbe,/und die Zeit der Wettbewerbe/war der Anbeginn.« Kurz bevor Kurt Barthel Sekretär des Schriftstellerverbandes wurde, besuchte ihn Johannes R. Becher in Unterwellenborn, um mit ihm über dessen neue Aufgaben zu sprechen. Paul Elgers leitete 1959–1960 im Werk den »Zirkel schreibender Arbeiter«. Sein Roman »Es begann im Sommer« (1960) erzählt davon.
Werner Barth, der hier zu schreiben begann, machte ihn mit dem betrieblichen Umfeld bekannt. Der 1955 im stalinistisch-klassizistischen Stil errichtete Kulturpalast, dessen großer Theatersaal 800 Plätze bot, erinnert noch heute an diese Zeit. Der seit 1955 in Unterwellenborn lebende Schriftsteller Edwin Kratschmer organisierte darin seit 1972 Kunstausstellungen (»Max braucht Kunst«), aus denen eine Kunst-Sammlung erwuchs, die heute die einzige in Thüringen erhaltene eines DDR-Großbetriebes ist. Kratschmer gehörte seit 1964 zu den Förderern junger Dichter, die in FDJ-Poetenseminaren auftraten, und initiierte das verdienstvolle, doch von der Obrigkeit beargwöhnte Buchprojekt »Offene Fenster. Schülergedichte« Von 1970 bis 1990 erschienen neun Bände in dieser Reihe. Der von ihm geleiteten Lyrikklub gehörte 1971–1974 auch Jürgen Fuchs an, dem Kratschmer in den »Offenen Fenstern« zu ersten und in der DDR letzten Veröffentlichungen verhalf. Aus Kratschmers Engagement ist das einzigartige »Archiv Jugendlyrik der DDR«, eine Sammlung von 100.000 Texten von 15.000 Autoren der Jahre 1964–1990 hervorgegangen, das in der Universität Jena aufbewahrt wird und einer Erschließung harrt.
Der 1912 in Suhl geborene Werner Barth begann 1948 als Lokführer in der Maxhütte und wurde ganz im Sinne des von der SED vorgegebenen »Bitterfelder Weges« zum »schreibenden Arbeiter«, wenngleich Barth der Partei nie angehörte. Seine »Gedichte eines Maxhüttenkumpels« erschienen 1960. Die letzten Jahre lebte Barth im Saalfelder Ortsteil Gorndorf. Er starb 2010 in Jena.
Der aus Ostpreußen stammende Dichter Johannes Bobrowski (1917–1965) kannte die Gegend um Unterwellenborn, weil seine vertriebene Schwester seit 1946 im nahegelegenen Krölpa lebte. 1952 verbrachte Bobrowski dort mehrere Urlaubswochen. Dabei lernte er auch den in der Unterwellenborner Johanneskirche stehenden Altar »Taufe Christi« von 1522 kennen. In seinem im Westpreußen der frühen Kaiserzeit spielenden Roman »Levins Mühle« (1964) erscheint dieser als Altar der Kirche von Malken.
Abb. 1: Ansichtskarte, um 1935 / Abb. 2: Ansichtskarte, um 1950 / Abb. 3, 4: Fotos: Jens Kirsten.
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