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Jens Kirsten
Nennen Sie mich einfach Prinz. Das Lebensabenteuer des Harry Domela, Weimar 2010.
Am 24. Dezember 1926 erschien in der rechtsstehenden Weimarer Zeitung »Deutschland« folgendes Inserat:
Weihnachtsdank
aus der Ferne an Graf A. Sinus:
Herzlichen Dank nur auf diesem Wege:
1. für Ihre echt monarchisch-treue Gesinnung,
2. für ihr gastfreies, freundschaftliches, wie auch gemütliches und ritterliches, standesgemäßes Verhalten,
3. für Ihr mir gegebenes Notnachtlager und für Ihre persönliche Pflege meiner Fußbekleidung mit Ihrem seidenen Tüchlein,
4. anbei per Eilbrief für Ihren Verlust 20.000 Mark in Pfutschikato-Castato-Seilerio & Ferrario-Aktien; Überschuß per Flugzeug oder telegraphisch nach Bern, Hotel »Zum Riesen-Roß«, erbeten
v. K. al. Pr. v. Pr., ja-ja, ja-ja.
Wer da dem Herrn Hofbäckermeister, der doch so altruistisch zu handeln verstand, auf derart gemeine Weise etwas heimzahlen wollte, wird wohl für immer ein Rätsel bleiben. Doch als ob dem Bäckermeister Schmidt, von dem die Fama geht, daß er einst einem verarmten Grafen im Gasthaus »Zum weißen Schwan« einen Adelstitel für 30.000 Papiermark abkaufte, und sich fortan als »Graf Arno« zum heimlichen Gespött von Weimar machte, nicht genug Übles widerfahren wäre, druckte die »Neue Leipziger Zeitung« am 29. Dezember 1926 einen Artikel unter dem Titel »Die Prinzenkomödie in Thüringen«, den der Weimarer Maler Alfred Ahner mit subtil-ironischen Karikaturen ausgestattet hatte. Dieser Artikel stützt die These, daß Domela – vermutlich in Folge der 35 Flaschen Sekt oder wie viele es realiter auch gewesen sein mögen – von Hofbäckermeister Schmidt sogar ein Nachtquartier angeboten bekam. Von den Karikaturen muß der Hofbäckermeister erst 1940 erfahren haben, denn Alfred Ahner schrieb ihm einen Brief, in dem er sich auf die nunmehr 14 Jahre zurückliegende Episode bezog:
Lieber Graf Arno! Es tut mir sehr leid, daß Sie es sich doch sehr zu Herzen genommen haben, damals und daß Sie es noch nicht verwunden haben! Ich habe Sie noch nicht gekannt um zu Ihnen zu kommen und habe die ganze Sache auch als harmlos betrachtet, denn es wurde sehr über die Domela-Affäre gelacht – so ungefähr wie über den Hauptmann von Köpenick. Die Leidtragenden bei so einer Geschichte sind natürlich die Geschädigten entweder so oder so! – Aber da kann sich unsereins keinen großen Erwägungen erst hingeben – bei einem Angebot sich irgendwie zeichnerisch zu betätigen, um zu verdienen. Da heißt es: greif rasch zu, sonst macht’s ein anderer!! Und wenn man Familie hat, als Kunstmaler – ohne monatliches Gehalt oder Unterstützung – und sowieso Pech im Verkauf, als Nichtg’schaftlhuber, sondern stiller ernster Arbeiter – dann gibt’s überhaupt nichts anderes, als rasch zuzupacken! […] Auf jeden Fall hat die Geschichte damals Ihrer großen Beliebtheit nichts geschadet, sondern sie eher gesteigert – und Ihnen Nutzen gebracht – sonst hätte ich ja nicht selber dafür gesorgt, daß Sie es erfuhren. Wenn ich ein schlechtes Gewissen Ihnen gegenüber gehabt hätte! Sie wüßten heute noch nichts davon! Und dann: trösten Sie sich mit mir! Was meinen Sie wohl, wie ich selber schon abgemalt worden bin und über mich ergehen lassen mußte, wovon manchmal noch nicht ein Wort davon wahr war, von meinen Freunden!? – Ja, ein gutmeinender Freund hat mich einmal so gemalt, daß kein Hund ein Stück Brot von mir mehr nehmen würde! Und dieses Bild ist auch noch in einem kunstgeschichtlichen Werk gedruckt, und fettgedruckt steht »der Maler Ahner« darunter! – Da sind meine Karikaturen noch hochanständig dagegen! Ich kann Ihnen dieses von mir gedruckte Bild einmal zeigen, wenn Sie wollen.
Postwendend schickte ihm Hofbäckermeister Schmidt vier Tage später seine Erwiderung:
Sehr verehrter Meister! Habe von Ihrem Brief Kenntnis genommen. Aber Sie denken richtig, ich habe Sie immer als Maler geschätzt, und deshalb sind wir Freunde. Heil Hitler, Ihr Graf A. Schmidt, der letzte Hofbäcker.
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