Harry Domela als »falscher Prinz« in Thüringen
4 : Hochstapler wider Willen

Person

Harry Domela

Ort

Gotha

Thema

Weimarer Republik

Autor

Jens Kirsten

Nennen Sie mich einfach Prinz. Das Lebensabenteuer des Harry Domela, Weimar 2010.

Thea­ter­be­su­che und Abend­ge­sell­schaf­ten reih­ten sich in Gotha anein­an­der. Auf den Emp­fän­gen, die man ihm zu Ehren gab, machte er aus sei­ner Gesin­nung kaum einen Hehl. Er äußerte sich über das unwür­dige Dasein der Tage­löh­ner und ent­setzte mit sei­nen Ansich­ten die Anwe­sen­den, die es natür­lich nicht wag­ten, in sei­ner Gegen­wart zu wider­spre­chen. Plötz­lich war er Ehren­gast auf einer Tagung des »Deut­schen Bun­des«. Das Rede-und-Ant­wort-Ste­hen geriet für Domela zu einer Tour de Force, die er nur mit eini­gen Frech­hei­ten glimpf­lich über­stand.  Egon Erwin Kisch schrieb 1927 über die Rolle Dome­las in sei­nem Arti­kel »Fal­sche Prinzen«:

Domela, der fal­sche Prinz Wil­helm, weiß sich bereits halb ver­ra­ten, er möchte flie­hen, und noch immer wird er gebe­ten, ›Deut­schen Tagen‹ durch seine Anwe­sen­heit fürst­li­chen Glanz zu ver­lei­hen, Hof­knickse der vor Demut ersterben­den Damen ent­ge­gen­zu­neh­men und Hul­di­gun­gen für sei­nen ›erlauch­ten Groß­va­ter und das ganze Zol­lern­haus‹ anzu­hö­ren. Domela möchte gar nicht mehr Prinz spie­len, das ent­fes­selte Arsch­krie­cher­tum läßt ihn aber nicht los, und er ist zu schwach, den Bit­ten zu wider­ste­hen. So wird er etwas, was die Kri­mi­nal­ge­schichte noch nicht kannte: ein Hoch­stap­ler aus Schüch­tern­heit, aus man­geln­dem Widerspruchsgeist.

Inzwi­schen berich­te­ten die Zei­tun­gen über die Anwe­sen­heit des Prin­zen in Thü­rin­gen. Domela muß buch­stäb­lich wie auf glü­hen­den Koh­len geses­sen haben. Ein Land­jä­ger, der bei einer Jagd seine Papiere prü­fen wollte, ver­setzte ihn in helle Panik. In sei­ner Not reichte er ihm mit gespiel­ter Her­ab­las­sung sei­nen Jagd­schein, der auf Prinz Wil­helm von Preu­ßen aus­ge­stellt war, und putzte den ver­dat­ter­ten Poli­zis­ten gehö­rig her­un­ter. Am Abend des Jagd­ta­ges stand ihm erneut der Zwang der gesell­schaft­li­chen Befra­gung bevor.

Wie hätte ich ihnen so gern ein­mal die Wahr­heit sagen mögen! Ihnen ins Gesicht schreien mögen, wie ich sie haßte, wegen ihrer empö­ren­den Her­zens­kälte und Gleich­gül­tig­keit haßte! Eine Wut über­kam mich auf diese ganze befrackte und orden­ge­schmückte Gesell­schaft deut­scher Ede­linge. Warum zog nicht auch ein­mal ein Sturm­ge­wit­ter über sie daher? So wie ich, auf die Land­straße gehetzt, an ande­rer Leute Türen anpo­chen zu müs­sen, ums Stück Brot zu erbet­teln – das wünschte ich ihnen aus gan­zer Seele.

 Harry Domela als »falscher Prinz« in Thüringen:

  1. »Inkognito« im Erfurter Hof
  2. Ein Prinz wird erkannt
  3. Zu Gast auf der Creuzburg
  4. Hochstapler wider Willen
  5. Abgesang mit Aplomb
  6. Im Kaisercafé
  7. Mit Graf Arno im »Weißen Schwan«
  8. Illustre Gäste im »Goldenen Adler«
  9. Weimarer Nachspiel
  10. Hinter den Kulissen einer Sensation
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