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Jens Kirsten
Nennen Sie mich einfach Prinz. Das Lebensabenteuer des Harry Domela, Weimar 2010.
Alsbald zieht das Trüppchen weiter in den »Goldenen Adler«. Als der Hofbäckermeister schließlich um ein königliches Autogramm zu bitten wagt, sieht Domela die Gelegenheit, dem aufgeblasenen Spießer einen gehörigen Denkzettel zu verabfolgen.
So, meine Herren, der Herr Hofbäckermeister Graf Arno Schlosser schuldet uns fünfunddreißig Flaschen Sekt. Ich habe sieben Worte geschrieben, à fünf Flaschen, macht zusammen fünfunddreißig Flaschen. Die Unterschrift ist gratis; die kann er mir gar nicht bezahlen.
Dem entsetzten Bäckermeister bricht der Schweiß aus. Doch nolens volens muß er wohl nun die ganze Zeche bezahlen und beginnt sich sinnlos zu betrinken, wobei er mit schaurigem Pathos Faust-Verse deklamiert. Zu jener Zeit scheint das Fieber der »Goldenen Bücher« allerorten zu grassieren. Selbst im »Goldenen Adler« wird es den illustren Gästen nun vorgelegt.
Als ich meinen Namen eingeschrieben hatte, setzte ich hinzu ›In fide robur!‹ So beantwortete ich dem Bäckermeister die Beteuerungen seiner unerschütterlichen Treue. Als der Bäckermeister sich eintragen wollte, sah er den lateinischen Spruch. Ehrfurchtsvoll hauchte er: ›Was ist das? Latein?‹ Dann setzte er weniger ehrfürchtig hinzu: ›Ach so! Kenne ich nicht. Habe ich nicht nötig.‹ Mit unnachahmlicher Geste nahm er jetzt feierlich den Federhalter in die Hand und schrieb mit allem Ernst die denkwürdigen Verse nieder:
Es gibt auf Erden ohne Zweifel
Auch heute noch so manchen Teufel,
Und wo ein solcher Teufel haust,
Da gibt es auch noch so manchen Faust.
Ilmathen, den 8. Dezember 1926
Ich traute aber meinen Augen kaum, als ich den Spruch zu lesen bekam, den sich die beiden Polizeibeamten leisteten: ›Treudeutsch zu sterben ist mein Leben!‹ Nun schlug doch alles hin. Für so gut dressiert hätte ich die Jungs denn doch nicht gehalten.
Domela schlüpft im Morgengrauen geräuschlos aus seiner Prinzenrolle und besteigt einen Zug, der ihn nach Süden bringt. In Koblenz meldet er sich zur Fremdenlegion, um seiner schier ausweglosen Situation zu entfliehen. Als er den Zug nach Frankreich besteigen will, wird er von der Kriminalpolizei verhaftet. Man hatte den frechen Hochstapler, der Deutschland zum Narren gehalten und die Ehre der Hohenzollern besudelt hatte, in den vergangenen Tagen fieberhaft im ganzen Reich gesucht. Seine Papiere lauten auf Josef Waletzki. Leider trägt er aber auch einen Brief in der Tasche, der »An Seine Prinzliche Hoheit« gerichtet ist.
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