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Carl Friedrich Ernst Frommann, ehemals ein Duzfreund Goethes, war inzwischen zehn Jahre tot und sein Sohn, Friedrich Johannes Frommann, hatte nicht nur das Geschäft, sondern auch das Renommee des ehrwürdigen Verlages geerbt. Es verstand sich also von selbst, dass Andersen als begnadeter, jedoch nicht minder ehrgeiziger Schriftsteller, einer Einladung in das pittoreske Städtchen an der Saale Folge leistete, wobei man ihm großzügig Unterkunft gewährte – zwar nicht mehr auf dem Anwesen am Fürstengraben, welches 1834 zu einer Knabenschule nebst Internat geworden war. Dafür aber mitten in der Stadt, unweit des altehrwürdigen Rathauses am Markt.
Nach dem Mittagessen mit Beaulieu, der ihn aus Weimar begleitete, und Andreas Ludwig Jacob Michelsen, dem Redakteur der »Neuen Allgemeinen Jenaer Literaturzeitung«, machen sich die drei Herren auf den Weg zu Caroline von Wolzogen, der Schwägerin Schillers, die Andersen mit kleinen Geschichten Anteil nehmen lässt an der engen Freundschaft, die sie mit dem Weimarer Dichter aufgrund gleicher literarischer Interessen verband. Damit brachte man eine Weile zu, gegen Abend jedoch müssen die Männer aufbrechen, denn man war noch zu einer Lesung geladen.
Abends bei Wolff, hier traf ich Hase, lässt Andersen sein Tagebuch am 7. Februar 1846 wissen. Dieser Eintrag zeigt sogleich den unernsten Charakter dieser Veranstaltung, die dem Dichter gänzlich missfallen zu haben scheint. Der Gastgeber, Oskar Ludwig Bernhard Wolff, hatte sich als gehobener Alleinunterhalter durchs Leben und halb Deutschland geschlagen. Dank einer Berufung als Professor der Neueren Literatur konnte er schließlich in Jena sesshaft werden. Der einstige Improvisator gab ein Gedicht aus seinem »Bacchus in Deutschland oder Der kranke Phöbus« zum Besten, einem »ganz modernen Epos«, wie der Titel weiter verrät. Lag es an der Wärme des mit Tabakrauch geschwängerten Raumes oder am emphatischen Vortragsstil des Verfassers, jedenfalls kam Andersen nicht umhin, seinem Ekel über des Dichters physische Präsenz zu äußern. Wolff verlas sein neuestes Gedicht über Bacchus und schwitzte häßlich notierte er in seinem Tagebuch; kein Wort über den Inhalt des ambitionierten Werkes, geschweige denn über dessen Qualität. Der Aufwartefrau bescheinigt er das Aussehen einer schlampige[n] Harfenspielerin. Gleichfalls schien ihn zu kränken, dass besagter Hase, gemeint ist Karl August (von) Hase, Theologieprofessor und späterer Geheimrat, noch vor 1 ½ Jahren nichts von ihm gewusst habe. Als dieser das leicht säuerlich werdende Gesicht Andersens bemerkt, setzt er beschwichtigend hinzu: Mittlerweile, sei das natürlich der Fall. Ernüchtert fährt Andersen zurück nach Weimar.
Foto 1, 2: Jan Borostowski-Trautmann
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