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Wie es in der Geschichte nicht selten vorkommt, geschehen mitunter Dinge, die nicht recht zusammen passen wollen. So wird dem Dänen Hans Christian Andersen im Januar 1848 das Ritterkreuz des weißen Falkenordens, Erster Klasse, durch Großherzog Carl Friedrich von Sachsen-Weimar-Eisenach verliehen. Der Ausgezeichnete ist zutiefst bewegt und weiß sich nun um ein sichtbares Band reicher, das ihn mit dem Heim verbindet, das Goethe, Schiller und die großen der deutschen Literatur das ihre nannten. Die sicherlich in Folge der Fürsprache Carl Alexanders zustande gekommene Auszeichnung geriet indes zu einer mehr als bitteren Veranstaltung für den Dichter. Jedwede Freude wich der Sorge um den Krieg zwischen Deutschland und Dänemark um die Zugehörigkeit von Schleswig und Holstein.
Den sensiblen Andersen beschäftigte diese Spannung zwischen den beiden heißgeliebten Völkern quälend. Zu allem Überfluss musste er noch erfahren, dass sein »theurer Erbgroßherzog« sich freiwillig an Unternehmungen innerhalb dieses Scharmützels beteiligte. Deshalb ist es ein anderer Andersen, der 1852 nach Ende des Krieges ein ebenfalls verändertes Weimar besucht. Das postalische Vorgeplänkel hatte sich höchst zwiespältig gestaltet. Marconnay, der Andersen stets mit tiefer Zuneigung bedacht hatte, zeigte nunmehr dem Dänen diplomatisch die kalte Schulter. Carl Alexander hingegen begegnete ihm in beinahe naiver, letztlich entwaffnender Unschuldigkeit und Andersen ließ sich beschwichtigen, sendete wenig später eine Büste seiner selbst, die der Landesohn in seinen geplanten Büstenraum auf Schloß Ettersburg stellen konnte.
In Weimar begegnete er jenem Manne, dessen Wirkung auf sein Publikum ihn schon seit ihrer ersten Begegnung im Jahre 1840 in Hamburg fasziniert hatte. Den »Dämonen« Franz Liszt, den er in seiner umtriebigsten Zeit erlebte, hatte es, nunmehr gebändigt durch sein weibliches Gegenstück, Carolyne zu Sayn-Wittgenstein, in ruhigere Gefilde gezogen. Weimar nutzte die Gunst der Stunde und bot dem genialen Musikus die Stelle eines Hofkapellmeisters an. Gern nahm er diese an, mehr noch, als es später darum ging, sich und seinem jungen Glück ein Zuhause zu geben. Zunächst war dieses Zuhause die Villa Altenburg an der Straße nach Jena. Ab 1869 wohnte er bei seinen Weimaraufenthalten in der ehemaligen Hofgärtnerei an der Marienstraße.
An jenem Maitag des Jahres 1852 saß man nach dem Mittagessen noch ein wenig beisammen, Andersen las vor und man ließ sich den Kaffee reichen. Entgegen der Étiquette rauchte die fremdländische Fürstin eine Zigarre und fragte Andersen, wahrscheinlich auf Grund seiner ostentativen Gelassenheit, ob [er] es nicht sonderbar fände, dergleichen bei einer Dame zu sehen. Wie so oft in seinen Aufzeichnungen, bleibt uns Andersen seine Antwort schuldig. Aber mit dem Eindruck, den diese beiden, vom Leben gezeichneten Feuergeister, auf ihn machen, hält er nicht hinterm Berg. [S]ie lodern und flammen, schreibt er am letzten Maientag des Jahres 1852 in sein Tagebuch, sie können einen augenblicklich erwärmen, doch nähern darf man sich ihnen nicht, da verbrennt man. Deutlich klingt Faszination und gleichzeitige Distanz zu jener Wesensart heraus, die Andersen in seinen Tiefen womöglich gleichfalls vorfand. Das Impulsive und Exaltierte jedoch war nicht das Seine, konnte und sollte es nicht sein. Ihm waren die Sympathien nicht zugeflogen wie dem begnadeten, besessenen und bis dato vom Glück gesegneten Virtuosen. Er, Hans Christian Andersen, hingegen hatte lange auf die Liebe hingearbeitet, bis sie ihm allerorten wiederfuhr. Deshalb besah er sich jene Feuerwesen von Ferne, wo sie ihm nichts anhaben konnten. Für ihn stand weitaus mehr auf dem Spiel, als für sie.
Foto 1: Jan Borostowski-Trautmann / Foto 2: Jens Kirsten
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