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Von Goethes Tod bis zur Novemberrevolution
Annette Seemann
Die Exkursion entstand im Rahmen eines Projekts der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.
Von Oktober 1879 lebte hier die Familie Reuter für ein Jahr, den Umzug konnte Gabriele bereits von ihren Honoraren für die Magdeburger Zeitung und andere Journale bezahlen. Das Haus existiert heute nicht mehr, das Grundstück ist heute eine Brache über der Stadtmauer, direkt neben dem Garten des Kirms-Krackow-Hauses. Von oben her durch die Jakobsstraße kommend ist es das an das Elternhaus von Christiane Vulpius östlich angrenzende Grundstück. In der Autobiographie beschreibt Reuter die Wohnung so: Wir fanden eine Wohnung, die nur wenig teurer war als die bis jetzt inne gehabte, allerdings bedeutend enger. Auch ein Gärtchen war dabei, romantisch auf der alten Stadtmauer hängend, eigentlich war es aber nur ein erbärmliches Schattenfleckchen.
Gabriele litt jedoch gesundheitlich unter dem Klima in dem extrem feuchten Haus. Zum Glück lebte sie tags zumeist in der Welt ihres Onkels Hermann Behmer, betreute da die Kinder und widmete sich weiter ihrer Traumliebe zu Schennis.
In demselben Sommer [1879, A.S.] feierte der junge Maler Hoffmann von Fallersleben, der Sohn des Dichters, der in Behmers Haus auf dem Kasernenberg gewohnt hatte, seine Hochzeit mit der Tochter unserer Hauswirtin. Das hängende Gärtchen auf der Stadtmauer war von Lampions beleuchtet, alle Stuben wurden von Helene Böhlau, einer Freundin der Braut, phantastisch mit großen Sonnenblumenstengeln und einem wirren Gerank von Kapuzinerblüten geschmückt. Unter dem Kronleuchter stand Walther Vulpius, der Urgroßneffe Goethes. Seine hochgewölbten Brauen, die schön geschnittenen dunklen Augen und das Profil zeigte augenfällige Ähnlichkeit zu dem großen Ohm und man war geneigt, eine geheime Blutsverwandtschaft zu vermuten. Er deklamierte mit tönender Stimme etwas Selbstgedichtetes, das der Blutsverwandtschaft weniger entsprach. – Als der Abend weiter vorschritt, klang Männergesang von der Straße herauf. Ein Gesangverein hatte von der Hochzeit des Sohnes seines verehrten Dichters gehört und stimmte ihm zu Ehren Hoffmann von Fallerlebens Lieder an und sein ›Deutschland, Deutschland über alles.‹ Es war ein Abend voll echten idyllischen Weimarzaubers.
Abb.: Foto: Jens Kirsten.
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