Personen
Anna Amalia v. Sachsen-Weimar-Eisenach
Ort
Thema
Literarisches Thüringen um 1800
Jens-Fietje Dwars, Ulrich Kaufmann
Die Exkursion entstand im Rahmen eines Projekts der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.
Richard Alewyn schrieb 1949: »Zwischen uns und Weimar liegt Buchenwald«, als Mahnung, dass es kein einfaches Zurück, kein einfaches Wiederanknüpfen an die Klassik geben kann, ohne zugleich die Barbarei zu bedenken, die von Deutschland ausgegangen ist.
Im Programmheft zum Kulturstadtjahr Weimar 1999 drohte die Warnung sich ins Gegenteil zu verkehren: »Stellen Sie sich vor, Goethe wäre in Frankfurt geblieben … Was wäre dann Weimar? Gewiß kein Mythos und wahrscheinlich kein Ort, in dem so viel Großes aus – und so Schändliches angerichtet worden wäre.«
Als sei das KZ Buchenwald eine Folge von Goethes Umzug an die Ilm. Das war genauso ein Unsinn wie das Unternehmen, »Scouts« Sichtachsen zwischen dem Ettersberg und der Klassikerstadt freischlagen zu lassen, um vom »Planet Buchenwald« in den »Deep Space Weimar« vorzudringen.
Solche Anbiederung an den Jugendslang vermag vor allem eines nicht: den wirklichen, inneren Zusammenhang von Hochkultur und Barbarei in den Blick zu nehmen, geschweige, ihn zu ergründen. Warum konnte aus dem Land der Dichter und Denker eines der Richter und Henker werden? Ist die Nähe des KZ zur Klassikerstadt nur Zufall – oder tritt in ihr eine Schattenseite zutage, die sich im idyllischen Weimar selbst verbirgt?
Das Klassikernest war ja nicht bloß ein Idyll – es zog große Geister von 1775 bis 1820 an, aber es hat von Anbeginn auch Andersdenkende und-fühlende vertrieben oder nicht gehalten, weil sie offenbar nicht zum Geist dieser Stadt passten.
Folgen wir deren Spuren – um etwas von dem anderen Weimar zur Sprache zu bringen und zu begreifen, warum an diesem Ort die deutsche Geschichte einen so fatalen Lauf nahm.
Der Treffpunkt ist dafür ideal, weil er beides auf einen Blick bietet: Das Hotel, vor dem in den 1930er Jahren Tausende Weimarer standen und riefen: »Lieber Führer komm heraus aus dem Elephanten-Haus!« – und der altehrwürdige Markt mit dem Cranach-Haus, das an die Anfänge der Blüte Weimars als Residenzstadt erinnert.
Als Kurfürst Johann Friedrich I. (1503–1554) im Schmalkaldischen Krieg 1547 die Kurwürde und Wittenberg verlor, verlegte er seine Residenz nach Weimar, während er in Jena 1548 eine »Hohe Schule« gründen ließ, die neun Jahre später vom Kaiser als Universität anerkannt und 1558 feierlich eröffnet wurde.
Fortan gehörten Jena und Weimar zusammen, bildeten, wie Goethe es nannte, eine Doppel-stadt, mit freilich deutlich geschiedenen Enden oder Polen, die auch im literarischen Leben zutage traten: Weimar war die Residenz, eine der kleinsten und ärmsten in Deutschland, ein Dorf mit 6.000 Einwohnern, die vom Ackerbau oder vom Hof lebten. Doch ein Hof, der schon mit der Cranach-Werkstatt seinen Kunstsinn betonte.
Herzogin Dorothea Maria (1574–1617) schuf als Witwe die Tradition des Musenhofes. Als sie starb, gründeten die sächsischen Fürsten auf der Wilhelmsburg die Fruchtbringende Gesellschaft, die erste Vereinigung Deutschlands, die sich die Pflege der deutschen Sprache und Literatur auf die Fahnen schrieb. Ein Jahrhundert später berief Anna Amalia die Schriftsteller Wieland und Knebel als Erzieher ihrer Söhne, die wiederum zogen Goethe an, dem Herder und Lenz folgten.
Und da bekommt die schöne Geschichte ihren ersten Riss: Mit Lenz.
Abb. 1: Montage von Jens-Fietje Dwars / Abb. 2: Ansichtskarte, um 1940 / Abb. 3: Foto: Jens-Fietje Dwars.
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