Das Schloss in Wiesen – Der Balladendichter Börries Freiherr von Münchhausen in Windischleuba
1 : Windischleuba als literarische Landschaft

Person

Börries Freiherr von Münchhausen

Ort

Windischleuba

Themen

Weimarer Republik

Thüringen im Nationalsozialismus

Autor

Ulrich Kaufmann

Dichters Worte - Dichters Orte: Von Goethe bis Gerlach. 30 Versuche, Glaux-Verlag, Jena 2007.

Bör­ries Frei­herr von Münch­hau­sen (Pseud­onym H. Albrecht) wurde am 20. März 1874 in Hil­des­heim als ers­ter Sohn eines nie­der­säch­si­schen Kam­mer­her­ren gebo­ren. Seine Jugend ver­brachte er auf den väter­li­chen Gütern bei Göt­tin­gen, Han­no­ver sowie bereits im Alten­bur­gi­schen, wo er zwi­schen 1888 und 1889 ein Gym­na­sium besuchte. In Hei­del­berg, Ber­lin, Mün­chen und Göt­tin­gen stu­dierte er von 1895–1899 Rechts- und Staats­wis­sen­schaft, spä­ter auch Phi­lo­so­phie, Lite­ra­tur­ge­schichte und Natur­wis­sen­schaf­ten. 1899 wurde er zum Dok­tor bei­der Rechte promoviert.

Bereits mit neun Jah­ren begann Münch­hau­sen zu dich­ten. Er trat seit 1896 als Lyri­ker, Erzäh­ler, Essay­ist und Her­aus­ge­ber her­vor. Zur Jahr­hun­dert­wende galt Münch­hau­sen als Erneue­rer der deut­schen Bal­lade. Die zeit­ge­nös­si­sche Kri­tik lobte seine for­male Vir­tuo­si­tät, sei­nen Sinn für Klang­wir­kun­gen, die Musi­ka­li­tät sei­ner Spra­che, kurzum sein hand­werk­li­ches Kön­nen. Gemein­sam mit Agnes Mie­gel und Lulu von Strauß und Tor­ney, als deren Ent­de­cker Münch­hau­sen gilt, bil­dete er den Göt­tin­ger Bal­la­den­kreis. Zwi­schen 1898 und 1923 gab er mehr­fach den »Göt­tin­ger Musen­al­ma­nach« her­aus. Die Bal­lade war ihm »Anfang und Ende der lyri­schen Kunst«, eine »könig­li­che Dichtung«.

Den Ers­ten Welt­krieg erlebte Münch­hau­sen als Ritt­meis­ter. Obwohl er kaum über Aus­lands­er­fah­rung ver­fügte und auch keine Fremd­spra­chen beherrschte, war er seit 1916 im Aus­wär­ti­gen Amt tätig. Der Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­ler Wer­ner Mit­ten­zwei sprach 1992 in einem Essay davon, dass sich Bör­ries von Münch­hau­sen nach dem Ers­ten Welt­krieg, somit als Mitt­vier­zi­ger, gewis­ser­ma­ßen auf das »lite­ra­ri­sche Alten­teil« gesetzt sah und zu jener Zeit sein »per­sön­li­ches Ver­sailles« durch­lebte. Am wenigs­ten ließe sich dies an den Auf­la­gen­hö­hen sei­ner Bücher zei­gen. Die schmale Lyrik­aus­wahl »Bee­ren-Aus­lese« etwa erreichte 1920 das 71. Tau­send, 1937 hatte sich die Zahl der gedruck­ten Exem­plare die­ses Bänd­chens knapp ver­dop­pelt. Vor allem Gym­na­si­as­ten, Stu­den­ten, Offi­ziere, Land­räte, Ärzte und Rich­ter waren treue Leser sei­ner viel­fach ver­ton­ten, mit­un­ter auch def­ti­gen Bal­la­den und Lieder.

Das Schloss Win­disch­leuba mit sei­nem schö­nen klei­nen Park im Tal der Pleiße wurde für Münch­hau­sen zu sei­ner spä­ten lite­ra­ri­schen Land­schaft. Die lyri­schen Texte, wel­che er bereits 1921 in dem Band »Schloß in Wie­sen« sowie in den »Lieder(n) um Win­disch­leuba« (1929) zusam­men­stellte, bele­gen dies.

Als Bal­la­den­dich­ter knüpfte Münch­hau­sen weni­ger an die Tra­di­tio­nen der Volks­bal­lade eines Fon­tane oder Lili­en­cron an, son­dern er sah seine lite­ra­ri­schen Leit­bil­der eher in Felix Dahn und dem Gra­fen Moritz von Strach­witz. Sein Schaf­fens­pro­blem war es, dass er die her­an­ge­reif­ten Kon­flikte im Deutsch­land der Nach­kriegs­zeit nicht zum Gegen­stand sei­ner Dich­tung machte. Er suchte seine Stoffe nicht sel­ten in längst ver­gan­ge­nen Zei­ten, griff immer wie­der auf Sagen und Mythen zurück. Das Geschichts­bild Münch­hau­sens kann man nur kon­ser­va­tiv-ana­chro­nis­tisch nen­nen. Oft schlug er natio­na­lis­ti­sche Töne an, glo­ri­fi­zierte rit­ter­li­ches Hel­den­tum und ver­tei­digte andere über­holte Werte. In der »Mauer-Bal­lade« erklärt er den Adel zum mora­li­schen Sie­ger der Fran­zö­si­schen Revo­lu­tion, in dem bal­la­des­ken Gedicht »Der Mar­schall« ruft er zu unbe­ding­ter Königs­treue auf usw… In eini­gen Schul­le­se­bü­chern der DDR sowie im »Gro­ßen Bal­la­den­buch« (des Ver­lags Neues Leben, 1965) stand, fast wie ein Fremd­kör­per, Münch­hau­sens Text »Bau­ern­auf­stand« von 1899. Der Dich­ter mythi­siert hier die Bau­ern­er­he­bung, die »tau­send­jäh­rige Bau­ern­kraft«, zu einer Art Got­tes­ge­richt für die untüch­tig gewor­dene Rit­ter­schaft. Es ist bei Kennt­nis der Bio­gra­fie Münch­hau­sens nach­voll­zieh­bar, dass die Sorge des Dich­ters der Rit­ter­schaft gilt, nicht aber den geschun­de­nen Bau­ern. Im »Dich­ter­haus« Win­disch­leuba hat die­ses, auch ver­tonte Gedicht an einer Wand des Essen­saals einen Ehren­platz erhal­ten. Der Text ist auf einer Leder­haut eines erleg­ten Wild­schweins zu lesen

Mit Unver­ständ­nis reagierte Münch­hau­sen bereits auf den Natu­ra­lis­mus (etwa eines Ger­hart Haupt­mann), mit Abscheu immer wie­der auf die Moderne. »…nichts ist mir fata­ler als Klein­leu­te­ge­ruch, Arme­leu­te­ma­le­rei, schle­si­sche Wasch­wei­ber­spra­che, all das heiße Bemü­hen, mit sub­ti­len Mit­teln die Spra­che und Sprach­ge­wohn­hei­ten der Ple­be­jer nach­zu­ah­men. Mich inter­es­siert der dritte und vierte Stand nur sozial, nicht künst­le­risch.« (1906/1907)

 Das Schloss in Wiesen – Der Balladendichter Börries Freiherr von Münchhausen in Windischleuba:

  1. Windischleuba als literarische Landschaft
  2. Die Idee einer »Deutschen Dichterakademie«
  3. Der Dichter im »Dritten Reich«
Diesen Artikel teilen:

Literaturland Thüringen‹ ist eine gemeinsame Initiative von
Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen · Thüringer Literaturrat e. V. · MDR-Figaro · MDR Thüringen – Das Radio

Gestaltung und Umsetzung XPDT : Marken & Kommunikation © 2011-2024 [XPDT.DE]
© Thüringer Literaturrat e.V. [http://www.thueringer-literaturrat.de]

URL dieser Seite: [https://www.literaturland-thueringen.de/artikel/das-schloss-in-wiesen-der-balladendichter-boerries-freiherr-von-muenchhausen-in-windischleuba/windischleuba-als-literarische-landschaft/]