Bad Liebenstein

»Her­zog Georg … legte die­sen Bade­ort in sei­ner jet­zi­gen rei­zen­den Gestalt an und erschuf aus ihm und dem nahe­ge­le­ge­nen her­zog­li­chen Som­mer­schlosse Alten­stein eine neue para­die­si­sche Gegend, die auch schon an eige­nem Natur­reich­tum alle deut­schen Bäder über­trifft.« (Johann Ernst Wag­ner, 1805)

Schon 1601 drang die »Kunde von der son­der­ba­ren Wir­kung des Brun­nens« in Lie­ben­stein zu Her­zog Johann Casi­mir. In des­sen Auf­trag ver­fasste Andreas Liba­vius 1610 eine der ers­ten Brun­nen­schrif­ten in deut­scher Spra­che, den »Trac­ta­tus Medi­cus und His­to­ria des für­treff­li­chen kasi­mi­ra­ri­schen sawer­brun­nens unter Liebenstein«.

Der Kur­ort Bad Lie­ben­stein ent­stand 1801 als Mode­bad auf Wei­sung Georgs I. von Sach­sen-Mei­nin­gen aus den Dör­fern Grum­bach und Sauer­born und wurde nach der ober­halb lie­gen­den Burg­ruine benannt. Lud­wig Bech­stein schrieb über Bad Lie­ben­stein: »Freund­lich liegt Lie­ben­stein am Fuß sei­nes bewal­de­ten Rui­nen­ber­ges.« Im in die­ser Zeit ent­stan­de­nen Kur­thea­ter in der Her­zog-Georg-Straße gab der junge Schau­spie­ler Josef Kainz (1858–1910), der zum bedeu­tends­ten Thea­ter­schau­spie­ler sei­ner Zeit auf­stei­gen sollte, sein Bühnendebüt.

Der Hin­ter­grund in Johann Ernst Wag­ners Brief­ro­man »Rei­sen aus der Fremde in die Hei­math« (1805) ist der Lie­ben­stei­ner Kur­be­trieb: »Es gibt eigent­lich in der Regel nichts Lang­wei­li­ge­res als die gewöhn­li­chen Brunn­gäste … gäh­nend ver­las­sen sie das wei­che Bett der Faul­heit, um sich wie­der auf die harte Bank der Lan­ge­weile zu set­zen. Kei­ner mag den Nächs­ten erhei­tern; jeder will nur erhei­tert sein, und oben­drein nur gelind, kos­ten­frei und, wo mög­lich, nicht zu Fuß.«

In Jean Pauls Roman »Dr. Kat­zen­ber­gers Bade­reise« (1808), neben dem »Wutz« heute sein bekann­tes­tes Werk, spie­gelt sich eben­falls der frühe Kur­be­trieb von Jean Paul spöt­tisch »Bad Maul­bronn« genannt. Dort­hin reist der Titel­held mit sei­ner Toch­ter Theoda, um einen bös­ar­ti­gen Rezen­sen­ten sei­ner Bücher zu züch­ti­gen. Mit bei­den unter­wegs ist inko­gnito der Dich­ter Theu­do­bach, der sich in die Toch­ter ver­liebt, doch abge­wie­sen wird. In die­sen ist August von Kot­ze­bue zu erken­nen, der tat­säch­lich in Lie­ben­stein gek­urt hat. »Was den Roman über die Tri­via­li­tät sei­ner Fabel erhebt, sind die Cha­rak­tere sei­ner bei­den Wider­sa­cher: des Arz­tes und des Dich­ters«, schreibt Gün­ter de Bruyn in sei­ner Jean-Paul-Bio­gra­fie 1975)

Das erste Rei­se­buch über Lie­ben­stein ver­fasste Fried­rich Mosen­geil 1815 mit »Das Bad Lie­ben­stein und seine Umge­bun­gen«. Ihm folgte Lud­wig Bech­stein mit »Lie­ben­stein und Alten­stein. Ein Frem­den­füh­rer« im Jahr 1842. Bech­stein hielt sich fast jeden Som­mer als Beglei­ter des Mei­nin­ger Hof­staa­tes in Lie­ben­stein auf. »… dem mit Sinn für ihre rei­nen Freu­den begab­ten Gesun­den erfül­len diese Gefilde mit Ent­zü­cken, dem Kran­ken fächeln sie im bal­sa­misch-kräf­ti­gen­den Wehen der Wald­luft, Hoff­nung, Stär­kung und Gene­sung zu.«

Unter den ers­ten Gäs­ten des Mode­ba­des waren Char­lotte von Stein 1801, J. E. Wag­ner 1805 und 1808, Johanna Scho­pen­hauer 1806 und Jean Paul 1807. Spä­te­rer  För­de­rer das Bades war Georg II., der sich die Villa »Feo­dora«, 1860–62 ent­stan­den und benannt nach sei­ner 2. Gemah­lin, heute Restau­rant ober­halb des Kur­hau­ses, als Som­mer­sitz erbauen ließ. Am 18. 3. 1873 hei­ra­tete er hier die Schau­spie­le­rin Ellen Franz. Der Pfar­rer kam aus dem nahen Schweina. Noch immer beein­dru­cken in der Villa die nach Ent­wür­fen von Lud­wig Rich­ter (1803–84) geschaf­fe­nen Wand­ge­mälde. Der Her­zog bewohnte das Haus bis 1888; danach stand ihm das unweit gele­gene Schloss Alten­stein unein­ge­schränkt zur Ver­fü­gung. Im Som­mer 1876 traf sich der Her­zog in der Villa »Feo­dora« erst­mals mit Hen­rik Ibsen, als die­ser in Gast in Mei­nin­gen war.

Unter der Ägide Her­zog Georgs erhol­ten sich in Lie­ben­stein August Varn­ha­gen von Ense, Fritz Reu­ter, Ger­hart Haupt­mann, Ernst Haeckel, Hen­rik Ibsen und Harry Graf Kessler .

In der Besat­zungs- und frü­hen DDR-Zeit kam jeden Som­mer der kom­mu­nis­ti­sche Lie­der­dich­ter (»Brü­der, seht die rote Fahne«, 1924) und Publi­zist Edwin Hoernle (1883–1952) von Berlin/Ost nach Lie­ben­stein. Am 21. 7. 52 starb er hier. Unauf­fäl­lig lebte von Kriegs­ende bis zu sei­nem Tod Hein­rich Kur­s­chat (1912–2007) in Lie­ben­stein. Kaum einer wusste, dass der blinde Mas­seur ein enger Ver­wand­ter der bedeu­ten­den litaui­schen Schrift­stel­le­rin Iewa Simo­nai­tyte (1897–1978) war, Zeug­nisse aus deren Leben sam­melte und diese dem Simo­nai­tyte-Museum in Prökuls/Priekulé zur Ver­fü­gung stellte, wo heute auch ein Teil sei­nes eige­nen Nach­las­ses aus­ge­stellt ist.

Von Bad Lie­ben­stein aus führt der Weg über Stein­bach unter­halb des Mühl­bergs­kop­fes in den Luther­grund, wo am  4. 5. 1521, auf der Rück­reise vom Worm­ser Reichs­tag, Mar­tin Luther gefan­gen genom­men und über Umwege auf die Wart­burg ver­bracht wurde. Georg Spa­la­tin hatte den hoch gefähr­de­ten Luther schon in Worms über das Vor­ha­ben Fried­richs des Wei­sen infor­miert. Am 28. April 1521 schrieb Luther an Lucas Cra­nach: »Ich lass mich ein­tun und ver­ber­gen, weiß selbst noch nicht wo … Es muss eine Zeit geschwie­gen und gelit­ten sein. Ein wenig, so seht ihr mich nicht, sprach Chris­tus.« An der Stelle, wo Luther Rit­ter­klei­der ange­legt wur­den, steht ein 1857 errich­te­ter sie­ben Meter hoher Luther-Gedenk­stein. Eine Inschrift ver­weist am benach­bar­ten »Luther­born« auf das Ereig­nis. In der Nähe von Stein­bach bis hin zum Insels­berg gru­ben im 16. Jahr­hun­dert Ita­lie­ner, genannt Vene­di­ger, nach Erzen. Ihre Tätig­keit gab reich­lich Anlass für das Erzäh­len von unheim­li­chen Geschich­ten, so über den Gold­born von Bei­rode oder die Schätze am Esels­kopf. Lud­wig Wucke aus Bad Sal­zun­gen hat diese Vene­di­ger-Sagen aufgeschrieben.

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