Horst Wiegand – »Winterreise und andere Gedichte« und Olaf Weber – »Ein Veilchen, Schulter an Schulter«

Personen

Olaf Weber

Horst Wiegand

Jens-Fietje Dwars

Orte

Steinheid

Weimar

Thema

Gelesen & Wiedergelesen

Autor

Jens-F. Dwars

Erstdruck in: Palmbaum 2/2021. Alle Rechte beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Jens‑F. Dwars

Neues aus der Edi­tion Muschelkalk

 

Begrün­det von Wulf Kirs­ten ist die Edi­tion Muschel­kalk auf über 50 Bände ange­wach­sen. 1935 in Stein­heid am Renn­weg gebo­ren, gehörte der Musik­päd­agoge, Tanz­re­pe­ti­tor, Ora­to­ri­en­sän­ger und Kom­po­nist Horst Wie­gand schon seit Jah­ren zu denen, deren Werk mit einem Heft der Edi­tion zu ehren wäre.

Nun end­lich erscheint eine Aus­wahl sei­ner Gedichte in Band 52. Sie alle kenn­zeich­net der Ver­such des Autors, die Musi­ka­li­tät der Spra­che durch Kon­zen­tra­tion auf den Klang der Worte zu ver­dich­ten. Das gelingt nicht immer. Man­ches Natur­bild bleibt im Beschrei­ben­den. Weg­los etwa, das einer Auf­zäh­lung gleicht: »Der Tag / auf der nas­sen / Erd­haut / am Zaun / der ver­trock­nete / Strauch // Im Stall kin Esel / müde kräht /der Hahn«. Doch dann glückt der Sprung ins Poe­ti­sche: »Der Berg / eine graue Katze / die schläft«.

In der zwei­ten Hälfte fin­den sich die gelun­ge­nen, die blei­ben­den Gedichte: »Mit dir // Win­ter­wei­ßes Haar / fal­tig die Hände / ihre Wärme / unse­res Lebens / Som­mer« Oder die laut­ma­le­ri­sche »Holz­ma­schine // Gefrä­ßig / schnau­bend / schlägt sie / Schnei­sen / und Schram­men / bricht / in den Him­mel / des Wal­des // Der Berg / erschüt­tert / Selbst die Steine stöhnen«

Sind diese Gedichte bei all ihrer Karg­heit noch dem Echo der Roman­tik, einer Schule der Emp­fin­dun­gen ver­pflich­tet, so bre­chen die Verse von Olaf Weber bewusst mit die­ser Tra­di­tion. Der Archi­tek­tur­theo­re­ti­ker, 1943 in Dres­den gebo­ren, seit 1993 Pro­fes­sor für Ästhe­tik an der Bau­haus­uni­ver­si­tät Wei­mar, spielt im Geist von Dada mit den über­kom­me­nen For­men und Inhal­ten der Lyrik.

Sein Credo: »Die mensch­ge­machte Welt ist absurd. Kunst muss gegen­über die­sem Zustand schö­ner und absur­der absurd sein, um Kunst zu werden.«

Weber ver­sucht dies ein­zu­lö­sen, indem er mit gewohn­ten Regeln und den ent­spre­chen­den Erwar­tun­gen der Leser bricht: »Es ste­hen zu Berge Spi­ra­len / Das Ende des Kop­fes an sei­nem Qua­drat / Ein Gras­büsch schaut beim Trin­ken auf« heißt es exem­pla­risch in Geschichte aus uraltem Dada.

Das ver­hin­dert nicht, dass sich ver­ein­zelt doch der gute alte Sinn ein­schleicht, der auch die Sinne erfreut: »Auf Was­ser schrei­ben wir krasse Pam­phlete« oder »Am Strand aber mar­schiert die volle Idylle« oder »Es fehlte die Liebe am offe­nen Her­zen« … Ver­rät sich in sol­chen Ver­sen nicht doch die Sehn­sucht nach wah­ren, unver­fälsch­ten Empfindungen?

Die klas­sisch dada­is­ti­sche Lyrik von Schwit­ters bis Hus­sel hat den Sinn und das Sinn­li­che als Mate­rial mit spie­le­ri­scher Leich­tig­keit über sich hin­aus­ge­trie­ben. Ganz so leicht macht es uns Olaf Weber nicht.

 

  • Horst Wie­gand: Win­ter­reise und andere Gedichte, Edi­tion Muschel­kalk der Lite­ra­ri­schen Gesell­schaft Thü­rin­gen e.V., hrsg. von André Schin­kel, Bd. 52, Wart­burg Ver­lag in der Evan­ge­li­schen Ver­lags­an­stalt, Leip­zig 2021, 108 S., 14 EUR.
  • Olaf Weber: Ein Veil­chen, Schul­ter an Schul­ter. 3 x 21 Gedichte und ein Appen­dix, Edi­tion Muschel­kalk der Lite­ra­ri­schen Gesell­schaft Thü­rin­gen e.V., hrsg. von André Schin­kel, Bd. 53, Wart­burg Ver­lag in der Evan­ge­li­schen Ver­lags­an­stalt, Leip­zig 2021, 88 S.. 14 EUR.
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