Personen
Anna Amalia v. Sachsen-Weimar-Eisenach
Ort
Thema
Literarisches Thüringen um 1800
Gerhard R. Kaiser
Thüringer Literaturrat e.V. / Alle Rechte beim Autor. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Für die Inschrift auf dem Kenotaph für Constantin, Carl Augusts jüngeren Bruder, der im September 1793 im Feldlager bei Saarbrücken an der Ruhr gestorben war, hatte Knebel Anna Amalia zwei Vorschläge – es handelte sich wiederum um Distichen – gemacht:
In dem Thale, wo du den Lenz der Jahre genossest,
Bleib’, o seliger Geist, liebend den Deinigen nah.
Und:
Welle folget der Welle und klagt dem freundlichen Ufer,
Und so klaget mein herz [!] auch dem Geliebteren nach.
Ach, frühzeitig riss ihn hinab die Woge des Schicksals,
Und mein Leid blieb mir hier bey den Schatten zurück.
Anna Amalia erschien der kürzere Text, der die Trauer der Zurückgebliebenen ganz in den Hintergrund treten lässt, »passender für den Verstorbenen und Hinterlassenen zu sein, und auch einfacher«. Doch dann folgte sie dem Vorschlag Goethes, den sie wegen einer Inschrift nicht hatte fragen wollen, weil er sich nicht mehr mit solchen Sachen abgeben zu wollen scheint, sei es, weil dieser von sich aus die Initiative ergriffen, sei es, dass sie ihre ursprüngliche Scheu aufgegeben hatte. Die nun auf der Vorderseite und den Schmalseiten des Kenotaphs zu lesenden Worte sind ähnlich lakonisch wie die auf dem Leopold-Denkmal gehalten. Zwar werden, unterstützt durch Flachreliefs mit Helm und Lyra, durch die Angaben
IM ZWEITEN
JAHRE DES UNSELIGEN KRIEGES
DER AUCH IHN HINWEGNAHM
und
DEN GEBILDETEN JÜNGLING
DEN WERDENDEN MANN
ENTRIS DIE PARZE
in knappster Form die Umstände des Todes und die musischen Neigungen des Verstorbenen angesprochen. Auch verleiht die mit zwei fackelhaltenden Eroten gerahmte Inschrift auf der Vorderseite des Kenotaphs –
IHREM
ZWEYTEN UND LETZTEN
ZU FRÜH ABGESCHIEDENEN
SOHN
CONSTANTIN
TRAUERND
AMALIE
– mit der steigernden Aufzählung in der zweiten und dritten Zeile, dem Partizip Präsens der vorletzten um dem im Vergleich zu »[Anna] Amalia« um eine Nuance intimeren »Amalie« ebenso wie die Worte vom »gebildeten Jüngling« / »werdenden Mann«, die den frühen Tod eines noch nicht zur Reife Gekommenen ansprechen, stärker der Trauer um den Verstorbenen Ausdruck. Doch wird der hier hervortretende persönliche Aspekt des ›unseligen Krieges‹, der das individuelle Schicksal in den Zusammenhang des ersten Koalitionskrieges gegen das revolutionäre Frankreich stellt und durch die mythologische Rede von der »Parze«, die Constantin »entris«, ein Gegengewicht geschaffen. Dass Anna Amalia sich zunächst für die kürzere – die »einfacher[e]« – der von Knebel vorgeschlagenen Inschriften und dann für die Goethesche entschied, ist einem sprachästhetischen Willen geschuldet, der noch den existentiellsten Schmerz nur zurückhaltend – epigrammatisch-lakonisch, gedämpft, historisch oder mythologisch allgemeiner bezogen – laut werden lässt und ihm dadurch stärker Ausdruck verleiht als es wohlfeile empfindsame Reime oder auch die eigene Trauer in den Vordergrund stellende Distichen vermöchten.
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