Tiefurt – Ein literarischer Spaziergang durch den Park
3 : Denkmal für den Prinzen Leopold von Braunschweig

Personen

Anna Amalia v. Sachsen-Weimar-Eisenach

Johann Wolfgang von Goethe

Johann Gottfried Herder

Ort

Schloß und Park Tiefurt

Thema

Literarisches Thüringen um 1800

Autor

Gerhard R. Kaiser

Thüringer Literaturrat e.V. / Alle Rechte beim Autor. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Das Leo­pold-Monu­ment (1786) gilt dem Bru­der Anna Ama­lias, der Con­stan­tin-Keno­taph (1795) dem jün­ge­ren der bei­den Söhne der Her­zo­gin, der Tie­furt in den Jah­ren von 1776 bis 1781 bewohnt hatte. Mozart hielt sich zwar nie an der Ilm auf, doch war er der viel­ge­spielte Lieb­lings­kom­po­nist der Wei­ma­rer; Goe­the, der den Sie­ben­jäh­ri­gen in Frank­furt erlebt hatte, dachte an eine Fort­set­zung der »Zau­ber­flöte«, in der Trau­er­feier für Schil­ler erklang das »Requiem«. Auch zu Ver­gil bestand ein über die all­ge­meine zeit­ge­nös­si­sche Wert­schät­zung hin­aus­ge­hen­der Bezug, hatte er Kne­bel doch, der sich auch als  Über­set­zer der Geor­gica ver­suchte, als maß­geb­li­che antike Ori­en­tie­rung bei der Umge­stal­tung Tie­furts in ein zeit­ge­nös­si­sches Arka­dien gedient, zu dem auch land­wirt­schaft­li­che Tätig­kei­ten wie Bie­nen­zucht und Wein­bau gehör­ten. Sollte das Amor-Denk­mal tat­säch­lich Corona Schrö­ter gewid­met gewe­sen sein, so läge der per­sön­li­che Bezug auf der Hand; auch an die von Carl August mit gro­ßer Härte ver­hin­derte Ver­bin­dung sei­nes lange Jahre in Tie­furt leben­den Bru­ders Con­stan­tin mit der gelieb­ten Caro­line von Ilten wäre im Übri­gen zu den­ken. Nicht per­sön­li­cher als die Sei­fers­dor­fer Inschrif­ten, doch spe­zi­fi­scher auf die ört­li­chen Tie­fur­ter Gege­ben­hei­ten – den »genius huius loci« – bezo­gen sind schließ­lich auch die Mat­t­his­son­sche Oden-Stro­phe, die den frü­he­ren Park­ein­gang in der Nähe der Ilm geschmückt haben soll (frü­hes­tens 1792), und das Kne­bel bzw. Goe­the zuge­schrie­bene Disti­chon auf einem unschein­ba­ren Stein im süd­li­chen obe­ren Loh­hölz­chen (vor 1781 [?]).

Im Ver­gleich mit den von dem Gar­ten­theo­re­ti­ker Hirsch­feld vor­ge­schla­ge­nen und den in Sei­fers­dorf rea­li­sier­ten Inschrif­ten sind die Tie­fur­ter bewusst knapp gehal­ten. Damit wurde in Abwen­dung von baro­ckem und ana­kre­on­ti­schem Wort­reich­tum die Tra­di­tion anti­ker Epi­gra­phik fort­ge­führt und dem in der Regel begrenz­ten Raum Rech­nung getra­gen, der weit­schwei­fi­gen Ver­sen ent­ge­gen­stand. Zugleich han­delte es sich aber um eine sehr bewusste Wahl, die in der epi­gra­phi­schen, gege­be­nen­falls epi­gram­ma­ti­schen Kürze bewusst ein lako­ni­sches Gegen­ge­wicht zum akzen­tu­iert per­sön­li­chen Bezug der Denk­mä­ler suchte.

Goe­the hatte für das Leo­pold-Denk­mal drei Disti­chen vor­ge­schla­gen, die dar­auf Bezug neh­men, dass der Betrau­erte beim Ver­such, durch Hoch­was­ser Gefähr­dete zu ret­ten, ertrun­ken war, was sei­ner­zeit als Aus­druck der ganz unge­wöhn­li­chen Huma­ni­tät eines Herr­schers gro­ßes Auf­se­hen erregt und Cho­do­wiecki zu einem eige­nen Blatt, Her­zog Leo­pold von Braun­schweig geht sei­nem Tode in der Oder ent­ge­gen, ver­an­lasst hatte:

Dich ergriff mit Gewalt der alte Herr­scher des Flusses
hält dich und teilet mit dir ewig sein strö­men­des Reich.
Ruhig schlum­merst du nun beim stil­le­ren Rau­schen der Urne,
bis dich stür­mende Flut wie­der zu Taten erweckt.
Sei dann hül­f­reich dem Volke, wie Du es Sterb­li­cher wolltest,
und voll­end’ als ein Gott, was Dir als Men­schen mißlang. 

Her­der sei­ner­seits wählte in sei­nen drei alter­na­ti­ven Vor­schlä­gen das­selbe aus der Antike über­nom­mene metri­sche Mus­ter. Stär­ker als Goe­the nahm er auf die Umstände von Leo­polds Tod Bezug und stellte die Wahl zwi­schen einer von allen ver­wandt­schaft­li­chen Bezü­gen zu Wei­mar abse­hen­den einer sie distan­ziert anspre­chen­den und einer betont per­sön­li­chen Vari­ante anheim. In die­ser wur­den Anna Ama­lia die Worte in den Mund gelegt:

Hier am rau­schen­den Strom sei Dir mit Thrä­nen der Liebe
dies Andenken geweiht, lie­ben­der Bru­der, Dir.
Men­schen zu ret­ten wage­test Du Dein blü­hen­des Leben
gingst in der töd­ten­den Fluth hel­fend zum Him­mel hinauf,
Jetzt ein Genius. Sieh, die Thräne der lie­ben­den Schwester
guter Genius, hier, wo Dich die Welle beklagt.

Weder die Goe­the­schen noch die Her­der­schen Disti­chen kamen zur Aus­füh­rung. Statt­des­sen wurde die schlichte Inschrift

DEM
VEREWIGTEN
LEOPOLD

Anna Ama­lia

gewählt, deren gestei­ger­ter Lako­nis­mus ein Gegen­ge­wicht zum per­sön­li­chen, nur durch die Abfolge der Vor­na­men beton­ten Bezug bil­det, hin­ter dem die Umstände von Leo­polds Tod voll­stän­dig in den Hin­ter­grund treten.

 Tiefurt – Ein literarischer Spaziergang durch den Park:

  1. Vergilgrotte
  2. Wielands Lieblingsplatz
  3. Denkmal für den Prinzen Leopold von Braunschweig
  4. Kenotaph für den Prinzen Constantin
  5. Denkmal für Wolfgang Amadeus Mozart
  6. Amor als Nachtigallenfütterer
  7. Stein mit Inschrift von Friedrich von Matthisson
  8. Stein mit Goethe- (oder Knebel?)-Inschrift
  9. Schloss Tiefurt
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