1893 Greifswald
1947 Berlin
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Hans Fallada in Thüringen – eine literarische Exkursion von Berka bis Posterstein
Weiterführende Informationen
Hans-Fallada-Gesellschaft e.V.
Daniel Börner
Thüringer Literaturrat e.V.
Der Schriftsteller Hans Fallada (bürgerlich Rudolf Ditzen) wurde am 21. Juli 1893 in Greifswald als Sohn eines Landrichters geboren. Ab 1901 folgen erschwerte und durch Krankheiten unterbrochene Schuljahre in Berlin und Leipzig. Nach Aufenthalten in Sanatorien wird er von den Eltern in das thüringische Rudolstadt geschickt. Hier ereignet sich nach wenigen Monaten im Oktober 1911 ein als Duell inszenierter Selbstmordversuch, bei dem sein Freund Hanns Dietrich von Necker stirbt. Ditzen überlebt schwer verletzt und wird in die Jenaer Psychiatrie überstellt. Ein wegen zuerkannter Unzurechnungsfähigkeit eingestellter Prozess, eine abgebrochene Schullaufbahn und die Unterbringung in der Heilanstalt Tannenfeld (nahe Ronneburg) sind die Folgen.
Erste literarische Versuche (Übersetzungen, Gedichte) bleiben wirkungs- und erfolglos. Landwirtschaftslehre in Posterstein (1913 bis 1915), als Soldat wird er 1914 aus gesundheitlichen Gründen abgelehnt. Unstete Lehr- und Wanderjahre auf Gütern in Nordostdeutschland seit 1915. Tätigkeit als Spezialist für Kartoffelanbau in Berlin, unterbrochen von Gesetzeskonflikten, Haftstrafen und Entziehungskuren. 1920 Veröffentlichung des ersten Romans »Der junge Goedeschal« im Rowohlt Verlag. Zum Schutz der Familie unter dem Pseudonym Hans Fallada, um die skandalträchtige »Schülertragödie« von 1911 nicht erneut öffentlich zu thematisieren. Dieser erste und ein weiterer expressionistischer Roman 1923 bleiben ohne Resonanz. Danach nur kleinere Texte, Erzählungen und Rezensionen für Zeitungen und Zeitschriften.
Suchterkrankungen, Geldsorgen und Haftstrafen prägen seinen Lebenslauf. 1928 kurzweilige Arbeitsstellen in Hamburg und Neumünster, unter anderem als Zeitungsreporter. Längere Phase der Abstinenz und Heirat mit Anna Issel 1930. Anstellung im Verlag seines Förderers Ernst Rowohlt. 1931 erscheint der viel beachtete Roman »Bauern, Bonzen und Bomben«, damit Etablierung als Autor und kommerzieller Erfolg durch »Kleiner Mann – was nun?« im Jahr 1932, der als Krisen- und Zeitroman die prekäre Realität von Arbeitern und Angestellten porträtiert. Erwerbung eines Anwesens im mecklenburgischen Fischerort Carwitz bei Feldberg. In schneller Folge entstehen große Romanwerke: »Wer einmal aus dem Blechnapf frißt« (1934), »Wolf unter Wölfen« (1937) oder »Der eiserne Gustav« (1938).
Neben seichten Erinnerungsbänden erscheinen leichte Unterhaltsromane und Auftragsarbeiten, aber auch Kinderbücher. Trennung von Ehefrau Anna 1944, Umzug nach Berlin, 1945 Heirat mit Ursula Losch. Nach Kriegsende Kontakt mit Johannes R. Becher, Mitarbeit für die »Tägliche Rundschau« in der SBZ, neue Romanpläne. Fortgesetzte Arbeit am Manuskript »Der Trinker« (posthum 1950), Fertigstellung von »Der Alpdruck« (posthum 1947) und des letzten Romans »Jeder stirbt für sich allein« (posthum 1947). Fallada stirbt am 5. Februar 1947 nach Krankheit und Suchterkrankung in Berlin. Sein Nachlass wird daraufhin stark verstreut und ist heute in großen Teilen wieder geschlossen im Hans-Fallada-Archiv (untergebracht im Literaturzentrum Neubrandenburg) aufbewahrt.
Zwei Verlage waren seitdem auf unterschiedliche Weise an der Verbreitung von Falladas Werken beteiligt. In der DDR legte der Aufbau Verlag zahlreiche Buchtitel neu auf und brachte seit Anfang der 1960er Jahre eine zehnbändige Werkausgabe in Einzelausgaben heraus (hrsg. von Günter Caspar). Nach 1990 erschienen ebendort bis dahin verhinderte Neuausgaben, wurden Editionen unveröffentlichter Texte erarbeitet sowie mehrere Brief- und Auswahlbände publiziert.
In der Bundesrepublik wurde der Rowohlt Verlag, wie schon bis 1945, zur verlegerischen Heimat Falladas. Taschenbuchausgaben, vor allem in der Reihe rororo, machen ihn ab 1950 erneut zum Bestseller-Autor. Zahlreiche Romanverfilmungen in Ost und West fördern ebenfalls die Verbreitung seiner Werke.
Der anhaltenden Popularität beim Publikum stand bis vor wenigen Jahren ein Desinteresse der akademischen Forschung gegenüber. Fallada galt als Unterhaltsschriftsteller, als Mitläufer während der NS-Zeit, bestenfalls als »volkstümlicher Autor« und Erzähler des Milieus »einfacher Leute«. Die Wahrnehmung differenzierte und änderte sich insbesondere seit 2010 durch die internationale Wiederentdeckung Falladas. Auslöser waren Bucherfolge des wiederentdeckten Widerstandsromans »Jeder stirbt für sich allein« (zuerst 1947) in den USA, Großbritannien, Frankreich und Israel. Neuausgaben und ‑übersetzungen vieler seiner Bücher folgten, vor allem mit Rückwirkung auf den deutschen Buchmarkt sowie umfangreiche Anerkennung durch die Literaturkritik.
Leben und Werk Hans Falladas werden insbesondere durch die Hans-Fallada-Gesellschaft e.V. (hfg) mit Sitz in Carwitz (Mecklenburg) gewürdigt, wo am ehemaligen Lebens- und Schreibort seit 1995 ein Literaturmuseum betrieben wird. Neben einer saisonalen Veranstaltungsreihe finden dort jährlich um den Geburtstag Falladas Ende Juli die Hans-Fallada-Tage statt, die aus Lesungen, Konzerten, Vorträgen, literarischen Spaziergängen oder Buchvorstellungen ein mehrtägiges Programm anbieten (siehe: www.fallada.de).
Die Stadt Neumünster verleiht seit 1981 alle zwei Jahre den Hans-Fallada-Preis, der Autorinnen und Autoren zugesprochen wird, die in der Tradition des Namensgebers Probleme der Gegenwart mit politisch-sozialem Hintergrund behandeln.
Eine rege biographische Fallada-Forschung bildete sich sowohl in der Bundesrepublik wie auch in der DDR heraus, nunmehr ergänzt durch internationale und aktuelle Impulse, die vielschichtige Zugänge und Deutungen zu Leben und Werk Falladas beinhalten.
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