Wieland, Sophie Brentano und Kleist in Oßmannstedt
1 : Wieland der Gärtner oder Unser Thema und wie wir es umgehen

Person

Christoph Martin Wieland

Ort

Wielandgut Oßmannstedt

Thema

Literarisches Thüringen um 1800

Autor

Jürgen M. Paasch

Die Exkursion entstand im Rahmen eines Projekts der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.

Wie­land war kein Wald- und Wie­sen­sän­ger, kein dich­ten­der Gärt­ner und auch kein poe­ti­scher Para­dies­vo­gel, der, die Schar seine Jün­ger im Schlepp­tau, durch die Schloss­parks sei­ner Gön­ner paradierte.

Aber er liebte die Natur, die gebän­digte und gehegte und gepflegte zumal, er liebte sie Zeit sei­nes Lebens so sehr, dass er immer wie­der sei­nen Schreib­tisch in ihr auf­schlug, sei­nen Lese­pult wenigs­tens, einen gedach­ten frei­lich nur. Er arbei­tete gern in der Natur, das heißt: er las, exzer­pierte und notierte, bat sich Ruhe aus und – Geis­tes­ge­sell­schaft war die ein­zige, die vor­ge­las­sen wurde.

Bio­gra­fen erge­hen sich daher gern in idyl­li­schen Betrach­tun­gen zu Wie­lands natür­lich »hei­te­rem Land- und Gar­ten­le­ben« und lis­ten flei­ßig die Baum­grup­pen auf, in deren Nähe der Dich­ter gedich­tet haben mochte. Da wären nämlich:

  • die Wiese vor dem Geburts­haus in Ober­holz­heim im Schwa­ben­land, wo der Drei­jäh­rige in gel­ben Blu­men spielte und dies leicht­sin­ni­ger­weise als 70jähriger zu Pro­to­koll gab;
  • die Gär­ten am Zürich­see, in denen der 20jährige Trost suchen sollte nach der Ent­lo­bung von sei­ner daheim im Schwä­bisch ver­blie­be­nen Braut – und das Trau­er­spiel Lady Johanna Gray schrieb: was half mehr? die Tau­er­wei­den oder die tra­gi­schen Worte – oder waren sie nur zusam­men zu haben?;
  • die Park­an­lage um Schloss Wart­hau­sen, wo man ihn Arm in Arm mit der Liebe sei­nes Lebens lust­wan­deln sehen wollte ihr, der Sophie von La Roche, in schmach­ten­den Ver­sen dich­tend zu Leibe rückte – mit nicht weni­gen Ver­sen, son­dern in tau­sen­den, einige davon eben ihr, der gro­ßen Liebe, sei­ner »Psy­che«, dedi­ziert. 26 war er da und seine Sophie längst vergeben;
  • sein Gar­ten mit Gar­ten­häus­chen in den Sau­den­wie­sen vor den Toren sei­ner Hei­mat­stadt Biber­ach, wo der größte des Romans Geschichte des Aga­thon entsteht;
  • der Park um das Kel­ler­sche Schloss in Sted­ten vor den Toren Erfurts, wo er zusam­men mit Goe­the die jugend­li­che Julie von Kel­ler, spä­tere von Bech­tols­heim, ansang – seine Pysche-Dich­tung aufgreifend;
  • der Gar­ten an der Lotte in Wei­mar. Her­der hatte es vor­ge­macht mit sei­nem Gar­ten hin­ter dem Pfarr­haus der Stadt­kir­che St. Peter und Paul (heute Her­der­platz 8), den er sogleich nach sei­ner Über­sied­lung aus­baut und zur bevor­zug­ten Begeg­nungs­stätte mit Wie­land und Goe­the wer­den lässt. Beide wer­den in die­sem Jahr ‑1776‑ selbst je ein Grund­stück erwer­ben, weil Grund­be­sitz Vor­aus­set­zung zur Erlan­gung der Bür­ge­rechte ist. Die Grund­stü­cke wer­den Gär­ten und der Wie­land­sche liegt nahe dem Flüss­chen Lotte, das vom Wes­ten her der Ilm zufließt und in Wei­mar in sie mün­det. Heute weit­ge­hend kana­li­siert und abge­deckt erin­nert nur das Pfarr­haus der Herz-Jesu-Kir­che (bis 1887 die Lot­ten­mühle, heute Paul-Schnei­der-Straße 3) an Wei­mars hie­sige Gär­ten. Ich werde mich hier an den schat­ti­gen Rand der klei­nen rie­seln­den Lotte hin­set­zen, die nicht weit von mei­nem Gar­ten fließt, und ver­geb­li­che Pro­jekte machen, wie ich sie durch mei­nen Gar­ten flie­ßen machen möchte;
  • die Ilm­wie­sen bei Wei­mar (der heu­tige Ilm­park), in denen die Lite­ra­tur beflis­se­nen Wei­ma­rer ihrem Dich­ter sogar die so genannte »Klause«, auch das »Bor­ken­häus­chen« oder die »Ein­sie­de­lei«, errich­te­ten in Anleh­nung an die Illus­tra­tion in der Erst­aus­gabe von Wie­lands Roman Sokra­tes mai­no­me­nos oder Die Dia­lo­gen des Dio­ge­nes von Sin­ope – eine Gar­ten­laube sozu­sa­gen als Philosophentonne;
  • der Schloss­park Etters­burg, wo die Her­zo­gin­mut­ter meist die Som­mer­mo­nate der Jahre 1776 bis 1780 ver­bringt. Hier­her lädt sie in die­sen Jah­ren ihren lite­ra­risch-musi­schen Kreis, dann wird da geklim­pert, gegeigt, gebla­sen und gepfif­fen, daß die lie­ben Engel­chen im Him­mel ihre Freude daran haben möch­ten. An Anna Ama­lias acht­und­drei­ßigs­tem Geburts­tag, am 24. Okto­ber 1777, trägt Wie­land sein Hul­di­gungs­ge­dicht Zwey­er­ley Göt­ter­glück vor, in dem es heißt: O Fürs­tin, fahre fort, aus Dei­nem schö­nen Hain / Dir ein Ely­sium zu schaf­fen! / Was hold den Musen ist soll da will­kom­men seyn! Mit die­sem Gedicht ver­zeich­net Wie­land Etters­burg-Ely­sium als Locus amo­e­nus in die deut­schen Lite­ra­tur­land­karte und eröff­net gleich­zei­tig den Rei­gen sei­ner Ama­lia-Olym­pia-Gedichte, die er bis 1790 zu einem Oden­zy­klus von fünf Gedich­ten an Olym­pia erwei­tern wird;
  • Schloss­park Tiefurt
  • Schloss­park Belvedere
  • Gut Oßmann­s­tedt

Und wo sie feh­len, die Schlös­ser und Parks, ach! An Erfurt denke man und zitiere den Herrn Pro­fes­sor für Welt­weis­heit: Hier gehe ich voll­ends und nach und nach zu Grunde. Nie­mals, nie­mals, mein Freund, haben die Gra­zien die­ses freu­de­leere Chaos von alten Stein­hauf­fen, winck­lich­ten Gas­sen, ver­fal­le­nen Kir­chen, gro­ßen Gemüß­gär­ten und klei­nen Lehm­häu­sern, wel­ches die Haupt­stadt des edlen Thü­rin­ger­lan­des vor­stellt, ange­blickt Doch kein Wort mehr von die­sem ver­hass­ten Neste!

Kurz: Gär­ten, wohin der Dich­ter sei­nen Fuß setzt, gern setzt zumin­dest, möchte man mei­nen, vom Rande der unbe­rühmt schlei­chen­den Riß bis zur tief­hin rau­schen­den Ilm: Zufluchts­stätte, Refu­gium, Retraite, hätte Wie­land gesagt, Schne­cken­haus­wel­ten alle­samt. Ich muß aufs Land! Hier [] wird mein Geist durch den Hof, mein Kör­per durch das fatale Clima gemor­det. Wollt Ihr also mein län­ge­res Leben: so mis­gönnt mir diese länd­li­che Ruhe nicht.

 Wieland, Sophie Brentano und Kleist in Oßmannstedt:

  1. Wieland der Gärtner oder Unser Thema und wie wir es umgehen
  2. Exkurs: Augenschein eines Erotikers
  3. Gut Oßmannstedt (1797-1803)
  4. Exkurs: Selbstportrait als Schreckensbild oder Medizin für den Sohn
  5. Gutshaus Oßmannstedt und seine Gäste: Sophie von La Roche und Sophie Brentano
  6. Gutshaus Oßmannstedt und seine Gäste: Der zauberische Kleist
  7. Grabmal in Oßmannstedt
  8. Schloss und Park Tiefurt
  9. Schloss und Park Belvedere (1807-1813)
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