260. Geburtstag von Friedrich Schiller am 10. November 2019 – Von Helmut Hühn

Am 10. Novem­ber 2019 jährt sich der Geburts­tag Fried­rich Schil­lers zum 260. Mal. Grund genug, die­ses Ereig­nis zu fei­ern und lite­ra­ri­schen Wer­ken und Brie­fen sei­ner Zeit neu zu begeg­nen: Vom 1. bis zum 3. Novem­ber führt der Schil­ler­ver­ein Wei­mar-Jena e. V. die dies­jäh­ri­gen Schil­ler­tage in Wei­mar durch. Das Thema der Zusam­men­kunft lau­tet: „Schil­lers Nach­le­ben in Goe­thes Den­ken und Dich­ten“. Die Prä­senz, die Schil­ler auch nach sei­nem Tod im Leben wie im Den­ken und Dich­ten Johann Wolf­gang von Goe­thes gewinnt, ist jährt sich der Geburts­tag Fried­rich Schil­lers zum kaum zu über­schät­zen. Immer wie­der knüpft Goe­the an den Dia­log an, den er mit dem Freund zu Leb­zei­ten geführt hat, ja am Ende setzt er die­sem Dia­log mit der Edi­tion des gemein­sa­men Brief­wech­sels ein lite­ra­ri­sches Denkmal.

Am Sams­tag, dem 2. Novem­ber, erkun­den nam­hafte Wis­sen­schaft­ler, Goe­the- wie Schil­ler­ken­ner, ab 9.30 Uhr im Goe­the- und Schil­ler-Archiv unter­schied­li­che For­men sol­chen Nach­le­bens. Als Refe­ren­ten konn­ten Prof. Dr. Achim Aurn­ham­mer (Frei­burg), Dr. Hel­mut Hühn (Jena) und Dr. Ariane Lud­wig (Wei­mar) gewon­nen werden.

 

Das wis­sen­schaft­li­che Vortragsprogramm:

Sams­tag, 2. Novem­ber 2019

Goe­the- und Schil­ler-Archiv, Jenaer Str. 1, Wei­mar, 9.30 Uhr:

  • Prof. Dr. Achim Aurn­ham­mer (Frei­burg):
    Schil­lers Schä­del in Goe­thes Hand. Zu den Ter­zi­nen Im erns­ten Bein­haus wars
  • Dr. Hel­mut Hühn (Jena):
    Das Gedicht als Denk­mal? Goe­thes Epi­log zu Schil­lers Glocke
  • Dr. Ariane Lud­wig (Wei­mar):
    „Hei­te­rer Mor­gen und Son­nen­schein“. Goe­thes Arbeit an der Aus­gabe sei­ner Kor­re­spon­denz mit Schiller

Um 20.00 Uhr geben der inter­na­tio­nal renom­mierte Bari­ton Tobias Berndt und der Jenaer Uni­ver­si­täts­mu­sik­di­rek­tor Sebas­tian Krah­nert in der Aula des Fried­rich-Schil­ler-Gym­na­si­ums ein Kon­zert, das Ver­to­nun­gen von Gedich­ten aus Goe­thes vor 200 Jah­ren ver­öf­fent­lich­tem West-öst­li­chem Divan gewid­met ist. Der fast ein Jahr­hun­dert umspan­nende Lie­der­abend führt von Kom­po­si­tio­nen aus der Goe­the­zeit von Carl Fried­rich Zel­ter sowie von Carl Eber­wein über Ver­to­nun­gen Robert Schu­manns bis zu Hugo Wolf und Oth­mar Schoeck. Sebas­tian Krah­nert wird den Blüth­ner-Flü­gel des Gym­na­si­ums spie­len, der nach einer gro­ßen Spen­den­ak­tion restau­riert wer­den konnte und nun für die­ses beson­dere Kon­zert genutzt wer­den kann.

 

Das musi­ka­li­sche Programm:

  • 20 Uhr, Aula des Fried­rich-Schil­ler-Gym­na­si­ums Wei­mar, Tho­mas-Mann-Str. 2, Lie­der nach Gedich­ten von Johann Wolf­gang von Goe­the mit Tobias Berndt (Bari­ton) und Sebas­tian Krah­nert (Kla­vier)

Der Ein­tritt für beide Ver­an­stal­tun­gen ist frei. Gäste sind herz­lich will­kom­men. Um Spen­den wird gebeten.

 

Am Frei­tag, dem 8. Novem­ber 2019, fin­det um 10.00 Uhr die Kranz­nie­der­le­gung zu Ehren von Fried­rich Schil­ler durch Ver­tre­ter des Schil­ler­ver­eins Wei­mar-Jena e. V. und des Fried­rich-Schil­ler-Gym­na­si­ums am Goe­the- und Schil­ler-Denk­mal statt.

 

 

Schil­lerge­burts­tag 2019 am Sonn­tag, dem 10. Novem­ber 2019, in Jena

 

(Fried­rich-Schil­ler-Uni­ver­si­tät Jena, Jen­a­Kul­tur, Initia­tive Innen­stadt Jena, Lese-Zei­chen e.V., Orts­teil­rat Jena-Zentrum)

 

Am 260. Geburts­tag Fried­rich Schil­lers rückt in Jena die frühe Erzäh­lung Ver­bre­cher aus Infa­mie. Eine wahre Geschichte (1786) in das Zen­trum der Auf­merk­sam­keit. Mit Schil­lers „wah­rer Geschichte“ von dem berüch­tig­ten würt­tem­ber­gi­schen Ver­bre­cher Johann Fried­rich Schwan, genannt der Son­nen­wirt, gelangt das in der Spät­auf­klä­rung ent­stan­dene Genre der Kri­mi­nal­ge­schichte zu einem Höhe­punkt. In der Rhei­ni­schen Tha­lia, in der die Erzäh­lung zuerst erscheint, kün­digt Schil­ler an, die „Magnet­na­del“ an des Men­schen „Herz hin­zu­hal­ten. Neu­ge­fun­dene Räder in dem unbe­greif­li­chen Uhr­werk der Seele – ein­zelne Phä­no­mene, die sich in irgend­eine merk­wür­dige Ver­bes­se­rung oder Ver­schlim­me­rung auf­lö­sen, sind mir, ich gestehe es, wich­ti­ger als die toten Schätze im Kabi­nett des Anti­ken­samm­lers oder ein neu ent­deck­ter Nach­bar des Satur­nus“. Die Pro­gram­ma­tik für sein Erzäh­len ent­wi­ckelt der Autor in einer „Vor­rede“, die zum Beein­dru­ckends­ten der Schil­ler­schen Prosa gehört. Ein Vor­trag von Prof. Dr. Udo Ebert (FSU Jena), eme­ri­tier­ter Pro­fes­sor für Straf­recht, Straf­pro­zess­recht und Straf­rechts­ge­schichte, erkun­det um 15.30 Uhr Schil­lers poe­ti­sches Inter­esse an Ver­bre­chern und die juris­ti­schen Hin­ter­gründe der Erzäh­lung; abends wird diese Erzäh­lung um 19.30 Uhr in der dra­ma­ti­schen Aus­ge­stal­tung von Mar­tin Men­ner (Gün­ters­le­ben) in Schil­lers Gar­ten­haus aufgeführt.

Wo und wie sind die Jenaer heute noch mit Schil­ler ver­bun­den? Schon am spä­ten Sonn­tag­vor­mit­tag, um 11.30 Uhr, erkun­det ein Stadt­rund­gang mit dem Orts­teil­rat und Dr. Sven Schlot­ter die Orte Jenas, die mit Schil­ler in Ver­bin­dung ste­hen, und dis­ku­tiert zugleich die aktu­el­len Ver­än­de­run­gen im Stadt­bild. Bei einer Lesung mit musi­ka­li­scher Beglei­tung von Ilga Her­zog sind alle Jenaer um 14.30 Uhr dazu ein­ge­la­den, ihre liebs­ten Schil­ler­ge­dichte, ‚ihren Schil­ler‘ im Gar­ten­haus vorzulesen.

 

Sta­tio­nen des Pro­gramms in Jena

Sonn­tag, 10. Novem­ber 2019

Orts­teil­rat Jena-Zen­trum, Neu­gasse 34

  • 10.30 Uhr: Ein­la­dung zum Kaf­fee und zum Kennenlernen
  • 11.30 Uhr: Stadt­spa­zier­gang auf den Spu­ren Schil­lers und gegen­wär­ti­ger Bau­pro­jekte und Initiativen

Schil­lers Gar­ten­haus, Schil­ler­gäß­chen 2

  • 14.30 Uhr: Jenaer und Gäste lesen ‚ihren Schil­ler‘, ihre Lieb­lings­ge­dichte; Ilga Her­zog musiziert.
  • 15.30 Uhr: Prof. Dr. Udo Ebert (FSU Jena): Ästhe­ti­sches Ver­gnü­gen und psy­cho­lo­gi­sche Neu­gier ‒ Schil­lers Inter­esse an Ver­bre­chern. Vortrag

Die Brauch­bar­keit gro­ßer Ver­bre­cher als Dra­men­hel­den hat Schil­ler in sei­nen theo­re­ti­schen Schrif­ten ästhe­tisch begrün­det. Erprobt hat er sie in Dra­men wie Die Räu­ber und Die Ver­schwö­rung des Fiesco zu Genua. Ganz anders, näm­lich empi­risch-psy­cho­lo­gisch moti­viert ist Schil­lers Inter­esse am Ver­bre­cher in der Erzäh­lung Der Ver­bre­cher aus ver­lo­re­ner Ehre. Die darin ent­wi­ckel­ten, modern anmu­ten­den Ansich­ten über die Ursa­chen kri­mi­nel­ler Kar­rie­ren füh­ren den Autor Schil­ler zu zukunfts­wei­sen­den For­de­run­gen hin­sicht­lich der Auf­gabe und Aus­ge­stal­tung der Strafe.

  • 19.30 Uhr: Ver­bre­cher aus ver­lo­re­ner Ehre. Schau­spiel nach einem Pro­sa­text von Fried­rich Schil­ler. Bear­bei­tet, insze­niert und gespielt von Mar­tin Men­ner (Gün­ters­le­ben), Musik von Uli Thümmler

Chris­tian Wolf, die Haupt­fi­gur, begeht aus Dumm­heit, wirt­schaft­li­chem Man­gel und dem Bedürf­nis, sei­ner Liebs­ten zu impo­nie­ren, eine Straf­tat. Was dann folgt, könnte man per­sön­li­ches Schick­sal und indi­vi­du­el­les Fehl­ver­hal­ten nen­nen – oder auch die Fehl­bar­keit von Gesell­schaft und Jus­tiz: Chris­tian gerät immer wei­ter auf ‚die schiefe Bahn‘ und muss für Jahre hin­ter Git­ter. Wie­der in Frei­heit, aber ohne Arbeit, Woh­nung und Freunde ist es ihm bei­nahe unmög­lich, nicht wie­der straf­fäl­lig zu wer­den. Und obwohl er sich ein ehr­li­ches, nor­ma­les Leben wünscht, wird er schließ­lich zu einem gefähr­li­chen und lan­des­weit gesuch­ten Ver­bre­cher. Er bereut, was er getan hat und würde gerne Wie­der­gut­ma­chung leis­ten – doch die Gesell­schaft kennt keine Gnade.

Mar­tin Men­ner spielt die Figur Chris­tian Wolf und zugleich einen Dozen­ten, der den Zuschaue­rIn­nen Detail­in­for­ma­tio­nen zu Wolf gibt und grund­sätz­li­che Betrach­tun­gen zum Thema anstellt. Denn im Mit­tel­punkt ste­hen ganz aktu­elle Fra­gen: Ist ein Ver­bre­cher alleine schuld an sei­ner ‚Lauf­bahn‘? Wel­che Mit­schuld trägt die Gesell­schaft? In wel­cher Weise tra­gen ‚die Umstände‘ zu Taten bei? Wie viel Ver­ständ­nis sollte oder muss ein Ver­bre­cher bekom­men? Wie viel kann er erwar­ten? Fra­gen, die heute so bren­nend sind wie zu Schil­lers Zei­ten. Fra­gen, die nie end­gül­tig beant­wor­tet wer­den kön­nen. Aber jeder Zuschauer kann ange­sichts die­ser Dra­ma­ti­sie­rung der Schil­ler­schen Prosa nach Ant­wor­ten suchen.

 

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