Der geistig rege und auf alles Neue neugierige Willy Katz wirkte nicht in der kleinen jüdischen Gemeinde in Gera mit. Er war aber als Junge Mitglied in der jüdischen Jugendorganisation »Blau Weiß«. Großen Eindruck machte auf ihn der aus Gera stammende Künstler Otto Dix (1891–1969), dessen pazifistische Haltung er bewunderte. Der Weg zum Schrifsteller Katz war damit schon vorgezeichnet – mit dem aktiven Interesse für Politik und gesellschaftliche Probleme.
An der Heimvolkshochschule in Gera-Tinz, die 1920 auf Initiative sozialdemokratischer Abgeordneter als Einrichtung des Volkstaates Reuß gegründet worden war und sich bald international eines hervorragendes Rufes erfreute, stillte Willy Katz seinen Bildungshunger. Die im Tinzer Schloss, der ehemaligen Sommerresidenz der reußischen Landesherren, untergebrachte Einrichtung diente ausschließlich der Weiterbildung von jungen Arbeitern, von Frauen und Männern.
Willy Katz, mit 18 Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ), konnte sich auf diesem gesonderten Bildungswege eine gute Grundlage für seine spätere Tätigkeit als Journalist schaffen.
Nicht Aron, der Vater, beeinflusste seinen Sohn im Denken und Handeln, sondern hervorragende Intellektuelle und Lehrkräfte, alle Sozialdemokraten. Dazu gehörten Otto Jenssen (1883–1963), der in Fächern wie Gesellschaftskunde, Geschichte und Politik unterrichtete, der Ökonom Alfred Braunthal, der Erwachsenenpädagoge Oskar Greiner und der Rechtswissenschaftler, Politiker und Gegner des NS-Regimes Hermann Brill (1895–1959). Brill wurde 1943 von den Nazis in das KZ Buchenwald gesperrt und war nach Ende des Zweiten Weltkrieges Regierungspräsident in Thüringen, danach Chef der hessischen Staatskanzlei und Mitglied des Bundestages.
1933 schlossen die Nazis die Heimvolkshochschule. Einige Lehrer emigrierten in die USA und machten sich dort einen Namen mit ihren veröffentlichten Schriften zur Zeitgeschichte und zur Politik.
(Anmerkung Dezember 2014: Gegenwärtig wird das 1748 errichtete Schloss Tinz, das nach 1933 als Militärlazarett und als Gerichtsgebäude genutzt wurde und nach Ende des Zweiten Weltkrieges als Volkhochschule wiedereröffnet wurde, denkmalgerecht saniert. Für den Sommer 2015 ist die Eröffnung als Hochschulteil auf dem Campus der Berufsakademie Gera geplant.)
Abb. 1: Stadtarchiv Gera. Mit freundlicher Genehmigung des Stadtarchivs Gera.
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