Personen
Wilhelm Friedrich Hermann Reinwald
Ort
Thema
Literarisches Thüringen um 1800
Andreas Seifert
Thüringer Literaturrat e.V.
Etwa zwei Minuten Fußweg sind es vom Schlossplatz bis zu jenem schmucken Gebäude, in dem sich heute das Hotel-Café »Ernestinerhof« befindet. Hier wohnte der herzogliche Sekretär und Bibliothekar Wilhelm Reinwald zu jener Zeit, als sich Friedrich von Schiller im nahen Bauerbach aufhielt. Sicher nicht in einer der hellen Wohnungen des Vorderhauses, auch nicht im attraktiven Rokokobau hinter dem Hausgarten. Seinen Verhältnissen entsprechend, dürfte der schlecht bezahlte Fürstendiener in einem dunklen, schlecht geheizten und billig eingerichteten Stübchen sein trauriges Junggesellendasein beklagt haben.
In diesem Haus hat Schlampigkeit Literaturgeschichte geschrieben. Die Schlampigkeit des württembergischen Deserteurs und Bauerbacher Asylanten Friedrich von Schiller. An einem Maitag hatte dieser wieder einmal seinen Freund Reinwald in dessen Wohnung aufsuchen wollen. Der Freund aber war nicht zu Hause. Schiller verkürzte sich die Wartezeit mit dem Lesen von Briefen. Es begann zu dämmern, und da Reinwald noch immer nicht auftauchte, machte sich der Besucher verdrossen auf den Rückweg. Als der Bibliothekar später sein Zimmer betrat, fand er Schillers vergessene Brieftasche vor. Die Schlampigkeit des Freundes als Zeichen des Vertrauens deutend, las Reinwald die darin befindlichen Schreiben. Besonders fesselte ihn ein Brief von Christophine. Ohne dass Freund Schiller es ahnte, antwortete Reinwald an seiner statt und es entspann sich eine Korrespondenz zwischen beiden. Im Juni 1784 brach Wilhelm Reinwald zu einer langen Reise durch Süddeutschland auf. Als er im August wieder Sachsen-Meiningischen Boden betrat, hatte er die Familie Schiller kennen gelernt, Christophine einen Heiratsantrag gemacht und sich deswegen mit Freund Friedrich überworfen. Der nämlich hatte seiner Lieblingsschwester eine bessere Partie gewünscht. Am 4. Juli 1786 traf die frisch vermählte Christophine an der Seite ihres zwanzig Jahre älteren Gatten in Meiningen ein. Insgesamt 55 Jahre verbrachte sie in der Werrastadt und sorgte auf Grund ihrer geistigen Regsamkeit noch im 90. Lebensjahr dafür, dass Meiningen vom Kuchen des aufkommenden Schiller-Kultes im 19. Jahrhundert eine dicke Schnitte abbekam.
Abb. 1: Stich aus den Meininger Museen. Mit freundlicher Genehmigung der Meininger Museen. Abb. 2: Ölgemälde von Ludovike Simanowiz (1753-1827).
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