Das Geburtshaus stand als Eisfelder Amts- und Syndikushaus in der damaligen Häfners‑, der heutigen Braugasse im 2. Viertel der Neustadt. Angelehnt an die Stadtmauer bildete der Hof mit seinen Kasematten einer Fünfecksbastei für die beiden Ludwig’schen Kinder einen idealen Spielplatz. Beim großen Brand 1822 wird das Haus ein Opfer der Flammen und nicht wieder aufgebaut. Heute steht dort die Schmiede Göhring, später Schmied Erbe. Nur eine kurze Querstrasse entfernt befand sich in der Marktstrasse, dem 1. Viertel der Neustadt, das Gebäude des Onkels Christian Otto. Auch dieses brannte 1822 ab, entstand aber neben dem Rathause schon 1823 neu und nahm nach der Fertigstellung die Familie des Stadtsyndikus Ernst Ludwig in seinen Räumen auf.
Die Ludwigs entstammen einem Bauerngeschlecht aus Belrieth im Kreise Meiningen. Sie erscheinen im 18. Jahrhundert als Kammerräte und Hofadvokaten des Herzogtums Hildburghausen. Einer von ihnen, Carl Friedrich Ludwig, der Großvater des Dichters, wird 1768 Stadtsyndikus in Eisfeld. Er heiratet ein Jahr später Johanna Rühle von Lilienstern und zeichnete sich durch seine Tatkraft und seine dichterische Begabung aus. In seinem Amte folgen ihm zwei seiner Söhne: Julius Heinrich und 1806 Ernst Friedrich Ludwig, des Dichters Vater. 1807 schließt er den Ehebund mit Sophie Friederike Otto, der Tochter des Eisfelder Kaufmanns und Senators Christian Otto.
Das dichterische Talent verdankte Otto Ludwig seinem Vater, der auch ein Bändchen Gedichte herausgab.[1] Die musikalische Begabung ererbte er von seiner Mutter, die gleichzeitig stark literarisch interessiert war und es verstand, ihren zarten, leicht empfänglichen Jungen für alles Gute und Schöne zu begeistern und ihn mit der deutschen Literatur bekannt zu machen. Seine Vorliebe für den Dichter Shakespeare entsprang ihrem Einfluss. Die Mutter war es auch, gemeinsam mit dem Freund des Hauses, dem Registrator Ludwig Ambrunn, die den Knaben für die Stadtschule vorbereitete, in die er 1823 eintrat. Sie war eine Frau voll Liebe und Güte, von leicht erregbarem Enthusiasmus für alles Schöne und Gute. Indem sie ihrem Sohn mit strahlenden Augen und geröteten Wangen von Socrates und Leonidas und vielen weiteren erzählte wie von Dr. Luther, legte sie frühzeitig den Grundstein für Ludwigs edle Gesinnung, die ihn sein ganzes Leben begleitete.[2]
Beide Elternteile zeichnete eine große Liebe zur Natur aus. Das veranlasste sie auch, ein Jahr nach der Geburt ihres Sohnes Otto 1814 außerhalb der Stadt unweit des Syndikushauses am Südhang einer Talmulde, dem Heinig, ein Gartenparadies zu schaffen und dort in der Nähe einer mehrhundertjährigen Eiche ein Gartenhaus im spätklassizistischen Stil zu errichten. Die Eltern konnten nicht ahnen, was sie mit dieser Anlage mitten in einer lieblichen Landschaft ihrem Sohne für das Leben geschenkt hatten.
Otto Ludwig selbst schrieb über diese Zeit:
1813 bin ich in Eisfeld im Sachsen – Meiningischen geboren, am südlichen Fuß des Thüringer Waldes. Die Schulen sind damals schlecht, ich bin kränklich. So komm ich erst im 10. Jahre in die mit neuen Lehrern besetzte Stadtschule; bis dahin leb ich meist in meines Vaters Garten und lerne da die Lust an der Einsamkeit und an der Natur. Lerne früh schon Schiller, Tieck und Shakespeare kennen, welcher mein Liebling ist. Ein besonders geliebter Lehrer, zugleich ein tüchtiger Musikus, weckte meinen Sinn für Musik.
[1] Der Gedichtband ist nicht erhalten geblieben und eine Exemplar konnte bisher nicht recherchiert werden.
[2] Vgl. »Ludwigs Werke«, herausgegeben von Dr. Viktor Schweizer, Erster Band, Bibliographisches Institut Leipzig und Wien. 1898. S. 8–10.
Abb. 1: Gemälde von Carl August Keßler, um 1817 / Abb. 2: Gemälde von Carl August Keßler, um 1817 / Abb. 3: Gemälde von Carl August Keßler, 1817. Alle Fotos Museum Eisfeld.
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