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Andreas Seifert
Thüringer Literaturrat e.V. / Die Reihe »Gelesen & Wiedergelesen« entstand mit freundlicher Unterstützung der Thüringer Staatskanzlei.
Wiederglesen von Andreas Seifert
Ludwig Bechstein, geboren 1801 in Weimar und 1860 in Meiningen gestorben, war ein Polyhistor: Er wirkte beruflich als herzoglicher Bibliothekar und Archivar in Meiningen, in seiner Freizeit als Regionalhistoriker wie Antikensammler und gründete den ersten Geschichtsverein im südwestlichen Thüringen. Als Schriftsteller versuchte sich Bechstein in nahezu allen Gattungen und Genres. Einen festen Platz in der deutschen Nationalliteratur (und einen bescheidenen in der Weltliteratur) sicherte sich der Meininger Tausendsassa mit seinen Märchenbüchern. Diese wurden unter anderem ins Englische, Italienische, Norwegische und Ungarische übersetzt, erschienen in Polen und den Niederlanden, in Madrid und Buenos Aires. Bis heute leben sie in immer neuen Auflagen, Gesamtausgaben und Auswahlbänden fort.
Die erste Ausgabe von Bechsteins Märchensammlung erschien 1845 bei dem Leipziger Verleger Georg Wigand, der auch die weiteren Ausgaben und Auflagen bis 1857 besorgte. Sie trug den Titel »Deutsches Märchenbuch« und umfasste 88 Volksmärchen sowie die einleitende Dichtung »Des Märchens Geburt«. Bereits im Jahr darauf erfolgte eine weitere, mit 10 Stahlstichen verschiedener Künstler illustrierte Ausgabe. Der textliche Inhalt der ersten und zweiten Ausgabe ist identisch. Im Unterschied zu späteren Editionen hat Bechstein in beiden auf Quellen und Beiträger seiner Sammlung verwiesen. So auf Wilhelmine Mylius (1821 – 1853) aus Themar, die Brieffreundin des blinden Salzunger Sagensammlers Ludwig Wucke, die etwa ein Dutzend mündliche Überlieferungen beigesteuert hat. Auch der Meininger Dichter und Journalist Ludwig Köhler (1819 – 1862), späterer Mitarbeiter von Joseph Meyer am Bibliographischen Institut Hildburghausen, gehörte zu Bechsteins Beiträgern. Mit der 12., veränderten Auflage des Buches im Jahr 1853 änderte der Herausgeber den Namen seiner Sammlung. Sie erhielt den seither gebräuchlichen Titel »Ludwig Bechsteins Märchenbuch«. Auch inhaltlich und in der Gestaltung hatte sich der Band verändert. Die Zusammenstellung fußte auf der Erstausgabe von 1845 mit achtzehn Weglassungen, neun Neuaufnahmen und drei Umarbeitungen. Erstmals wurden die bekannten Holzschnitte nach Originalzeichnungen von Ludwig Richter (1803 – 1884) verwendet. Die 1853er Edition war mit 174 dieser Illustrationen versehen, die folgende illustrierte Ausgabe von 1857 schon mit 184 Holzschnitten. Textlich waren beide Ausgaben identisch.
Im Vorwort zu seinem Märchenbuch gestand Ludwig Bechstein: Die anerkannt beste ächte Märchensammlung bilden die »Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm«. In seiner 1855 erschienenen Schrift »Mythe, Sage, Märe und Fabel« setzte er hinzu: So wie sie – konnte Niemand Märchen sammeln und ohne ihren Vorgang hätten dann auch Spätere nicht in gleicher oder ähnlicher Weise gesammelt. Der Meininger sah sich durchaus in Tradition und Nachfolge der Volksmärchen-Klassiker aus Hessen und bekannte sich auch zu deren literarischen Prinzipien bei der Abfassung des Märchengutes: einfache Erzählform, Verzicht auf poetische Ausschmückung und Romantisierung. Gleichzeitig vertrat Bechstein bei Abfassung und Herausgabe der Märchen das Volksbuch-Konzept: Seine Sammlungen sollten nicht in erster Linie einem volkskundlichen oder sonstigem wissenschaftlichen Interesse dienen, sondern breite Leserkreise erreichen, letztlich Gemeingut des deutschen Volkes werden. Dazu gehörte für Bechstein auch, die vorgefundenen Stoffe sprachlich zu bearbeiten, sie in der Sprache seiner Zeitgenossen zu erzählen. Aus diesem Bestreben sowie aus der Aufnahme weiterer, anderer Märchenvorlagen resultieren vor allem die Unterschiede zwischen seiner Sammlung und der von Jacob und Wilhelm Grimm.
Bucheinbände der Verlage Conrad Adolf Hartleben (Stuttgart 1876); Wilhelm Effenberger (Stuttgart 1900); Enßlin und Laiblin (Reutlingen 1925).
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