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Literarisches Thüringen um 1800
Julia Knapp; Bernhard Echte
Jean Pauls Orte - Ein Projekt des Vereins
Eine Kühle der Angst presset die Brust – endlich tritt der Gott her, kalt, einsylbig.
Jean Paul aus Weimar an Christian Otto in Hof,
17.6.1796, über seinen ersten Besuch bei Goethe
Im Frühjahr 1795 erschien der erste Band von Goethes epochalem Entwicklungsroman »Wilhelm Meister«. Im Juni gleichen Jahres kam der Roman »Hesperus« eines gewissen Jean Paul heraus. Der Autor, der schon ein Jahr zuvor sein Buch »Die unsichtbare Loge« an Goethe gesandt hatte, nötigte ihm auch dieses Mal sein neuestes Werk mit einem ehrerbietigen Begleitbrief auf. Goethe blätterte kurz in dem Roman und leitete ihn dann an Schiller weiter – als Beispiel einer exemplarischen Missgeburt: »Hier ein Tragelaph der ersten Sorte«, so seine Worte.
Indes: Der «Hesperus» avancierte zur Sensation der Saison. Ganz Weimar las das Buch und redete wochenlang darüber; Charlotte von Kalb, Schillers prekärer Flirt, war gar völlig hin, schrieb dem Nobody nach Hof und lud ihn sogleich nach Weimar ein. Für den »Meister« gab’s hingegen nur kühlen Respekt.
Und Jean Paul kam – und zwar zu Fuß (nur für die letzte Wegstrecke nahm er die Kutsche, damit seine Armut in Weimar nicht sofort auffalle). Provinziell unbeholfen wirkte er denn auch, liebenswürdig und unendlich redselig. Die Damen aber verloren in seiner Gegenwart jegliche Contenance und hockten strahlend um ihn herum. Dass Herder sich auf seine Seite schlagen würde, war vorhersehbar gewesen. Aber auch Wieland, der das Geschehen aus der Ferne mitverfolgte, schien angetan. Anna Amalia lud ihn nach Tiefurt zum Tee. Der Mann war ein Magnet, es war nicht zu leugnen.
Koalitionen mussten zumindest erwogen werden: Würde Jean Paul sich für die eigene Richtung gewinnen lassen? Als er zu Schiller nach Jena fuhr, schaute der ihn genau an – und senkte den Daumen. Nein: Das war einer, der wie »aus dem Mond gefallen schien«. Ein Zufallsmeteorit – aber kein Mann der Klassik. So bekam er im »Xenien«-Almanach für 1797 sein Fett weg.
Merkwürdig aber: Jean Paul hörte nicht auf, Goethe und Schiller zu verehren (obwohl er sehr wohl sah, wie unkultiviert ersterer aß und wie eitel des letzteren Nase in die Welt stach). Für literarische Fraktionskämpfe war er jedoch nicht zu haben. Goethe hingegen brauchte noch zwanzig Jahre, bis er Jean Paul zumindest Respekt zollte. Gemocht hat er ihn nie.
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