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Literarisches Thüringen um 1800
Julia Knapp; Bernhard Echte
Jean Pauls Orte - Ein Projekt des Vereins
Er sagte, er bekomme neues Leben durch mich.
Jean Paul an Christian Otto, 2.9.1798,
über seine Begegnung mit Wieland in Oßmannstedt
Wieland – schon für den jungen Jean Paul war dieser Name ein Fixstern. Gerade 23jährig sandte er Wieland erstmals einen Text, in der Hoffnung, damit im »Deutschen Merkur« zu erscheinen. Daraus wurde zwar nichts, doch konnte dies Jean Pauls Verehrung für Wieland nichts anhaben. Umso enttäuschter war er aber, als er im Sommer 1796 zum ersten Mal nach Weimar kam – und Wieland dort nicht vorfand; dieser war gerade nach Zürich gereist. Durch Charlotte von Kalb konnte er immerhin erfahren, dass Wieland seinen Roman »Hesperus« mit Beifall gelesen habe. So lernten sich Jean Paul und Wieland erst am 25. August 1798 persönlich kennen: in Oßmannstedt.
Die großen Erwartungen, die beide an ihre Begegnung knüpften, wurden erstaunlicherweise nicht enttäuscht – im Gegenteil. Der Austausch war so lebhaft und schwerelos, dass Wieland dem 30 Jahre jüngeren Kollegen sofort vorschlug, zu ihm nach Oßmannstedt zu ziehen. »Allein, das geht nicht«, kam Jean Paul nach reiflicher Überlegung zum Schluss, »weil zwei Dichter nicht ewig zusammenpassen.« Und bei aller Liebe fürs Idyll kannte Jean Paul auch seinen junggeselligen Erfahrungshunger, dem das Landleben kaum genügen würde. Wieland mochte in früheren Tagen ein großer Erotiker gewesen sein, doch schöne junge Frauen gab es in Oßmannstedt keine um ihn (sondern ein volles Dutzend Nachkommen).
So fanden die nächsten Begegnungen in Weimar statt. Am 28. November 1798 besuchten Herder, Wieland und Jean Paul gemeinsam eine Aufführung der »Zauberflöte«, was man sich als kleine ›Sternstunde der Menschheit‹ ausmalen darf. Wieland kam mit Jean Paul auch zu Charlotte von Kalb, die daneben Goethe und Schiller eingeladen hatte. Unter dem Schutz seines Mentors wurde Jean Paul ganz keck und wagte dem Geheimrat Wahrheiten übers Weimarer Theater zu sagen, worüber dieser »empfindlich ¼ Stunde den Teller drehte«. Wieland hatte offenbar sein Vergnügen dabei und begleitete Jean Paul, wann immer er konnte, auch zu anderen Gastgebern der Weimarer Gesellschaft.
Die letzte Begegnung (Juli 1802) verlief jedoch melancholisch. Wielands Frau war gestorben; Jean Paul dagegen stand im Frühling seiner jungen Ehe. Als er Wieland in Oßmannstedt besuchte, fand er ihn »als trüben Witwer« sichtlich gealtert, ein Anblick, den er kaum verwinden konnte. Im Jahr darauf verkaufte Wieland das Gut und kehrte nach Weimar zurück. Jean Paul und er haben sich nicht mehr gesehen.
Abb. 1-3: Fotos: Jens Kirsten.
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