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Mathilde von Freytag-Loringhoven
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Thüringen im literarischen Spiegel
Jens Kirsten
Weimar litererarisch, Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar 2010.
Die Novemberrevolution 1918 brachte die entscheidende Zäsur im Jahrhunderte währenden Theaterstück »Leben in der Residenz«. Angekündigt wurde sie von Henry van de Veldes düsterem Text über seinen Rücktritt 1914 und dem Beginn des Ersten Weltkrieges. Die Weimarer Malschule und das Bauhaus brachten in den zwanziger Jahren eine Vielzahl von Künstlern und Kulturvermittlern wie Harry Graf Kessler, Ernst Cassirer oder Max Osborn nach Weimar, die ihre Reibungsflächen hier fanden. Raoul Hausmann leitete die neue Zeit mit seinem »Pamphlet gegen die Weimarische Lebensauffassung« ein und verkündete die dadaistische Welt. In Weimar trafen sich Paul Klee, Oskar Schlemmer, Walter Gropius, Lyonel Feininger, Edvard Munch, Laszlo Moholy-Nagy und viele andere berühmte Künstler, die gemeinsam eine neue Zeit mitgestalten wollten. Sie alle prallten auf den Widerstand der bürgerlichen, kleingeistigen Gesellschaft, die sie und ihre Studenten kurzerhand als »Bauhäusler« diffamierten; ungehorsame Kinder erschreckte man seinerzeit mit der Drohung »Ich steck dich ins Bauhaus«. Andererseits waren die Weimarer besonders empfänglich für Heilsbringer jedweder Couleur. Harry Wilde schildert in seiner Theodor-Plivier-Biographie »Nullpunkt der Freiheit« des »Propheten« Louis Haeusser Auftritt vor großem Publikum in Weimar. Wenige Jahre zuvor, im Mai 1920, war Friedrich Muck Lamberty mit seiner »Neuen Schar« durch Thüringen gezogen. Eng verknüpft mit diesem »fruchtbaren« Boden ist Thüringens Vorreiterrolle im Nationalsozialismus. Bereits 1924 schlug Nina Kandinsky in Weimar unverhohlener Antisemitismus entgegen. Spiegelbildlich dazu verhielt sich die langeingeübte Obrigkeitsverehrung. Der liebenswerte Hochstapler Harry Domela, alias Prinz Wilhelm von Preußen, wurde nicht nur in Heidelberg, Erfurt und Gotha »erkannt« – seine Glanzstunde schlug im Dezember 1926 in Weimar. Unterstützt von glänzenden lokalen Assistenten verhalf er der Stadt vorübergehend zu Weltruhm der ganz anderen Art. Sein Buch »Der falsche Prinz« erschien 1927 in Wieland Herzfeldes Malik-Verlag; Übersetzungen in mehrere Sprachen folgten, die Stadt Weimar und ihre Bewohner waren (wieder einmal) der Lächerlichkeit preisgegeben.
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