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André Schinkel
Erstdruck in: Palmbaum, Heft 2/2025. Alle Rechte beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.
André Schinkel
Vom fälligen Glück
Es ist die Bewegung jeder Kunst, jeder Literatur: nach der eigentlichen Druckentlastung nach einem Gegenüber zu suchen, einer Spiegelung beim Adressaten, bei der Adressatin. So ist es auch in diesem Buch, auch wenn es teils selbst – im Vorfeld, in seiner Reibfläche – als Adressat fungierte. Ein Teil dieser Texte reagiert etwa auf Gemälde und Zeichnungen Frank Hauptvogels, eines bedeutenden Vertreters der Neuen Leipziger Schule; ja, aus interner Quelle weiß der Rezensent, dass die Zahl der Texte und Einlassungen, mit denen Holger Uske auf die Arbeit Hauptvogels reagiert, einen ganzen Band allein füllen könnte.
Und da beginnt zugleich das Sprechen über das Besondere dieser Erzählungen und Erzählchen, die sich in »Stunden-Tanz« wiederfinden: Die Art und Weise, wie sich ihr Autor diese Spiegelflächen zu eigen macht, daraus ihm Ureigenes ableitet und entwirft. Nun, und wie sich das in das ganz aus dem Eigenen Geschöpfte einreiht. Holger ist an sich ein Dichter, wie vor allem eine Gedichttrilogie aus dem letzten Jahrzehnt beweist – einer, der aber eben auch zugleich die Kunst des Erzählens kann dabei zu einer so (nach-)fragenden wie unbeirrten Stimme gelangt ist. Das vorliegende Buch, das eine Vielzahl der kleineren und mittleren Texte der näheren Gegenwart zusammengreift, legt davon beredt Zeugnis ab, in den Erfindungen wie den Adaptionen, das es enthält. Es tritt, in dieser Zusammenfassung anlässlich des 70. Geburtstags von Uske, in vehementer Stärke auf.
Ralf Julke berief in seiner überaus eingehenden und lichtwerfenden Besprechung des Bandes in der »Leipziger Internet-Zeitung« große Geister, dies plausibel zu machen, zu zeigen, welche Vorausgänger und welche Stationen als Wegmarken dieser heute gern geschmähten, abgetanen Kunst der kleinen Erzählung, der Miniatur, des Prosanotats bis in die Gegenwart münden. Denn es ist das unnachgiebige Walken der Jetztzeit, das bei alles traumwandlerischer Geste von Zeit zu Zeit den »Stunden-Tanz« befeuert, andippst, weiterzieht. Es ist das Nachfragen in der Sprache dieser Texte, das sich in die Schönheit und Staffiertheit ihrer Sätze einschiebt und oft bohrend nachklingt. Es ist das Fragen nach dem Glück, das in der »Schräglage« der Gegebenheiten (sich bis in die Namen der Stücke äußernd: »Fällig«, »Glatteis«, »Verfolgt«, »Die Erfindung der Null«, alles auch mögliche Titel) eben nicht oder noch nicht aus den Augen gelassen wird, und doch auch in Gesprächen und Ansprachen bewegt wird, weil das Glück ja meist geteilt sein/werden muss …
Eindrücklich eine Reihe Erzählanordnungen wie »Nathan«, ja, oder »Der langsame Lauf«. In letzterem die ansteckende Versteinerung im Alltag. Dieses Große und schwer zu Fassende, was – beim Überschallknall einer Stimme etwa – die sanften Worte fortbläst. Die Suche nach dem Eigenen im Drängen und Bramarbasieren des Umgebenden. Verlust, die Fälligkeit zur Liquidation, das Ling-chi der Notwendigkeit, durchkreuzt vom Rummeln seltsamer Maschinen, dem Klingeln der Entscheidungen, wenn die Dialoge doch einmal abreißen. Und ganz am Ende das Glück, sekundig. Ein stilles und bewegendes Buch.
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