Günter Ullmann hegte eine zutiefst ehrfürchtige Faszination gegenüber dem Sein, der Schöpfung, wie er es nannte. »Angesichts des Nichts« sagte er, » ist jede Kleinigkeit, jedes unscheinbare Blatt, jeder Grashalm ein Wunder.«
ALLES SPRICHT
der mensch das tier
die pflanze
selbst der stein lächelt
wenn du ihn sanft berührst
alles spricht
der himmel die erde
das wasser das feuer
nur wir sind blind und
taub
und verstehen uns nicht
Bei aller Naturverbundenheit war er jedoch kein großer Wanderfreund, anders als seine Frau Angelika. Doch gelegentlich ließ er sich selbst zu Tageswanderungen von 15 und mehr Kilometern überreden. Besonders wenn zwischendurch die Einkehr in eine Gaststätte lockte, in der es Rouladen, Rotkraut und Thüringer Klöße gab, sein Lieblingsgericht.
Mit den Jahren wurde es zu einer kleinen Tradition zwischen Ullmann und dem Verfasser, gemeinsam mit ihren Frauen eine ausgedehnte Himmelfahrtswanderung zu unternehmen.
Auf so einen Rundwanderung führten Angelika und Günter Ullmann ihre Gäste über Wald- Feld- und Wiesenwege über eine Hochebene nach dem etwa 5 km entfernten Örtchen Waldhaus mit seinem Wildtiergehege, dem einstigen Jagdsitz Heinrich des XXII.
Himmelfahrtswanderungen mit Günter Ullmann fanden immer einen ganz besonderen Höhepunkt. Er, der sonst nie Alkohol trank, trank an diesem Tag einen kleinen Schnapspuffer auf ex und strahlte bei dem breit ausgesprochenen Wort »Schnaps«. Beschwingt ging es danach weiter, bei dieser Wanderung zum »Weißen Kreuz« auf dem Hirschstein. 1838 errichtet, erinnert das zwölf Meter hohe Kreuz an die mit 29 Jahren verstorbene Gemahlin Fürst Heinrichs des XX., Prinzessin Sophie von Löwenstein-Wertheim.
Der hochgelegene Aussichtspunkt belohnt mit einer grandiose Aussicht, auf den Greizer Park mit dem großen Parksee, das Obere Schloss und Teile der Altstadt und weit ins Elstertal hinein.
Vom Weißen Kreuz führt der abschüssige Waldweg nach gut 2 Kilometern in die Stadt oder man macht einen Abstecher zum Pulverturm auf dem »Roth-Berg« gegenüber dem Neuen Friedhof. Der gefällige, gleichfalls zwölf Meter hohe Ziegelturm mit seinem Spitzdach und seinen vier Ziertürmchen wurde 1841 weit außerhalb der Stadt auf dem bewaldeten Bergzug errichtet, um größere Mengen Schießpulver zu lagern.
Auf einem anderen Ausflug – und kommt man nach Greiz, ist er eigentlich ein Muss – wanderten Angelika und Günter Ullmann mit dem Verfasser und seine Frau zur rund acht Kilometer entfernten Göltzschtal-Brücke. Der Weg führte hinter der ehemaligen Papierfabrik Greiz vorbei am »Hohen Stein« zum Köhlersteig, dann über die Schwarzhammermühle bis zur weltgrößten Ziegelsteinbrücke mit einer Höhe von 78 m, mit 29 Viaduktbögen und einer Gesamtlänge von 574 m. 1851 fertiggestellt kündet sie bis heute vom Wunder Eisenbahn im industriellen Aufbruch des 19. Jahrhunderts.
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