Wie die Schriftkultur, war auch das Theater im Mittelalter von religiösen und theologischen Themen und Motiven geprägt. Bereits im 12. Jahrhundert schuf ein unbekannter thüringischer Dichter mit dem Dialog »Christus vor Pilatus« einen ersten Vorläufer der dramatischen Literatur. Wegweisend wurden die »Erfurter Visitatio« und das »Innsbrucker Osterspiel«, welches in thüringischer Volkssprache verfasst wurde. Dieses geistliche Spiel, benannt nach seinem heutigen Aufbewahrungsort Innsbruck, thematisiert die Auferstehung Jesu Christi. Die szenische Darstellung bezog liturgische Handlungen ein, konnte aber vorrangig mit weltlichen Handlungssträngen zur Unterhaltung und Belehrung des Publikums genutzt werden.
Sehr großer Beliebtheit erfreuten sich die aufwändigen Aufführungen des »Katharinen-Spiels«. Die oft mehrtägigen Darbietungen zogen die Betrachter mit Massenszenen und reichen Requisiten in ihren Bann. Als Aufführungsorte dienten die auch heute wieder als eindrucksvolle Kulisse genutzten Domstufen und die Barfüßerkirche. Einen besonderen Effekt dachte man sich für die Kundigundenhalle des Domes aus. Wurde hier gespielt, konnte der Christus-Darsteller durch eine Gewölbeöffnung sprichwörtlich »gen Himmel fahren«.
Im 15. Jahrhundert wurde es üblich, Tugenden und Laster personifiziert auftreten zu lassen, um die aktuellen Fragen der Moral auf die Bühne zu bringen. Mit diesem Kniff arbeitet auch die »Erfurter Moralität« von 1448. Der Text kreist um die »Ehre und Schande der Frauen«. Auch wenn sie wahrscheinlich gar nicht aus Erfurt, sondern aus Coburg stammt, ist die in 18.000 Versen thüringischer Mundart verfasste Moralität bis heute als Zeugnis der Spieltradition der Region geschätzt. Sollte sie allerdings wirklich einmal zur Aufführung gekommen sein, wäre die Spieldauer von mehr als 30 Stunden auch kaum einem durchschnittlichen Publikum zuzumuten.
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