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Literarisches Thüringen um 1800
Jens-Fietje Dwars, Ulrich Kaufmann
Die Exkursion entstand im Rahmen eines Projekts der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.
Jakob Michael Reinhold Lenz (1751–1792) war Lyriker und ein begnadeter Dramatiker der Sturm und Drang Epoche (»Der Hofmeister«, 1774, »Die Soldaten«, 1776). Aus Straßburg kommend, wo er sich zu Beginn der siebziger Jahre mit Goethe anfreundete, traf er am 1. April 1776 (im Lenz, im Frühling) in Weimar ein. Die Rechnung für die Kutsche aus Erfurt leitet Lenz aus seinem Quartier, dem Gasthof »Erbprinz« (heute eine Baulücke neben dem Hotel »Elephant«), an das benachbarte »Fürstenhaus« weiter. Der Dichter schickte sofort an den Herzog das Briefgedicht »Placet« und teilte auch dem Freunde Goethe mit, der »lahme Kranich« sei eingetroffen. Das mittellose Dichtergenie wurde von Goethe und dem Weimarer Hof, der nach dem Schlossbrand im »Fürstenhof« (heute Musikhochschule) residierte, zunächst sehr herzlich aufgenommen. Lenz fungiert als eine Art »Vorleser«, ohne Chance auf eine erhoffte Anstellung. In Weimar arbeitet Lenz an seiner umfangreichen Schrift zum Soldatenwesen weiter. Nachdem Goethe Ende Juni seine Amtsgeschäfte am Hof aufnahm, zog es Lenz in das einsame Berka, »weil ich bei Euch nichts tun kann«. In der Berkaer »Einsiedelei« schreibt er die Erzählung »Der Waldbruder«, das Dramolett »Tantalus« sowie weitere Partien der »Soldatenschrift«.
Mitte August ist Lenz wieder in Weimar, wo er im Gartenhaus an der Ilm mit Goethe dessen 27. Geburtstag feiert. Für sechs Wochen (von Mitte September bis Ende Oktober) darf Lenz Gast bei Charlotte von Stein auf dem Kochberger Schloss sein. Als gelernter Hofmeister agiert er hier als Englischlehrer. Am 20. Oktober hat Lenz in Kochberg die erste persönliche Begegnung mit dem von ihm hochverehrten Herder. Lenzens Nähe zu Charlotte von Stein führt zu Spannungen mit Goethe. Am 26. November 1776 kommt es zum endgültigen Zerwürfnis mit Goethe, in dessen Tagebuch nur lapidar »Lenzens Eseley« vermerkt wird. Bis heute ist nicht geklärt, worin diese »Eseley« bestand. Goethe besteht unwiderruflich auf Lenzens Ausweisung aus der Ilmstadt. Auch der gerade erst nach Weimar übergesiedelte Herder kann und will Jakob Lenz nicht helfen. Im letzten Weimarer Brief an Herder (vom 30. November) sagt Lenz, dass er » aus dem Himmel als ein Landläuffer, Rebell, Pasquillant« gestoßen worden sei. Am 1. Dezember muss Lenz Weimar verlassen. Für einige Zeit lebt er dann bei Goethes Schwester Cornelia Schlosser in Emmendingen. Schiller brachte einige Lenz-Texte, die in Goethes Besitz waren, in den neunziger Jahren zur Veröffentlichung.
Büchner mit seiner Erzählung »Lenz« und Sigrid Damm mit der Lenzbiographie »Vögel, die verkünden Land« (1985) setzten dem Dichter würdige Denkmale. In Weimar gibt es indessen keine Straße, kein Haus und auch keine Tafel, die an Jakob Michael Reinhold Lenz erinnern.
Abb. 1: Ansichtskarte, um 1900 / Abb. 2: unbekannter Künstler, Kupferstich um 1775.
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