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Großherzoglich Sächsische Kunstschule
Goethe- und Schiller-Denkmal in Weimar
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Jens-Fietje Dwars / Ulrich Kaufmann
Die Exkursion entstand im Rahmen eines Projekts der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.
Über den Zeughof gelangen wir von der Windischenstraße zum Theaterplatz. Voraussichtlich noch bis 2019 dient hier ein klassizistisches Gebäude als provisorisches Bauhaus-Museum. Eine Gelegenheit, an die doppelte Vertreibung des Bauhaus-Geistes zu erinnern: 1925 und 1948.
Das Bauhaus entstand 1919 unter der Leitung von Walter Gropius durch Vereinigung der Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule Weimar mit der 1907 von Henry van de Velde gegründeten Großherzoglich-Sächsischen Kunstgewerbeschule Weimar. Klarheit, Abstraktion auf das Wesentliche und vor allem Funktionalität waren die Grundprinzipien dieser neuen Ästhetik, die nicht nur Architektur und Formgestaltung, sondern das ganze Leben umfassen und mit einer eigenen Bühne auch ins Literarische ausstrahlen sollte.
Dieser radikale Stilwille brach wie ein Fremdkörper in die Idylle Weimars ein, wo zwar mit der Nationalversammlung im Weimarer Theater die neue Republik gegründet wurde, die Mehrzahl der Bewohner aber noch immer den Residenzzeiten nachtrauerte. »Eine große Schar behäbiger Philister sonnte sich im Ruhme Goethes«, bezeugt Nina Kandinsky. Eine Goethe, der damals wie heute »auf Seife, auf Brillen, auf Hüten, auf Masken, auf Plaketten« geschmacklos vermarktet wurde. »Das Bauhaus war in Weimar eine isolierte geistige Insel.« Wenn ein Kind aufsässig war, drohten ihm seine Eltern: »Ich schick dich ins Bauhaus!«
Zu den ästhetischen Verdammungen kamen die politischen: das Bauhaus galt als kommunistisch und jüdisch »unterwandert«.
Die konservative Landesregierung in Weimar löste das Problem, indem sie 1924 den Jahresetat des Bauhauses um 50 Prozent kürzte. So zog der neue Geist nach Dessau und später Berlin.
Noch einmal vertrieben wurde er nach dem II. Weltkrieg. Nach der Zerschlagung des Dritten Reichs begann die Weimarer Hochschule für Baukunst und bildende Künste ihren Lehrbetrieb zunächst mit einer Wiederbelebung der Bauhaus-Traditionen, die jedoch 1948/49 mit der Orientierung am »Sozialistischem Realismus« nach sowjetischem Vorbild verloren gingen.
In genau dieser Zeit kam Gerhard Ströch (1926–1989) nach Weimar, der sich später Altenbourg nannte. Im Herbst 1948 nahm er sein Kunst-Stipendium auf und wurde im Mai 1949 bereits exmatrikuliert. Der Einzelgänger verweigerte sich den Vorgaben und blieb den Seminaren fern. Stattdessen nutzte er die Werkstätten zu intensiver Arbeit: bis 1952 entstand ein reiches Frühwerk mit 52 Lithografien. Unterstützt wurde er dabei vom Drucker Horst Arloth, dem Verleger Heinrich Mock (Grafik-Verlag Weimar) und dem Gelehrten Fritz Henning, bei dem er in der Haeckelstr. 7) zur Untermiete wohnte. Henning, der einst zum Kreis der Berliner Dadaisten gehörte, brachte ihm Goethes Morphologie nahe und ermutigte ihn zu einer Arbeit über DaDa. Nach dem Tod Hennings zog sich Ströch wieder nach Altenburg zurück, wo er unter dem Namen Gerhard Altenbourg sein autonomes Werk schuf, das weder der Ideologie des Ostens noch den Marktmoden des Westens folgte.
Wenden wir uns um, erblicken wir das Goethe- und Schiller-Denkmal von Ernst Rietschel. Den schönsten Kommentar dazu hat Egon Erwin Kisch geschrieben: »Lächerlich, solch ein Geniekult, lächerlich, ein Leben in Spiritus zu konservieren, lächerlich, die Bewohner einer Stadt zu Mitwirkenden eines beständigen Passionsspieles zu machen.« (Der Naturschutzpark der Geistigkeit, 1926)
Und doch sollten wir die Klassiker nicht mit den Denkmälern verwechseln, die Nachgeborene aus dem Bedürfnis der Verklärung heraus ihnen aufgerichtet haben. Wir sahen bereits, dass Schiller auf dem Sprung war, Weimar zu entfliehen. Und Goethe? War dieser vermeintliche Mittelpunkt Weimars, nicht in Wirklichkeit ein Außenseiter? Seine Naturwissenschaftlichen Entdeckungen vom Zwischenkieferknochen über die Morphologie bis zur Farbenlehre wurden von der Fachwelt abgelehnt. Die Bestseller schrieben Iffland, Kotzebue und sein Schwager Vulpius. Und auch politisch war Goethe weder ein einfacher Parteigänger des Bürgertums noch des Hofes, sondern vertrat Haltungen, die überall anstießen.
Abb. 1: Foto: Jens Kirsten / Abb. 2: Cover Palmbaum 2/2014 / Abb. 3: Foto: Jens-Fietje Dwars.
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