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Literarisches Thüringen um 1800
André Schinkel
Die Exkursion entstand im Rahmen eines Projektes der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.
Vor unserem kleinen Aufstieg zur Johannisstraße werfen wir einen Blick in die Kollegiengasse: auf das alte Herz der Jenaer Universität, das Collegium jenense. Der Hof des Collegiums, das bis heute durch zwei einliegende Institute der Hochschule lebendig ist, gehört zu den schönsten und stillsten Plätzen des alten Jena – inmitten des Zentrums bietet er vor allem im Sommer einen idealen Verweilort im Treiben der Stadt.
Wer die Kollegiengasse weitergeht und am Ende nach links in den Leutragraben abbiegt, gelangt nach ca. 300 Metern über die Schillerstraße zu Schillers Gartenhaus in der Schillergasse. Doch das ist nicht das Ziel unseres Rundgangs.
Die Johannisstraße kann als eine der bedeutendsten und geschichtsträchtigsten Straßen der Jenaer Innenstadt angesehen werden: auf ihr fand am 26. Mai 1789 geradezu Ungeheuerliches statt. Der frisch berufene Geschichtsprofessor Schiller sollte an diesem Tag im Reinholdschen Auditorium seine Antrittsvorlesung (»Warum und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?«) halten – da aber der Raum die Masse Zuhörer nicht fassen konnte, wurde eilends der Umzug zum Griesbachschen Auditorium am Löbdergraben anberaumt. Um nun dort die besten Plätze zu ergattern, kam eine so ungeheure Bewegung auf die Johannisstraße, dass die Bewohner nach dem Grund des Tohuwabohus fragten und zur Antwort bekamen, dass der wohl zu der Zeit berühmteste Extraordinarius sich die Ehre gäbe. Es wurde, Ortswechsel wie Antrittsvorlesung, ein regelrechter Triumphzug Schillers, der ihm in der Kollegenschaft nicht nur Bewunderung, sondern auch Neid einbrachte. Schillers Auskommen indes war erst ab 1792 gesichert, als ihm der dänische Kronprinz ein Jahressalär von 1.000 Talern gewährte. Diesem Mäzen – und nicht dem Weimarer Herzog – sind wohl die nun folgenden großen Werke Schillers, geschichtliche wie literarische, zu verdanken.
Am Johannistor (das man, um sein Seelenheil und gute Prüfergebnisse besorgt, umgehen und nicht durchschreiten soll) vorbei blicken wir in die Wagnergasse, die heute eine Fülle Szenelokale beherbergt. Über diese Straße kam Goethe von Weimar her in die Stadt – und nicht zuletzt die Jahre der Zusammenarbeit mit Schiller sollten ihn oft nach Jena führen, hier ließ er sich im Stadtschloss (heute Hauptgebäude der Universität) ein Zimmer bereithalten. Ein wenig oberhalb (Johannisplatz 22) befindet sich das Wohnhaus Schellings, der, ein Studienkollege Hölderlins und Hegels, zum »Tübinger Dreigestirn« zählt. Schelling war, zunächst (bis 1799) an der Seite von Fichte, später im Verbund mit Hegel, von 1798 bis zu seinem Ruf an die Würzburger Universität 1803 Professor in der Saalestadt.
Hölderlin, der 1794/95 in Jena studierte, engen Kontakt zu Schiller pflegte und in der Zwätzen- wie der Unterlauengasse Quartier hatte, kehrte in der »großen Zeit« um 1800 nicht in die Stadt zurück.
Abb. 1: Ansichtskarte, um 1900 / Abb. 2: Foto: Jens-Fietje Dwars.
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