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Ort
Maschinenfabrik Meuselwitz, Werk 6
Themen
Volker Hanisch
Thüringer Literaturrat e.V. / Der Abdruck des Gedichts von Wolfgang Hilbig »episode« erfolgt mit freundlicher Genehmigung der S. Fischer Stiftung.
Die meiste Zeit seines Daseins als Heizer verbrachte Wolfgang Hilbig im Betriebsteil 06 der Meuselwitzer Maschinenfabrik in Wuitz-Mumsdorf. Zum straßenseitigen Sozial- und Verwaltungsgebäude mit Heizungskeller gehörten zwei auf der »schroffen Klippe« zum Tagebaurestloch Zipsendorf stehende Werkhallen, in denen auch Zubehörteile für Konsumgüter (wie den Rasenmäher »Trolli«) hergestellt wurden.
Hilbig fuhr zu seiner Arbeitsstätte in den 1970er-Jahren entweder mit dem Fahrrad oder mit dem Werksbus. Einzelne Stationen seines Arbeitswegs von Meuselwitz nach Wuitz (schon 1955 überbaggert) fotografierte der Leipziger Dietrich Oltmanns im November 1983 in einer Serie von 22 Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Als es nach Verleihung des Brüder-Grimm-Preises an Hilbig für ein westdeutsches Filmteam keine Einreiseerlaubnis gab, sollten Fotografien von biografischen Originalschauplätzen als Ersatz und visueller Eindruck dienen.
Das frühere Fabrikgelände, schon auf sachsen-anhaltinischer Flur gelegen und als »Wuitz 3« zur Verwaltungsgemeinde Elsteraue gehörend, erreicht man heute über Meuselwitz-Mumsdorf, wenn man kurz nach dem Ortseingang links in den Bahnhofsweg einbiegt und Richtung Tagebausee weiterfährt. Der ehemalige Heizungskeller, in dem Hilbig lange Jahre Kohle schippte und Schreibhefte füllte, bleibt unzugänglich, während die vorderen Räume manchmal für Techno-Partys geöffnet sind. Das einstige Werk der Maschinenfabrik inmitten ländlicher Stille lässt sich leicht in einigen Prosastücken Hilbigs wiederfinden. So, wenn man in »Über den Tonfall« (1977) von der »uralten Trauerweide« auf »einer Rasenfläche vor dem Eingang zum Verwaltungsgebäude über der Straße des Hofs« liest. Weiterhin: »Der Heizer« (1980). Er fährt nach seiner Nachtschicht vom »Kesselhaus Werk 6«, wo er »seit nunmehr sieben Jahren arbeitet«, per Omnibus in ein Lohnbüro, um sich seine Jahresendprämie abzuholen. Und in der Erzählung »Die Erinnerungen« (1996) denkt der frühere Heizer C. an seine Arbeit im »Betriebsteil 6, dem Betriebsteil der phantasierenden Trunkenbolde« zurück.
Überdies verdanken wir dem Heizungskeller in Wuitz-Mumsdorf wahrscheinlich eines der beeindruckendsten Gedichte Wolfgang Hilbigs, in dem er jene Düsternis des Kesselhauses überwindet. Franz Fühmann – der 1980 in Meuselwitz zu Gast war und sich fortan für den Dichter einsetzte – überlieferte, Hilbig habe ihm erzählt, das Gedicht »episode« von 1977 beruhe auf einer wahren Begebenheit. Und der Literaturkritiker Karl Corino schrieb über diese Zeilen sogar unter dem Titel »Die Epiphanie des Schönen in Meuselwitz«.
Abb. 1–2: Fotos: Dietrich Oltmanns / Abb. 3–5: Fotos: Volker Hanisch.
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