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Martin Straub
Erstdruck in: Palmbaum 1-2019.
Martin Straub
Lebenslandschaften
Man hält ihn gern in der Hand, diesen sorgfältig und liebevoll gestalteten Band von Annerose Kirchner mit Holzschnitten von Stefan Knechtel. 40 Gedichte, zwischen 2000 und 2018 entstanden, sind in ihm versammelt. Sie geben Auskunft über eine Lyrikerin, die sich nicht nur im Gedicht mit der Thüringer Landschaft und ihrer Geschichte beschäftigt, dafür sprechen ihre lebendigen Recherchen über jene Dörfer, die der Uranabbau vernichtet hat (»Spurlos verschwunden«, 2010) oder über selten gewordenes Thüringer Handwerk («Rausspeller«, 1999). In dem Lyrikband schwingt das alles mit. In ihm überschreitet sie auch die Thüringer Grenzen. Sie besucht Amsterdam, bereist Irland , sie schreibt Porträtgedichte über ihr nahestehende Künstler, in denen biographische Episoden eine Rolle spielen, Eigenheiten ihrer Handschrift, wenn sie etwa über Leonardo da Vincis »sfumato«-Technik schreibt, die das Bild in ein besonders weiches Licht taucht oder über Tarkowskis apokalyptische Stalker-Welt. Es sind genau gearbeitete knappe Gedichte. Verzichtet wird auf eine aufgeladene Metaphorik. Man spürt, wie dieses lyrische Ich der Dichterin Anteil nimmt, Wert auf das charakteristische Detail legt. Gerade die Landschaftsgedichte überzeugen durch ihren ganz eigenen Ton. Man lese das Wulf Kirsten gewidmete Gedicht »Bornhohle«. Da schaut eine nicht obenhin über die Wuitz-Mumsdorfer Eisenbahn. Sondern vertieft sich in die Geologie und Botanik, die dieser Gegend ihr ganz eigenes Gepräge geben und taucht ab in frühgeschichtliche Zeiten. So vereinigt dieser Band einen erstaunlichen Reichtum an Welt. In diese Welt bindet sie sich mit oft bohrender Selbstbefragung und Erinnerungen ein wie in dem Gedicht »Spiegelbild«, an dem sie sichtlich seit dreißig Jahren immer wieder gearbeitet hat. Da ist keine kühle Abständigkeit im Spiel, sondern sehr viel Empathie. »Unsichtbar der Spalt / zwischen Gestern und Heute / und dem, was uns bevorsteht.«, heißt es in dem Gedicht »Schnittmenge«. Und es gibt den Zorn über den gegenwärtigen Zustand der Welt, die Sprache der »Sprücheklopfer«, und »eifriger Luftwedler«. Da hat die Dichterin eine andere Sprache dagegen zu setzen. Leise, fast schon vergessene »Worte aus flüchtiger Erinnerung«, »die Stimmen im dämmernden Abend«. Es ist gut, dass es solche Töne gibt.
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