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Carl August v. Sachsen-Weimar-Eisenach
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Themen
Thüringen im literarischen Spiegel
Literarisches Thüringen um 1800
Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach
Goethe in vertraulichen Briefen seiner Zeitgenossen, zusammengestellt von Wilhelm Bode, hg. von Regine Otto und Paul-Gerhard Wenzlaff, Bd. 1, Berlin und Weimar 1979, S. 179f.
Weimar, 10. Mai 1776
Sie fordern … Ihre Dienstentlassung, weil, sagen Sie, Sie nicht länger in einem Collegio, wovon der Dr. Goethe ein Mitglied ist, sitzen können. Dieser Grund sollte eigentlich nicht hinlänglich sein, Ihnen diesen Entschluss fassen zu machen. Wäre der Dr. Goethe ein Mann eines zweideutigen Charakters, würde ein jeder Ihren Entschluss billigen. Goethe aber ist rechtschaffen, von einem außerordentlich guten und fühlbaren Herzen. Nicht alleine ich, sondern einsichtsvolle Männer wünschen mir Glück, diesen Mann zu besitzen. Sein Kopf und Genie ist bekannt. Sie werden selbst einsehen, dass ein Mann wie dieser nicht würde die langweilige und mechanische Arbeit, in einem Landescollegio von unten auf zu dienen, aushalten. Einem Mann von Genie nicht an den Orte gebrauchen, wo er seine außerordentlichen Talente nicht gebrauchen kann, heißt, denselben missbrauchen … Was das Urteil der Welt betrifft, welche missbilligen würde, dass ich den Dr. Goethe in mein wichtigstes Collegium setze, ohne dass er zuvor weder Amtmann, Professor, Kammer- oder Regierungsrat war, dieses verändert gar nichts. Die Welt urteilt nach Vorurteilen, ich aber und jeder, der seine Pflicht tun will, arbeitet nicht, um Ruhm zu erlangen, sondern um sich vor Gott und seinen eignen Gewissen rechtfertigen zu können, und suchet auch ohne den Beifall der Welt zu handeln. Nach diesen allen muss ich mich sehr wundern, dass Sie, Herr Geheimer Rat, die Entschließung fassen, mich jetzt in einem Augenblick zu verlassen, wo Sie selber fühlen müssen und gewiss fühlen, wie sehr ich Ihrer bedarf. Wie sehr muss es mich befremden, dass Sie, statt sich ein Vergnügen daraus zu machen, einen jungen fähigen Mann, wie mehrbenannter Dr. Goethe ist, durch Ihre in einem zweiundzwanzigjährigen treuen Dienst erlangte Erfahrung zu bilden, lieber meinen Dienst zu verlassen, und auf eine sowohl für den Dr. Goethe als, ich kann es nicht leugnen, für mich beleidigende Art. Denn es ist, als wäre es Ihnen schimpflich, mit demselben in einem Collegio zu sitzen, welchen ich doch, wie es Ihnen bekannt, für meinen Freund ansehe und welcher nie Gelegenheit gegeben hat, dass man denselben verachte, sondern vielmehr aller rechtschaffenen Leute Liebe verdient.
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